Besser vorsichtig

von Thomas Trappe 18. Juni 2014

Radfahrer und Busse – keine unbeschwerte Beziehung in Prenzlauer Berg. Die BVG müsse handeln, sagen Verkehrspolitiker, die BVG ihrerseits verweist auf die Autofahrer.

Als vor zwei Wochen auf der Prenzlauer Allee ein Fahrradfahrer tödlich verunglückte, wurde erneut eine Faustregel des Prenzlauer Berger Straßenverkehrs tragisch bestätigt: Radfahrer sind hier neben Passanten die gefährdetsten Verkehrsteilnehmer; Autofahrern geschieht mit der geringsten Wahrscheinlichkeit etwas. Eine Tendenz, die für ganz Berlin gilt, für Prenzlauer Berg aber besonders – erst vorgestern kam erneut ein Radfahrer fast ums Leben, diesmal auf der Prenzlauer Allee. Und auch die Unfallstatistik des vergangenen Jahres zeigt, dass von sieben Berliner Kreuzungen mit den meisten Unfällen mit Radler-Beteiligung drei in Prenzlauer Berg liegen. Mit einfachen Schuldzuweisungen kommt man dabei in einer durchschnittlichen Diskussion über Verkehrssicherheit ganz gut voran: Autofahrer schimpfen auf rücksichtslose Radfahrer und umgekehrt. Verkehrspolitiker des Bezirks wollen sich jetzt aber erstmal einer anderen Feindschaft annehmen. Der zwischen Radlern und Bussen. 

„Fahrradverkehr in Konflikt mit BVG-Bussen endlich handeln!“ heißt der Beschluss des Bezirksamts vom vergangenen November, zu dem das Bezirksamt jetzt seinen ersten Zwischenbericht vorgelegt hat. Es geht dabei vor allem um Bushaltestellen wie jene in der Grellstraße auf Höhe der Prenzlauer Allee. „Durch die Bevorrechtung der Busse“, heißt es im Antrag, würden Radfahrer zu lebensgefährlichen Ausweichmanövern auf der Straße gezwungen, wo sie wiederum den Autofahrern in die Quere kämen. Die BVG müsse „endlich zu Veränderungen bereit sein“, heißt es weiter – oder das Bezirksamt müsse eigene Schritte einleiten.

 

BVG: Problem wird überschätzt

 

Bei der BVG wird auf Anfrage betont, dass es um überschaubare Konfliktsituationen, nämlich „eigentlich nur um eine Haltestelle geht“ – jene im Antrag genannte in der Grellstraße. „Da gibt es bisweilen Schwierigkeiten“, sagt BVG-Sprecher Markus Falkner, „aber das liegt nicht an uns“. Sondern an Autofahrern, die im Parkverbot stünden und damit den auf der Strecke eingesetzten Schwenkbussen verwehrten, die Haltebuchten zu nutzen. Die Busse ragten in solchen Fällen auf die Straße, was Radler, die nicht warten wollen, auf die Straße zwinge. Die BVG suche trotzdem nach Lösungen, so Falkner. So würde zum Beispiel mit dem Bezirk über eine Haltestellenverlegung geredet – aber eben nur in der Grellstraße.

In den Gesprächen, die der Bezirk mit Vertretern der Polizei und der BVG führt, scheint sich der Fokus mittlerweile ebenfalls auf die Autofahrer zu verlegen. Der für das Ordnungsamt und damit für Falschparker zuständige Stadtrat Torsten Kühne (CDU) erklärt auf Anfrage, dass es im Bezirk „mehrere Dutzend Straßen gibt“, auf denen Falschparker Radfahrern das Leben schwer machten, indem sie Radwege oder Bushaltestellen blockierten. Zu verhindern sei das leider nicht – 20 Ordnungsamtsstreifen müssten immerhin 600 Straßenkilometer im Blick behalten, mehr als punktuelle Kontrollen seien da nicht drin. Gleichzeitig widerspricht Kühne aber auch der Darstellung der BVG, sie könne nichts für die beklagte Konfliktsituation mit Radlern. „Es gibt definitiv mehr als eine Haltestelle im Bezirk, bei der Radfahrer auf die Autospur ausweichen müssen, wenn sie vorbei wollen.“ Vor allem an Endhaltestellen sei dies oft der Fall.

 

Es geht nur zu Lasten des Autoverkehrs

 

Wolfram Kempe kennt das Spiel inzwischen. Der Linke ist seit 2006 Vorsitzender des Verkehrsausschusses der Bezirksverordnetenversammlung, und seitdem ist er es gewohnt, „dass bei dem Thema jeder mit dem Finger auf den anderen zeigt“. Es gelte, bei der BVG „dicke Bretter“ zu bohren, gehe es beispielsweise um Radwege, die durch Bushaltestellen unterbrochen werden. „Dort sollten die Gefahrenmomente so weit wie möglich entschärft werden.“ Doch auch Kempe sieht das Hauptproblem im Autoverkehr, der die Ausweichmanöver der Radler letztlich lebensgefährlich mache. „Das Mobilitätsverhalten hat sich in Berlin und besonders in Prenzlauer Berg nun mal geändert, es gibt viel mehr Radverkehr. Darauf kann nur adäquat reagiert werden zu Lasten des Autoverkehrs.“ Sprich: Hier müssten stärkere Reglementierungen greifen, und mehr Kontrollen den Druck auf Falschparker erhöhen.

Mehr Platz für Radfahrer. Darauf zielt auch der Antrag, den das Bezirksamt an die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung gestellt hat. Sie wird aufgefordert, sich bei der Verkehrslenkung Berlin dafür einzusetzen, dass die Radstreifen in der Kastanienallee, der Greifswalder und der Danziger Straße nicht mehr gestrichelt, sondern durchgängig gezogen werden. Damit wäre es Autofahrern nicht mehr erlaubt, die Fahrradwege zu überfahren, außer, sie wollen eine dahinter liegende Parkbucht erreichen. Ob das spürbare Effekte bringt, will Kempe nicht einschätzen. „Aber versuchen muss man es.“ 

 

Fahrrad-Lobby: Umbau in Grellstraße zu teuer

 

Auch die Stadtteilgruppe Pankow des Allgemeinen Deutschen Fahrrad-Club (ADFC) wurde vom Bezirksamt um eine Stellungnahme zu den Konflikten zwischen BVG-Bussen und Radlern gebeten. Sprecherin Susanne Jäger allerdings sieht bei der Haltestelle in der Grellstraße kaum Möglichkeiten, etwas zu machen. „Alles, was in Frage kommt, würde sehr viel Geld kosten“, sagt sie. „Und das sollte man lieber woanders einsetzen.“ Zum Beispiel dort, wo Radwege Haltestellenbereiche kreuzten und damit Kollisionen mit Passanten provozierten. „Fahrradfahrer gehören auf die Straße, und dort müssen sie sicher fahren können.“ Am besten wäre es, so Jäger weiter, „wenn es eine generelle 30-Zone im Innenstadtbereich gäbe. Doch bis dahin ist es noch ein weiter Weg.“ 

Das könnte Dich auch interessieren

Hinterlasse einen Kommentar