Petra Hoyer ist auf Baustellen genauso heimisch wie auf der Fashion Week. Seit 1990 führt die „Berliner Unternehmerin des Jahres” ihren Betrieb an der Greifswalder Straße. Mitunter auch am Waffelstand.
Waffeln nach DDR-Standard kommen im Gegensatz zu belgischen Waffeln ohne getrennte Eier (für den Eischnee) aus, auch ohne Mineralwasser. Sie sind damit zwar weniger fluffig, was sie aber durch eine geschmacklich erfreuliche Direktheit wettmachen. Bei dem Vermischen des Eischnees ist zudem darauf zu achten, dass die zuvor geschmolzene Butter allerhöchstens Zimmertemperatur hat, nicht etwa noch Mikrowellen-Hitze. Warum? Weil sonst der Eischnee flockt, was den Teig versaut, aber am Geschmack ehrlicherweise nicht viel ändert. Zu allen Waffeln schmeckt Apfelmus mit Zucker und Zimt ganz gut, Nutella wirkt auf viele etwas aufdringlich, ähnlich wie Marmelade. Waffeln sind nicht mal eben so gemacht.
Petra Hoyer steht also am Waffeleisen, und ja, man kann sehr lange über die richtige Zubereitung von Waffeln diskutieren, wenn alle drei, der Reporter und die eigentlich für den Kiosk Verantwortliche sind ja auch noch da, dazu willens (und befähigt!) sind. Erwähnenswert ist das deshalb, da am Ende nur noch zwanzig Minuten für das eigentliche Interview bleiben und vorher nicht absehbar war, die „Berliner Unternehmerin 2014/2015” nun ausgerechnet in der Küche anzutreffen. Aber irgendwie passt es dann doch, die Conclusio sei hier mal vorweg geschickt: Petra Hoyer packt gerne selbst mit an. Bei der Wahl des Waffeleisens, selbst bei der Bestellung eines Puderzuckerstreuers (unverzichtbar!). Die Waffelbude steht auch erst seit einem Tag auf dem Firmengelände, Hoyers Idee. „Ist ein Euro okay?”, fragt sie. Sie weiß noch nicht recht, wieviel sie von den Kunden, Lkw-Fahrer und Handwerker vornehmlich, pro Waffel verlangen soll. Es wird wohl einsfünfzig werden.
Zusammen in Beton und Wolle
Nun mal zu den Fakten: Petra Hoyer, geboren 1962 in Frankfurt/Oder, aufgewachsen in Berlin, gründete 1990 ihr Unternehmen, inzwischen ist die Hoba Baustoffhandel GmbH – direkt an den Gleisen des S-Bahnhofs Greifswalder Straße gelegen, dort, wo die Betonsilos aufragen – eine Firma mit 38 Mitarbeitern und neun Millionen Euro Umsatz pro Jahr. Kein Riese, aber bemerkenswert allemal: Zum einem, weil die Prenzlauer Berger Wirtschaft nicht unbedingt durch Diversität besticht und ein Baustoffhandel da auffällt. Zum anderen, weil Petra Hoyer selbst auf Binnenpluralität setzt: Seit dem vergangenen Jahr führt sie auch noch ein Modelabel. Es heißt „Ben Weide”, wie der Co-Geschäftsführer, mit dem zusammen sie nun in Beton und Wolle macht. Darauf muss man erst mal kommen.
Modelabel und Baustoffhandel – hier findet sich alles. Und Waffeln. (Foto: tt)
So begeistert Petra Hoyer Waffeln bäckt, so konsequent schaut sie beim eigentlichen Interview ratlos. Zum Beispiel dann, wenn man sie fragt, wie sie das damals gemacht hat: Gerade das Studium der Außenwirtschaftsökonomie beendet, 89 ein Kind bekommen und dann alleinerziehend eine Firma gegründet? „Das war halt damals so. Alle haben gearbeitet, und fast alle hatten Kinder. Ich habe mir darüber nie groß Gedanken gemacht. Das Kind war in der Kita, und ab und an haben Freunde oder Verwandte aufgepasst.” Ratlose Pause. Auch der Klischeevermutung, dass es in der männlich dominierten Baubranche sicher nicht leicht für sie war, kann sie nicht viel abgewinnen. „Der Frauenanteil im kaufmännischen Bereich war ja zu DDR-Zeiten schon sehr hoch, das war schon okay.” Petra Hoyer, man wiederholt sich, ist eher so der Mensch, der einfach mal macht. Fragen, wie es war, als sie ihre Abiturausbildung mit integriertem Baufacharbeiter machte, lässt man dann gleich mal sein. 1982 war das.
Allein unter hungrigen Baulöwen (West)
Ständig einfach war es freilich nicht. Mit weitgehend unbrauchbaren ökonomischen Theorien im Studium noch während der Wende eine Firmengründung anzugehen, ist waghalsig. Das in einer Branche, die von westdeutschen und westberliner Baulöwen, hungrigen dazu, dominiert wird, zu tun, ist an der Grenze zum Wahnsinn zu verorten. Hoyer erinnert sich, wie sie mit ihrem Trabant unterwegs war, zu Zementherstellern in Polen oder runter nach Sachsen, um Nachschub zu organisieren. „Ich wurde damals von der Konkurrenz belächelt, klar.” Kamerad Unterschätzung, ewiger Verbündeter der Aufsteiger. Schnell warf der Betrieb Gewinn ab, es kamen Baubooms, Baukrisen, jetzt wieder ein Boom. „Ich mag die Herausforderungen. Gerade ist die Aufgabe, mit dem Wachstum vernünftig umzugehen”, sagt Hoyer. Hinter ihr an der Bürowand hängt eine Tafel, auf der die Ziele für die Firma formuliert sind. Stehen krasse Dinger drauf.
Hoyers Verantwortungsbereich ist ja auch gewachsen im letzten Jahr. Zum Beispiel daran zu erkennen, dass auf dem Flur gerade ein Model oben rum blank zieht, in Vorbereitung auf die Fashion Week, bei der Petra Hoyer und ihr Geschäftspartner Ben Weide mit besagtem Modelabel gerade zu sehen waren. Die Ben Weide GmbH ist ein eigenes Unternehmen, an dessen Spitze aber ebenso wie bei der Hoba GmbH Hoyer und Weide stehen. Fragt man die Chefin, was diese Kombination soll, schaut sie nicht ganz so ratlos. „Wir ergänzen uns gut”, sagt Hoyer, die übrigens 1978 eine Weiterbildung zur Industrienäherin beim VEB Goldpunkt, einer ehemaligen Prenzlauer Berger Schuhfabrik, abschloss. Wie, ergänzen? Hoba arbeitet mit Architekten zusammen, erklärt jetzt Ben Weide, „da ist ein riesiger Vorteil, wenn wir selbst gestalterische Expertise haben.” Auch umgekehrt laufe der Inspirationsfluss, geht es zum Beispiel um Ansprüche pragmatischer Liebhaber von Funktionskleidung. Weide zeigt einen Anzug, der komplett waschbar ist, bei 30 Grad. Wüsste man, dass es sich normalerweise anders verhält, wäre das sicher eine spektakuläre Info.
„Jedes Unternehmen ist ein Wagnis”
Bis jetzt laufe es ganz gut an mit dem Modelabel, sagen die beiden Geschäftsführer, und Petra Hoyer mag ja sowieso das Neue. „Es ist gut, man bleibt dadurch offen, verengt sich nicht auf die eine Unternehmerperspektive. Grundsätzlich ist jede Neugründung ein Wagnis.” Bisher hatte Petra Hoyer da immer ein gutes Händchen. Auch bei den Waffeln, die schmecken tatsächlich köstlich. Ob sie sie nach DDR-Art oder doch belgisch anbietet, ist nach letztem Stand noch offen.
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