Flüchtlings-Heime: Keine Zeit für Verträge

von Joanna Itzek 23. Mai 2014

Prisod genießt als Betreiber der Pankower Flüchtlingsunterkünfte einen guten Ruf. Doch wie das Unternehmen und seine Konkurrenz an entsprechende Aufträge kommen, ist umstritten.

17 verschiedene Betreiber von Flüchtlingseinrichtungen gibt es derzeit in Berlin. Dazu zählen neben Privatunternehmen auch gemeinnützige Verbände. Doch es sind vor allem die Privaten, die bei Not- und Sammelunterkünften mit großen Kapazitäten dominieren: Die Prisod Wohnheimbetriebs GmbH ist neben der PeWoBe GmbH einer der Hauptbetreiber, wie aus Daten der Berliner Unterbringungsleitstelle hervorgeht. Das Unternehmen ist für die drei Unterkünfte in Pankow verantwortlich. Hinzu kommen Einrichtungen in Lichtenberg, Kreuzberg und Reinickendorf – sieben in ganz Berlin, mit insgesamt 1.900 Plätzen.

„Wir haben von der Arbeit Prisods bislang einen guten Eindruck“, sagt Georg Classen vom Flüchtlingsrat, einem Netzwerk, das sich für die Rechte von Flüchtlingen einsetzt. So habe Prisod in Prenzlauer Berg in kurzer Zeit für die adäquate Einrichtung einer Notunterkunft gesorgt. Und das Unternehmen zeige Kommunikationsbereitschaft: Zur Eröffnung einer Sammelunterkunft in Pankow etwa seien ausführliche Infoflyer an die Anwohner verteilt worden, es habe Sprechstunden und Führungen gegeben. „Das machen nicht alle Betreiber so“, sagt Classen.

 

Man kennt sich, man kommt sich entgegen

 

Jan Schrecker, sozialpolitischer Sprecher der Piraten in Pankow, teilt diese Einschätzung. „Prisod arbeitet im Bezirk sehr engagiert mit ehrenamtlichen Helfern zusammen“, sagt er. Ehrenamtliche kämen etwa in der Kinderbetreuung zum Einsatz. Dies ermögliche Flüchtlingen Sozialkontakte über die Heimgrenzen hinaus.

Prisod ist Teil eines Unternehmensverbundes, zu dem auch die Firma B.R.B. Immobilien gehört. Sie ist tätig im Bauprojektmanagement, etwa in Ausbau und Sanierung von Objekten. Hinter Prisod und B.R.B. steht dieselbe Geschäftsführerin, Susanne Menk. „Ohne B.R.B. als Standbein wären wir nicht in der Lage, die Flüchtlingsheime, die Prisod betreibt, vorzufinanzieren“, sagt Menk über ihr Geschäftsmodell. 

Wie Prisod und die anderen Betreiber an ihre Aufträge kommen, ist bei Flüchtlingsverbänden und der Opposition im Abgeordnetenhaus jedoch umstritten. Im Zentrum der Kritik steht das Landesamt für Gesundheit und Soziales (LaGeSo), das für die Auftragsvergabe zuständig ist. „Die Vergabe der Aufträge geht freihändig vonstatten, auf Ausschreibungen wird verzichtet“, sagt Classen vom Flüchtlingsrat und bezeichnet das Verfahren als undurchsichtig. Die flüchtlingspolitische Sprecherin der Grünen im Abgeordnetenhaus, Canan Bayram, spricht von einem Arrangement zwischen dem LaGeSo und den Betreibern: „Man kennt sich, man kommt sich entgegen.“

 

Keine Zeit für Ausschreibungen

 

Das LaGeSo bestätigt, bei kurzfristig zu organisierenden Notunterkünften individuell Angebote von den Betreibern einzuholen. Es werde dann der Betreiber beauftragt, der die Kapazität habe, in der Kürze der Zeit das Notwendigste zu arrangieren. Diesen Prozess bezeichnet das LaGeSo als „multilaterales Verhandlungsverfahren.“

Auch bei Sammelunterkünften werde auf eine Ausschreibung verzichtet, falls akuter Bedarf herrsche. Und der bestehe, sagt LaGeSo-Sprecherin Silvia Kostner: „Wenn wir bei dem Ansturm jedes Mal ausschreiben würden, dann müssten die Flüchtlinge auf der Straße übernachten.“ Zudem, so Kostner, gebe es auf dem Berliner Markt nicht viele geeignete Betreiber.

So wurden nach Angaben des LaGeSo in den vergangenen zwei Jahren zehn neue Sammelunterkünfte eröffnet. Nur eine davon war ausgeschrieben. Im selben Zeitraum eröffneten 13 Notunterkünfte – allesamt Auftragsvergaben ohne Ausschreibung. Und zum Teil auch ohne schriftlichen Vertrag zwischen Senat und Betreibern.

 

Heime ohne Verträge

 

Nach Angaben des Senats hatte man im November 2013 mit acht von 33 Unterkünften noch keinen schriftlichen Vertrag abgeschlossen, obwohl diese bereits in Betrieb waren. Dies förderte eine Kleine Anfrage der Linke-Fraktion zu Tage. Bei den Betreibern der betroffenen Einrichtungen mit Kapazitäten von 100 bis 450 Plätzen handelte es sich sowohl um private Firmen als auch gemeinnützige Verbände: Dazu zählen Arbeiter-Samariter-Bund, Arbeiterwohlfahrt, Gierso Boardingshaus Berlin GmbH, PeWoBe GmbH sowie das Evangelische Jugend- und Fürsorgewerk.

Auch Prisod arbeitet mitunter ohne schriftliche Verträge: So wurde der Vertrag für eine Unterkunft in Reinickendorf, der den Prenzlauer Berg Nachrichten vorliegt, rückwirkend geschlossen. Da war das Heim mit seinen 500 Plätzen bereits zehn Monate in Betreib. Auch im Hinblick auf die fehlenden Verträge argumentiert das LaGeSo mit Zeitdruck: Oberste Priorität sei die Vermeidung von Obdachlosigkeit. 

Oppositionspolitiker kritisieren diese Vertragspraxis: „In den vertragsfreien Unterkünften gelten keine verbindlichen Mindeststandards, weil man sie nicht festgeschrieben hat“, sagt Bayram. „Diese Situation ist unsinnig.“ Seit vier Monaten nun führen Bayram sowie Politiker der Linke-Fraktion und der Piraten unangemeldete Kontrollen in den Flüchtlingsunterkünften durch. Vier Einrichtungen seien bislang kontrolliert worden. 

Aktuell existieren laut dem LaGeSo für alle Unterkünfte schriftliche Verträge mit den Betreibern.

 

 

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