Nun erwischt es das Soupanova: Weil das Haus saniert werden soll, muss die Kneipe raus – unter unschönen Umständen. Der Vermieter? Die landeseigene Gewobag.
Freitagmorgen. Vor dem Soupanova in der Stargarder Straße fahren zwei Möbelwagen vor. Auch ein Gerichtsvollzieher steht vor der Tür. Nach Monaten des Streits um die Kündigung des Mietvertrags der Kneipe kommt es hier gerade zum großen Showdown. Der Eigentümer, die städtische Wohnungsbaugesellschaft Gewobag, will das Gebäude offenbar kernsanieren. Den Gewerbetreibenden aus dem Erdgeschoss wurde bereits gekündigt; das Soupanova soll jetzt raus. „Das ist wie ein schlechter Krimi“, meint Christian Heigl, einer der Mitarbeiter. „Das ist doch kein würdiger Abgang.“
Er sagt es an dem Donnerstag zuvor. Es ist nachmittags und er sitzt gemeinsam mit fünf Kollegen in der Sofaecke der Kneipe, gleich rechts vom Eingang. Der Laden ist noch geschlossen, der Chef sitzt in Jakarta fest und der Anwalt verhandelt, wie man die Zwangsräumung in letzter Minute noch verhindern könnte.
Elf Jahre Prenzlauer Berg und eine fristlose Kündigung
Seit sechs Jahren gibt es das Soupanova in dem Eckgebäude zur Schliemannstraße, wo der Inhaber bereits vorher fünf Jahre lang das Intersoup betrieb. Ab und an habe es Ärger wegen zu lauter Musik gegeben – „normale Prenzlberger Probleme“ meint Elisa Kahle, eine weitere Mitarbeiterin. Als vor einem Jahr die fristlose Kündigung wegen Lärmbelästigung ins Haus geflattert sei, seien sie aber aus allen Wolken gefallen.
Gleich wurde Einspruch eingelegt und es ging eine Weile hin und her. Bis es vor zwei Wochen plötzlich hieß: Auszug zum 20. Juni. Es folgte hektisches Verhandeln, vermeintliche Aufschübe und dann am Donnerstagmittag die Ansage, dass die Gewobag räumen ließe, wenn der Laden nicht fristgerecht übergeben würde.
Für die insgesamt zwölf Mitarbeiter ist das alles hochdramatisch. Immerhin geht es um einen Laden, der ihnen ans Herz gewachsen ist, und um ihren Job. Zudem verstehen sie nicht, warum mit Lärmbelästigung argumentiert wird, wenn es doch eigentlich nur darum zu gehen scheint, das Haus für eine Sanierung leer zu bekommen. Warum man sie unbedingt an einem Tag mitten im Juni rausschmeißen will, wenn die Bauarbeiten doch erst im Herbst losgehen sollen. Und sie fragen sich, ob das alles vielleicht auch etwas damit zu tun hat, dass sie noch einen alten Mietvertrag haben und entsprechend wenig zahlen.
Lederwaren und Ofenheizung
Nunja, könnte man denken. Mit Kneipen in Prenzlauer Berg ist das halt manchmal so eine Sache, und vielleicht war es wirklich einfach zu laut. Von Lederwerkstätten sind derartige Probleme bislang aber nicht überliefert. Genau so eine teilt nun aber das Schicksal des Soupanovas. Auch hier gibt es deutliche Klagen über das Verhalten der Gewobag gegenüber seinen Gewerbemietern.
Seit 25 Jahren hat Tatjana Fang ihre Werkstatt in dem Haus in der Stargarder Straße. Lederjacken, Taschen, Motorradkleidung, das alles kann sie reparieren. Im Ladenraum hinter der Theke hängt Bikerkleidung auf langen Stangen. In der Ecke steht noch ein Ofen. Seit ihrem Einzug 1989 hat sich hier nicht viel verändert. „In den 25 Jahren habe ich mir erlaubt, zwei Wasserhähne einbauen zu lassen. Sonst war nie was“, sagt Fang. Dann kam plötzlich und unerwartet die Kündigung. Nun muss sie Ende Juli ausziehen.
Alternative für 20 Euro pro Quadratmeter
„Moralisch finde ich das unterste Schublade“, meint sie. Eine Sanierung würde doch nicht von heute auf morgen geplant, da könne man doch rechtzeitig mit seinen Mietern reden. Das sei aber nicht geschehen. Auf Nachfrage habe man ihr zwar einen alternativen Laden in der Winsstraße angeboten. Mit 20 Euro pro Quadratmeter sei der aber viel zu teuer gewesen.
Mittlerweile hat sich Fang selbst neue Gewerberäume in der Schönhauser Allee gesucht. Der Vermieter – „Die heißen Marktblick, schreiben Sie das ruhig!“ – habe sich gefreut, dass mit der Lederwerkstatt ein historisches Gewerk einzöge und nicht der 1001. Ketten-Bäcker. „Die machen mir die Elektrik, die Fassade; ich konnte über die Miete verhandeln – so etwas erwarte ich eigentlich von einem landeseigenen Unternehmen“, sagt Fang. „Die Gewobag kann ich nicht weiterempfehlen“.
Schutz bei Sanierungen gilt nicht für Gewerbe
Gabriele Mittag aus der Pressestelle der Gewobag verweist auf Anfrage zunächst darauf, dass es bei Gewerbe immer ein wenig anders laufe als bei Mietwohnungen. Bei Letzteren gebe es ja in Prenzlauer Berg Vereinbarungen, denen zufolge die Altmieter nach der Instandsetzung zu moderaten Mieten zurückziehen könnten – denn manche Häuser seien nun mal nicht im bewohnten Zustand zu sanieren. An diese Vorgaben halte man sich; sie gälten allerdings nicht für Gewerbe.
Über diese grundsätzlichen Angaben hinaus verspricht Mittag, sich zu erkundigen, wie es konkret an der Stargarder Straße aussieht. Eine Antwort gibt es bislang jedoch leider nicht.
Daher wissen wir auch nicht, wann genau die Sanierung losgehen soll, und in wie weit auch die anderen Mieter davon betroffen sein werden. Die Mitarbeiter des Soupanova erzählen von Nachbarn, deren Wohnungen bereits ausgemessen worden seien. Ein älteres Ehepaar, das am Donnerstagnachmittag gerade das Haus betritt, hat zwar ein paar Gerüchte gehört, aber noch keine Kündigung im Briefkasten. „Wir wohnen seit über 20 Jahren hier. Wir machen uns keine Sorgen“, sagt sie.
Soupanova bleibt bis Ende Juli
Tatjana Fang eröffnet in ein paar Wochen ihre Werkstatt in der Schönhauser Allee. „Ich freu mich auf meinen neuen Laden“, meint sie. Da sie im Kiez bleibt und ihr Handwerk so selten ist, ist sie zuversichtlich, dass ihre Kunden sie auch dort finden.
Beim Supanova ist das ganz böse Ende letztendlich doch ausgeblieben. Ein zusätzlich angemieteter Lagerraum wurde der Gewobag am Freitag schon mal übergeben, zudem Geld für entstandene Gerichtskosten. Die Kneipe darf dafür bis Ende Juli bleiben. „Wirtschaftlich war das ganze Hin und Her für uns natürlich katastrophal“, sagt Christian Heigl. Nun könne man immerhin noch die Fußball-WM mitnehmen und mit den Stammgästen eine angemessene Abschiedsparty feiern.
Außerdem sucht das Team nun neue Räume, gerne in Prenzlauer Berg. „Wir sind doch das Wohnzimmer für viele Leute“, meint Heigl. Da könne man doch jetzt nicht einfach in den Wedding ziehen.
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