Thälmann-Park: Nur noch mit WBS

von Juliane Schader 30. Juni 2014

Wer derzeit eine Wohnung im Thälmann-Park beziehen möchte, der braucht einen Wohnberechtigungsschein, und den bekommen nur sozial Schwache. Ist das im Sinne einer sozial durchmischten Stadt?

Matthias Böttcher macht sich Sorgen um die soziale Durchmischung in Prenzlauer Berg. Im Ernst-Thälmann-Park, so hat der Pankower SPD-Politiker gehört, würden Wohnungen derzeit nur noch an diejenigen neu vermietet, die einen Wohnberechtigungsschein (WBS) vorlegen können. Diesen erhalten Berliner, die als Einpersonenhaushalt weniger als 16.800 Euro, bei zwei Personen weniger als 25.200 Euro pro Jahr zur Verfügung haben. (Wie sich das genau berechnet, steht hier.) „Wie bewertet das Bezirksamt diese Praxis unter dem Aspekt der sozialen Mischung?“, erkundigt sich Böttcher nun in einer Kleinen Anfrage.

 

Wohltaten des Durcheinanderwohnens

 

Dass in Berlin Menschen mit mehr und mit weniger Einkommen gemeinsam in einem Haus wohnen, das hat sich schon James Hobrecht gewünscht, als er Mitte des 19. Jahrhunderts die Erweiterung der Stadt plante. „In einer englischen Stadt finden wir im Westend oder irgendwo anders, aber zusammenliegend, die Villen und einzelnen Häuser der wohlhabenden Klasse, in den anderen Stadtteilen die Häuser der ärmeren Bevölkerung … Wer möchte nun bezweifeln, daß die reservierte Lage der je wohlhabenderen Klassen und Häuser Annehmlichkeiten genug bietet, aber – wer kann auch sein Auge der Tatsache verschließen, daß die ärmere Klasse vieler Wohltaten verlustig geht, die ein Durcheinanderwohnen gewährt. Nicht ,Abschließung’ sondern ,Durchdringung’ scheint mir aus sittlichen und darum aus staatlichen Rücksichten das Gebotene zu sein“, schrieb Hobrecht 1868. Gültig ist das noch heute.

Nun stellt sich die Frage, wie man besagtes Durcheinanderwohnen gewährleisten kann. Die unterschiedlichen Mieten in verschiedenen Stadtteilen sorgen derzeit für eine Trennung. Am Thälmann-Park aber, dessen Häuser der landeseigenen Wohnungsbaugesellschaft Gewobag gehören, könnte die Politik dem entgegenwirken. Und genau das tut sie auch, indem sie derzeit nur noch Menschen mit WBS einziehen lässt, wie Gewobag-Sprecherin Gabriele Mittag erklärt.

 

Jede zweite Wohnung innerhalb des S-Bahn-Rings nur mit WBS

 

Mittag verweist dabei auf das sogenannte Mietenbündnis zwischen dem Land Berlin und den sechs landeseigenen Wohnungsbauunternehmen. 2012 haben sich diese verpflichtet, innerhalb des S-Bahn-Rings jede zweite, außerhalb des Rings jede dritte frei werdende Wohnung an WBS-Berechtigte zu vergeben. „Wenn jemand auszieht innerhalb des S-Bahn-Rings – egal ob in der Paul-Hertz-Siedlung, im Thälmann-Park oder sonstwo – schauen wir, wie es in dem Quartier aussieht“, erklärt Mittag. Dort, wo schon viele Menschen mit WBS-Berechtigung leben, vergibt man die Wohnung lieber auf dem freien Markt, um für mehr Durchmischung zu sorgen. Im Gegenzug gehen Wohnungen in Vierteln, in denen bislang weniger sozial Schwächere wohnen, an Menschen mit WBS. Letzteres scheint laut Mittag am Thälmann-Park derzeit der Fall zu sein.

Allerdings ist auch diese Möglichkeit, so an eine günstige Wohnung in Zentrumsnähe zu kommen, beschränkt, wie die Sprecherin erklärt. „Kein Mensch zieht mehr aus – es sei denn, er muss oder er ist zu Geld gekommen und kauft sich was“, sagt sie.

Und wo niemand auszieht, wird auch keine Wohnung neu vergeben, auch nicht an jemanden mit WBS.

 

Nachtrag 1. Juli

Ein Leser wies darauf hin, dass das durchschnittliche Haushaltsnettoeinkommen in Berlin bei 19.800 Euro pro Jahr liegt, was nahelege, dass recht viele Berliner Anspruch auf einen WBS hätten.

Die Frage der sozialen Durschnmischung würde sich daher nicht stellen.

Tatsächlich ist jeder zweite Berliner Haushalt WBS-berechtigt, wie vor einigen Monaten die Berliner Zeitung schrieb. Allerdings liegen die Verdienste der Prenzlauer Berger im Berlin-weiten Vergleich deutlich über der WBS-Grenze. So wurde etwa im Helmholtzkiez bei einer Umfrage ein durchschnittliches Haushaltsnettoeinkommen von 24.000 Euro pro Jahr ermittelt. In Prenzlauer Berg dürften damit deutlich weniger Menschen Anspruch auf einen WBS haben als in anderen Teilen Berlins.

 

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