Honigmäulchen in Prenzlauer Berg

von Christiane Abelein 10. Februar 2014

Urban beekeeping liegt im Trend – kein Wunder also, dass auch im Kiez geimkert wird. Ein Besuch bei Jan Idzikowski und seinen 10.000 Bienen, die Leben und Arbeiten in der Großstadt prima finden.


Biene müsste man sein. An diesem bitterkalten Tag in der Kleingarten-Siedlung „Neues Heim“ in der Kniprodestraße spürt der gemeine Mensch trotz dicker Klamotten, dass Grönland gleich nebenan ist. Nein, wir haben uns geographisch nicht völlig verfahren, „Grönland“ heißt die Kleingarten-Siedlung neben derjenigen, in der diese Geschichte spielt. Prenzlauer Berg also, Winter. Und die Bienen? Hängen bei 30 bis 35 Grad Celsius in ihrem kleinen Häuschen ab. Etwa 10.000 Arbeiterinnen und die Königin kuscheln sich eng zusammen zusammen und heizen durch ein paar kräftige Muskelspielchen so richtig ein.

Dem Herrn über diese Bienen, Jan Idzikowski, wird es vor den Häuschen seiner Schützlinge, auch Beute genannt, schnell zu kalt. Er verzieht sich in seine Datsche, wo wärmender Tee wartet. Im Winter kann man als Imker sowieso nicht viel machen. Außer hoffen und bangen, dass die Tierchen genug Honig zum Überleben haben, und ihnen die Luftlöcher offen halten, damit sie nicht ersticken.

 

„Urban beekeeping“ liegt im Trend

Idzikowski hat also Zeit, zu erzählen. Über das Imkern ganz im Nordosten des Kiezes, nicht weit entfernt von den riesigen Plattenbauten an der Michelangelo Straße auf der einen Seite und dem Volkspark Prenzlauer Berg auf der anderen. Der Familienvater ist einer von etwa 90 Bienenhaltern in Pankow. Sie kümmern sich im Bezirk um rund 620 Völker, so steht es in der Antwort zu einer Kleinen Anfrage der SPD-Bezirksverordneten Claudia Rasch, die sich offenbar für das Imkern in der Stadt interessiert.

Damit ist sie nicht alleine. „Urban beekeeping“ ist angeblich ein Trend in der Großstadt. Der Spiegel, die Süddeutsche Zeitung, der Stern, sie alle berichteten schon darüber. Der Berliner Imkerverband spürt das: Die Mitgliederzahlen steigen und der Altersdurchschnitt sinkt. „Es ist kein Imkermangel bekannt“ lautet die trockene Antwort des Bezirksamtes zu der Kleinen Anfrage. Imkern und Großstadt, das passt zusammen, weil Bienen und Großstadt zusammenpassen. „Den Bienen geht es gut in Berlin“, sagt Jan Idzikowski, und verweist auf die gute „Trachtsituation“ auch rund um seinen Kleingarten.

Trachtpflanzen, das sind Bäume, Sträucher und Blumen, die besonders viel Nektar und Pollen enthalten – wie seine Obstbäume im Frühjahr, die vielen Berliner Straßenbäume, Robinien und Linden im Sommer. Für die Lindenblüte kommen sogar jedes Jahr etliche Berufsimker mit ihren Völkern nach Berlin – wie Schäfer mit ihren Schafen, nur ohne Hund.

 

Bienen sind und bleiben Wildtiere

Weitere Vorteile der Stadt? Es gibt wenig Industrie, keine landwirtschaftlichen Monokulturen, kaum Pestizide. „Die Leute hier in den Kleingärten sind meist zu faul, um zu spritzen“, vermutet Idzikowski. Oder zu alt. Der 47-Jährige ist mit seiner Frau und seinen drei Kindern einer der Jüngsten im „Neuen Heim“, aber auch im Imkerverband. Er wirkt allerdings nicht so, als ob er sich das Hobby gesucht hätte, weil es trendy ist. „Urban beeing“, dieses Schlagwort passt nicht zu dem Programmierer. Keine große Hornbrille, keine gezielt zerzauste Frisur, keine stylischen Klamotten. Jan Idzikowski interessiert sich einfach für die Natur, isst gern Honig und Marmelade, und er braucht einen Ausgleich für seinen Job.

Die Bienen bieten das, ohne dass sie zu viel Zuwendung bräuchten. Anders als mit einem Hund muss man mit ihnen nicht Gassi gehen. Aber: Sie werden auch nicht zum Freund. „Unsere heutigen Honigbienen sind zwar auf Sanftmut gezüchtet, aber sie bleiben doch immer Wildtiere.“ Das fasziniert Idzikowski: Dass Bienen so anders sind als alles, was man sich in der Stadt sonst so hält – Hunde, Katzen, Vögel. Es sind soziale Wesen, die sich einen Staat aufbauen und miteinander kommunizieren, und deshalb so manchem als nachahmenswertes Vorbild für den Menschen dienen. Doch Idzikowski macht sich keine Illusionen: „Krieg gibt es auch unter Bienen. Wenn ein Schwarm einen schwächeren trifft, kann es schon sein, dass er das Volk ausräubert und damit vernichtet.“

Hier weiterlesen in Teil 2 „Der Imker als Honigdieb“ …

 

Teil 1: „Honigmäulchen aus Prenzlauer Berg“ 

Teil 2: „Der Imker als Honigdieb“

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