In Prenzlauer Berg steht man auf dem Radweg gerne mal im Stau. Die Zahl der Radfahrer ist größer als der Platz, der ihnen auf der Straße zusteht. Wie lösen andere Städte dieses Problem?
Dass man zur Hauptverkehrszeit in einer Großstadt mal im Stau steht, ist keine große Überraschung. Etwas unerwartet trifft einen dieser Zustand allerdings, wenn man mit dem Rad unterwegs ist. In Prenzlauer Berg passiert einem das immer öfter, weil die Zahl der Radfahrer steigend, die Radwege aber schmal sind. Ein langsamer Radler mit Anhänger reicht völlig, um auf der Prenzlauer Allee einen enormen Rückstau zu verursachen.
In Berlin macht man sich daher Gedanken, wie man mit dieser Entwicklung umgehen soll. Aktuell haben die Berliner Grünen ein Konzept erarbeitet, das ein Netz aus Fahrradstraßen kreuz und quer durch die Stadt spannt. Auf diesen Straßen, zu denen auch die Choriner gehört, haben Radfahrer Vorrang; Anlieger dürfen aber auch mit dem Auto hier entlang.
Die Hauptkritik an dieser Lösung ist, dass meist Neben- zu Fahrradstraßen erklärt werden, und das bedeutet oft einen Umweg. Den scheuen jedoch viele, die sich aus eigener Kraft durch die Stadt bewegen und es im Zweifel auch mal eilig haben.
Doch Berlin ist ja nicht die erste Stadt, wo viele Radfahrer unterwegs sind. Wir haben mal zusammengetragen, wie andere Städte damit umgehen.
Dronning Louises Bro in Kopenhagen
Die Dronning Louises Bro (Königin-Luise-Brücke) ist der Klassiker unter den Beispielen, wie Großstädte auf steigende Radler-Zahlen reagieren können. Im Jahr 2008 stand man in der dänischen Hauptstadt vor dem Problem, dass jeden Tag 17.000 Autos, 30.00 Radler und 26.000 Businsassen die Brücke über die Kopenhagener Seen passieren wollten. Wobei die Autos die wenigsten Menschen beförderten, aber den meisten Platz für sich beanspruchten.
Kurzerhand organisierte man die Verteilung des Straßenraums komplett neu und verschmälerte die Fahrbahn für Autos zugunsten breiter Radspuren in beide Fahrtrichtungen.
Seit Jahrzehnten beobachtet man, dass der Bau neuer Schnellstraßen nie zur Entspannung des Verkehrs führt, sondern auf lange Sicht immer zu noch mehr Autos. Der gleiche Effekt griff nun in Kopenhagen: Die Zahl der Fahrradfahrer stieg, da Radfahren auf der Brücke und damit die Durchquerung der Stadt auf zwei Rädern nun einfach bequemer war als Autofahren. (Wobei natürlich auch eine Rolle spielte, dass die Stadt auch jenseit der Brücke ein sehr gutes Radwegenetz etabliert hat.)
Dronning Louises Bro (Foto: heb@Wikimedia Commons / CC-BY-SA-3.0, via Wikimedia Commons)
SkyCicle in London
Bislang nur eine Vision ist die Idee des Architekten Norman Foster, in London über den Bahnschienen Hochbahntrassen für Radfahrer zu bauen. Entstehen könnte ein 220 Kilometer langes Netz durch die Stadt mit Auf- und Abfahrten wie bei einer Autobahn. Allein die 6,5 Kilometer Teststrecke zwischen Stratford und Liverpool Street würde jedoch 220 Millionen Pfund kosten. Ganz neu ist die Idee, die Foster Anfang des Jahres der Öffentlichkeit vorgestellt hat, jedoch nicht: Bereits Ende des 19. Jahrhunderts sollte ein derartiger Radhochweg aus Holz in Kalifornien gebaut werden. Die Arbeiten wurden jedoch nie abgeschlossen – die zunehmende Popularität des Autos ließ das Projekt antiquiert erscheinen.
Radwege in Peking
Mittlerweise ist auch in China längst das Auto auf dem Vormarsch. Doch am Straßensystem Pekings erkennt man noch, dass China lange Zeit eine Fahrradnation war. Hauptstraßen haben zumeist in beiden Richtungen einen Fahrradstreifen, mindestens so breit wie eine Autospur. Überholen ist hier kein Problem. Aus Sicherheitsgründen sind die Radwege zudem oft durch kleine Zäune oder Mauern vom Autoverkehr getrennt. Ähnlich wir das übrigens auch in Kopenhagen gehandhabt. Hier werden parkende Wagen als Trenner zwischen fahrenden Autos und Radstreifen genutzt.
Radweg in Peking (Foto: Jorge Láscar, CC-BY-SA 2.0)
Getrennte Systeme in Houten
Vor 35 Jahren war Houten noch ein niederländisches Kleinstädtchen mit 5.000 Einwohnern. Dann wurde es aufgrund seiner Lage – mit der Bahn ist man in zehn Minuten in Utrecht – zum Wachstumskern erklärt. Die Stadt sollte die damals stark ansteigende Bevölkerungszahl aufnehmen. Und wenn man schon massiv wächst, kann man auch mal etwas Neues ausprobieren, dachten sich die zuständigen Stadtplaner.
Mittlerweile hat Houten 50.000 Einwohner und zwei Verkehrssysteme: Im Zentrum sind die Straßen autofrei und Radlern und Fußgängern vorbehalten. Für den motorisierten Verkehr gibt es extra Routen. Deren Rückgrat ist eine Ringstraße, von der kurze Stichstraßen Richtung Zentrum führen. Querverbindungen gibt es für die Autos nicht; wer aus dem Süden in den Norden will, muss um die Stadt herum fahren. Da diese ja neu gebaut wurde, hat man versucht, es so einzurichten, dass die Häuser nach hinten Anschluss an eine Auto- und nach vorne an einer Fahrradstraße haben. Auf Wegen, die Autos und Radler sich teilen, haben letztere Vorfahrt.
In Houten passieren nur halb so viele Verkehrsunfälle wie in anderen niederländischen Städten vergleichbarer Größe. Am CO2-Ausstoß hat sich allerdings wenig geändert, weil man längere Strecken in Kauf nehmen muss, wenn man mit dem Auto fährt.
Bonus Track: Times Square in New York
Die Umgestaltung des Times Square hat zugegebenermaßen weniger mit Radverkehr als mit Fußgängern zu tun: 2009 wurde die zentrale Kreuzung von Broadway und Seventh Avenue, bis dahin ein Nadelöhr für den Autoverkehr, zunächst temporär umgestaltet: Aus dem Broadway wurde in Höhe des Times Square eine Fußgängerzone. Die Bedenken waren riesig, doch die Aufenthaltsqualität verbesserte sich durch die Änderung so stark, dass man sich entschloss, sie permanent einzurichten. (Hier kann man bei den Bauarbeiten zusehen, die 2012 begannen und 2016 endgültig abgeschlossen werden sollen.)
Dass eine Umgestaltung des berühmten Platzes möglich sein und sogar etwas verbessern könnte, hatte vorher niemand geglaubt. Erst als man sie testweise umgesetzte, wurde deutlich, wie groß der Bedarf für die Veränderung war.
Der Times Square vor der Umgestaltung (Foto: Noclip at the English language Wikipedia / CC-BY-SA-3.0, via Wikimedia Commons)
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