Wohn-Raum Supermarkt

von Juliane Schader 2. Juli 2014

Berlin braucht Wohnungen. Doch muss dafür jede Freifläche zugebaut werden? Nein, man kann doch die eingeschossigen Supermärkte aufstocken.


Berlin wächst und braucht mehr Wohnungen, da ist man sich mittlerweile einig. Doch müssen diese alle auf Brachen und Freiflächen wie am Mauerpark oder dem Tempelhofer Feld entstehen? Nein, meint zumindest Andreas Otto, der für die Grünen und seinen Prenzlauer Berger Wahlkreis im Abgeordnetenhaus sitzt. Sein Vorschlag: bislang eingeschossige Supermärkte um ein paar Wohnungen aufstocken. „Wir sollten lieber ein bisschen höher bauen, als die Versiegelung noch weiter voranzutreiben“, meint er.

Um zu testen, ob auch der Berliner Senat sich dieses bislang unerschlossenen Wohnpotentials bewusst ist, hat Otto diesem eine Kleine Anfrage gestellt. Herausgefunden hat er so, dass es in Berlin rund 850 Einzelhandelsbetriebe mit mindestens 800 Quadratmetern Verkaufsfläche und noch wesentlich mehr kleineren Läden gibt. Wie viele Stockwerke diese haben, weiß man beim Senat zwar nicht, dafür werden viele Gründe aufgezählt, die bauliche Erweiterungen behindern könnten – etwa die Statik der Gebäude, Lärm bei der Anlieferung oder durch Kühlung und Lüftung, der zu Konflikten führen könnte, sowie die mangelnde Bereitschaft der Eigentümer zu so einer Veränderung.

 

Wohnungsneubau mit Fantasie

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Auch Otto ist klar, dass man nicht auf jedem Wellblechdach einfach drei Stockwerke draufsetzen kann, ohne den Eigentümer zu fragen. Doch für ihn liegen die Probleme ganz woanders: „Die Handelsunternehmen haben das Thema Wohnungsbau nicht auf dem Schirm, denen muss man das anbieten“, sagt er. Gerade das täte der Senat aber nicht. Dessen Politik sei ausschließlich auf Neubauprojekte auf der Grünen Wiese ausgelegt – ein Konzept aus dem West-Berlin der 1970er Jahre, wie er meint. Berlin 2014 verlange aber ein bisschen mehr Fantasie und auch mal unorthodoxe Lösungen.

Wenn man auf 500 Supermärkten jeweils 40 Wohnungen errichtete, käme man auf 20.000 neue, hat Otto errechnet. Zum Vergleich: Auf dem Tempelhofer Feld hätte der Senat gerne 4.700 neue Wohnungen gebaut, worauf er nach dem erfolgreichen Volksentscheid jedoch verzichten muss.

 

Wohnen auf Supermärkten? Keine neue Idee!

 

Um dieses vermeintlich riesige Verdichtungspotential auch zu erschließen, ist jedoch der Bezirk gefragt. Es ist für alle Belange des Baurechts zuständig und könnte zumindest bei Neubauprojekten über Bebauungspläne festlegen, wo zusätzlich zu einer Nutzung als Gewerbe auch Wohnen entstehen soll. „So könnten wir die Eigentümer zum Bau von Wohnungen zwingen. Die Frage ist nur, ob wir das wollen“, meint Roland Schröder (SPD). Der Vorsitzende des Pankower Ausschusses für Stadtentwicklung sieht da derzeit keine politische Mehrheit. Was jedoch nicht bedeutet, dass er die Supermarkt-Idee ablehnt.

 

Lidl Bornholmer

Auf dem Lidl an der Bornholmer Straße wird bereits seit zwei Jahren gewohnt. (Foto: jw)

 

Vielmehr habe der Bezirk das Thema längst auf der Schirm, wie man zum Beispiel beim Lidl an der Bornholmer Straße, dem Rewe in der Pasteurstraße oder dem Netto in der Gotlandstraße sehe – alles bereits realisierte oder in Planung befindliche Projekte, die Wohnen und Einkaufen kombinieren. Schröder setzt eher auf Kommunikation als auf Vorschriften. Schließlich sei es auch im Interesse der Eigentümer, ihr Grundstück bestmöglich zu verwerten.

 

Wohnen allein macht auch nicht glücklich

 

Voraussetzung dafür sei jedoch, dass im Bezirksamt jemand schalte, sobald ein Supermarkt einen Neubau beantrage und auf entsprechende Möglichkeiten aufmerksam mache, meint Schröder. „Beim Rewe in der Schivelbeiner Straße waren wir zu spät.“ Dort wird derzeit ein neuer Markt gebaut – einstöckig mit Parkdeck auf dem Dach. „Das ist nicht verständlich.“

Allerdings – und das ist dem SPD-Politiker bei aller Diskussion um Wohnraum besonders wichtig – dürfe eine Kaufhalle nicht zugunsten neuer Wohnungen verschwinden. Gerade angesichts der zunehmenden Verdichtung müsse sichergestellt werden, dass man auch immer noch irgendwo einkaufen, die Kinder in die Schule schicken oder einen Arzt vorfinden könne.

Auch Andreas Otto ist bewusst, dass die von ihm vorgeschlagene Verdichtung auch die eh schon beanspruchte Infrastruktur fordert. „Die muss man dann dem Bedarf entsprechend schaffen“, meint er. Das sei aber auch der Fall, wenn die neuen Wohnungen auf bisherigen Freiflächen entständen.

 

 

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