Im eng bebauten Gleimviertel hat sich ein Sport- und Spielplatz zum Bürgertreff entwickelt. Mit Windelhaufen und Zigarettengeruch – beschwert sich die angrenzende Schule. Jetzt wurde das Gelände dicht gemacht.
Die Bewohner des Gleimviertels sind nicht gesegnet mit Auslauffläche. Bis jetzt bietet der angrenzende Mauerpark Platz, doch den teilen sich die Anwohner noch mit der halben Welt. Dann wäre da noch der Falkplatz und das war es. Es verwundert also nicht, dass sich in den vergangenen Jahren die große Spiel- und Sportfläche zwischen Gleimstraße und Ystader, Kopenhagener und Sonnenburger Straße zu einem beliebten Treffpunkt herausgebildet hat; für Eltern mit Kindern vor allem, aber nicht nur. Denn auch der Kieztreff Gleimviertel, der hier beheimatet ist, sorgt für Publikumsverkehr. Was zu einer Melange aus Bier, Zigaretten und Windeln in dem Areal sorgt – und für ein hohes Maß an Unsicherheit. So jedenfalls sieht es die Leiterin der ebenfalls im Hof befindlichen Grundschule, und deshalb hat sie mit Rückendeckung des Bezirksamtes jetzt die Anwohner aus dem Areal ausgesperrt. Was bei denen für erhebliche Verstimmung sorgt – zumal Verantwortliche des Kieztreffs davon ausgehen, dass die Schulleitung gezielt provoziere, um den Bürgerverein aus der Nachbarschaft zu vertreiben. Dazu später.
Der benannte Hof ist erst in den Jahren 2005 und 2006 in seinen jetzigen Zustand versetzt worden, mit Mitteln aus dem Förderprogramm „Soziale Stadt“. Es wurde damals das Ziel formuliert, einen Treffpunkt für alle Anwohner zu schaffen, da die Gegend hochverdichtet sei und vor allem junge Familien sich veranlasst sehen könnten, abzuwandern. Das Areal wurde deswegen auch mit Beteiligung von Anwohnern, Gewerbetreibenden, der Schule am Falkplatz und Kitas geplant, der Bürgerverein Gleimviertel stiftete nach eigenen Angaben sogar eine Tischtennisplatte. „Es war immer als öffentlicher Raum geplant”, betont Jacqueline Röber, Vizevorsitzende des Vereins. Entsprechend entsetzt sei sie gewesen, als sie vor zwei Wochen Schilder an allen vier Zugängen zum Hof fand. „Ab sofort ist der gesamte Schulhof kein öffentlicher Spiel- und Sportplatz.” Nur noch Schüler hätten Zutritt, hieß es weiter. Und: „Es besteht Hundeverbot.” Die Türen seien verschlossen gewesen, sagt Röber, der Bürgerverein habe kurzzeitig keinen Zugang zu seinen eigenen Räumen gehabt.
Angst vor Fremden auf der Schultoilette
Besonders verärgert ist der Bürgerverein, da es sich bei dem gesamten Bereich gar nicht um den Schulhof handle – dieser sei extra abgezäunt und schon jetzt nur Schülern zugänglich. Doch hier ist das Projekt „Soziale Stadt” am Falkplatz Opfer des eigenen Erfolgs: Denn tatsächlich muss der Schulhof inzwischen nahezu doppelt so viele Kinder fassen wie noch vor acht Jahren. „Regelungen müssen überdacht werden, wenn sich die äußeren Bedingungen ändern”, erklärt dazu die für Schulen zuständige Stadträtin Lioba Zürn-Kasztantowicz (SPD). Und so sieht es auch Schulleiterin Carola Melchert: Ihre Schüler bräuchten mehr Fläche im Hof. „Und wenn schulfremde Personen hier sind, kann die Sicherheit der Kinder nicht mehr gewährleistet werden.” Deshalb müssten Erstere draußen bleiben.
Zum Innenhof der Schule gehört auch diese Ziege. Sie ist weiter willkommen. (tt)
Carola Melchert leitet die Schule seit acht Jahren, und schon länger findet sie die Zustände im Hof untragbar. Sie berichtet von Zigaretten, die auf der Tartanbahn ausgedrückt werden, weggeworfenen Bierflaschen, Vandalismus, Hundekot in Sandgruben und von mit Windeln zugepackten Mülleimern. Regelrecht alarmiert sei sie aber, wenn Besucher sich Zutritt zu der eigentlich mit elektronischen Türsperren versehenen Schule verschafften, um die Toilette zu nutzen. Zum Hintergrund: Im vergangenen Jahr wurden Mädchen auf der Toilette von Unbekannten belästigt, kurzzeitig wurde danach ein Securitydienst engagiert.
Räume gekündigt zum Februar 2015
Kinder zu beaufsichtigen, so die Schulleiterin, sei kaum mehr möglich, „wenn teilweise bis zu hundert Erwachsene dazwischen rumwuseln, oft mit ihren eigenen Kindern”. Manchmal sei kein Sportunterricht mehr möglich. Die Sicherheit der Schüler gehe vor, „deshalb werde ich mein Hausrecht auch konsequent durchsetzen”. Jacqueline Röber vom Bürgerverein hält die Schilderungen seitens der Schule hingegen für maßlos übertrieben. Ein schon länger schwelender Streit werde jetzt nur bewusst auf die Spitze getrieben, um den Bürgerverein zu vertreiben, meint sie.
Die Räume des Vereins nämlich befinden sich direkt neben der Schule – und sollen bald von dieser genutzt werden. Schon im vergangenen Jahr schickte das Bezirksamt, Besitzer der Immobilie, deshalb eine Kündigung des Mietvertrags zum April dieses Jahres. Nach einem erfolgreichen Widerspruch dagegen wurde die Kündigung verschoben, auf den Februar 2015. Den Verein bringt das in Not, da er bis jetzt durch eine auf Betriebskostenniveau gehaltene Miete vom Bezirk gefördert wird und kaum marktübliche Preise zahlen könnte. Jacqueline Röber berichtet, dass ihr von Stadträtin Zürn-Kasztantowicz vermittelt worden sei, dass aus ihrer Sicht auch eine gemeinsame Nutzung der in Frage stehenden Räume durch Schule und Verein denkbar wäre. „Allerdings nur, das war die Einschränkung, wenn beide Partner das wollen.” Die Aussperrung der Anwohner, so nun Röbers Interpretation, sei das deutliche Signal der anderen Seite, dass es keine Kooperationsbereitschaft gebe – und damit auch keine gemeinsame Nutzung.
Hinweise aus der Bevölkerung erwünscht
Dass sich beide Parteien einig werden, davon kann nicht ausgegangen werden, wiewohl auch von allen Beteiligten zu hören ist, dass hauptursächlich für die Misere der Mangel an Freizeitflächen im Kiez sei. „Und ein Desinteresse seitens des Bezirksamtes für die Probleme”, wie Jacqueline Röber ergänzt. Auf Anfrage der Redaktion verteidigt Stadträtin Zürn-Kasztantowicz die Maßnahmen der Schulleitung. Die Situation im Hof bedeute nicht nur für die Lehrer, sondern auch für viele Schulkinder Stress. „Jedes Stückchen Freifläche, jeder Rückzugsort ist deshalb von hoher Bedeutung.” Weiterhin suche sie fieberhaft nach einer neuen Unterkunft für den Kiezclub. Er habe für den „gesellschaftlichen Zusammenhalt eine sehr hohe Bedeutung und ist unverzichtbar”. Im Übrigen sei sie offen für Hinweise aus der Bevölkerung, wo der Bürgerverein alternativ untergebracht werden könnte.
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