Am „Restaurant Day“ können Hobby-Gastronomen wo sie wollen ein Restaurant, ein Café oder eine Bar eröffnen. Das stößt weltweit auf Interesse. Nur in Berlin nicht so richtig. Ein Mitmach-Aufruf an die Prenzlauer Berger!
Haben Sie nicht auch schon mal davon geträumt, ein eigenes Café aufzumachen? Oder eine schöne nette Bar? Leckere Spezialitäten aus der alten Heimat (denn sind nicht die meisten irgendwann und irgendwie zugezogen) in der neuen Heimat bekannt zu machen? Nicht? Dann können Sie jetzt aufhören zu lesen.
Wenn da aber ein Fünkchen Gründergeist in ihnen schwelt, dann sollten Sie jetzt aufpassen, hier kommt Ihre Chance: der „Restaurant Day“. An diesem Tag – der eigentlich kein einzelner Tag ist, sondern ein immer wiederkehrendes Ereignis – kann jeder, der will, für einen Tag ein Restaurant eröffnen, ein Eintagsfliegen-Restaurant sozusagen. In hippen Kreisen, in denen wir uns leider nicht bewegen, würde man sagen ein „Pop-up-Restaurant“. Sie wissen schon, das ist jetzt echt der Trend schlechthin: Pop-up-Stores, Pop-up-Shops, Pop-up-Bakeries, Pop-up-Pop-ups, … Nun gut, Sie haben schon verstanden.
Normalerweise werden diese angesagten Kurzzeit-Läden benutzt, um einem echten, feststehenden und dauerhaften Laden den Boden zu bereiten, um die Neugierde und das Interesse der möglichen Käufer zu wecken. Das ist beim „Restaurant Day“ anders. Da soll später gar kein echter Gourmet-Tempel entstehen. Wo kämen wir da auch hin, es ist ja schließlich nicht jeder ein geborener Koch. Muss er oder sie aber auch nicht. Beim „Restaurant Day“ könnte man theoretisch auch ein paar frische Waffeln aus Fertigteig anbieten.
Raus aus dem Schneckenhaus
Das entspricht zwar nicht ganz dem Ziel der verrückten Finnen, von denen die Idee zur Eintagsfliegen-Restaurant-Bewegung stammt, aber egal. Diese Finnen wollen nämlich die Esskultur zelebrieren (und da gehören wahrscheinlich Fertigteig-Waffeln nicht dazu), vor allem aber wollen sie die Menschen dazu bringen, aus ihren Schneckenhäusern rauszukriechen und gemeinsam mit anderen zu speisen.
Diese Idee wiederum scheint ganz gut anzukommen: Machten beim ersten „Restaurant Day“ Mai 2011 noch 45 Hobby-Gastronomen in 13 (ausschließlich finnischen) Städten mit, waren es im August 2013 schon 1.683 Restaurants in mehr als 220 Städten in 35 Ländern (die journalistische Regel, dass man so wenig Zahlen wie möglich nennen sollte, sei hier ausnahmsweise bewusst missachtet).
Sind die Berliner Muffel?
Nur: In Berlin mag das Konzept aus irgendeinem Grund nicht fruchten. Dabei entspricht es eigentlich vielem, mit dem sich die immer noch unfertige Hauptstadt so gerne schmückt: Spontaneität, Kreativität, Gastfreundlichkeit… Und sagen Sie jetzt nicht, das mit der Gastfreundlichkeit stimme gar nicht – man erinnere sich nur mal daran, wie häufig jeder von uns schon angemotzt wurde, weil er es gewagt hatte, statt eines Latte Macchiato einen normalen Kaffee mit heißer Milch zu bestellen.
Nein, wir weigern uns zu glauben, dass der „Restaurant Day“ in Berlin nicht funktionieren soll. Aber dass nicht einmal die Bewohner unseres geliebten Prenzlauer Berg mitgemacht haben, verwundert uns schon. Beim letzten Versuch im November fand sich gerade einmal eine Handvoll der insgesamt mehr als drei Millionen Menschen in ganz Berlin, die ihren Traum vom eigenen Restaurant verwirklicht haben. Zum nächsten Event am 16. Februar findet man auf der offiziellen Homepage noch keine einzige Anmeldung. Ja, was ist denn da los?
Immer mit der Ruhe, beschwichtigt Patrick Neumann, der ehrenamtlich die PR-Arbeit für die Bewegung in Deutschland übernommen hat. Die meisten Anmeldungen trudelten erst ein bis zwei Wochen vor der nächsten Aktion ein, das sei auch in Helsinki so, dem Zentrum der Bewegung. „Dort laufen übrigens die Winter-Termine besonders gut, denn im Sommer gibt es genug andere Gelegenheiten, Leute zu treffen.“ In den langen kalten Wintern aber sehnen sich die Finnen offenbar nach Geselligkeit. „Da ist die ganze Stadt auf den Beinen!“
Ort und Geld spielen keine Rolle
Neumann hat das einmal selbst erlebt – und seitdem lässt ihn die Idee, sein Essen mit Freunden und Fremden in besonderer Umgebung zu teilen nicht mehr los. Wobei: So besonders muss die Umgebung nicht einmal sein! Laut der Homepage des „Restaurant Day“, ist es völlig egal, wo gespeist wird: „Ob daheim, im Büro, im Park, auf der Straße, in der Garage, im Innenhof, am See – der Phantasie sind keine Grenzen gesetzt.“
In Essen zum Beispiel, wo Neumann noch viele Freunde hat, weil er aus dem Ruhrgebiet stammt, hat eine Hobbyköchin ihre WG für bis zu 50 Menschen geöffnet (Auch wenn Sie es von uns vielleicht erwarten würden: Das Wortspiel mit dem Essen in Essen verkneifen wir uns diesmal!). In Neukölln bot eine dänische Familie selbstgemachtes nordisches Risotto, Barlyotto genannt, aus dem Fenster heraus an, weil die Eltern eines kleinen Kindes keine Fremden in der Wohnung haben wollten. Die Aktion kam super an, selbst die Postbotin probierte das exotische Mahl. (Fotos davon gibt es hier.)
Platzmangel ist also keine Ausrede. Geldmangel übrigens auch nicht, denn beim Restaurant Day dürfen die Anbieter durchaus einen kleinen Obolus verlangen. Es scheint, als ob die Berliner grob gesagt einfach keinen Bock darauf hätten, für Fremde zu kochen und dann auch noch gemeinsam mit ihnen zu essen. Neumann formuliert es ein wenig anders: „Was der Bauer nicht kennt, frisst er nicht.“
Probieren Sie es selbst!
Es ist also noch etwas Überzeugungsarbeit notwendig. Warum also, lieber Patrick Neumann, soll der Berliner bei dieser eigenartigen Aktion mitmachen? „Ich persönlich freu mich tierisch drüber, wenn in meine Wohnung mal Leben reinkommt und ich die Leute aus der Nachbarschaft und dem Kiez kennenlernen kann“, lautet die erste Antwort. Die zweite: „So kann man über den Tellerrand schauen“ – und ja, dem studierten BWLer und Marketingexperten ist dieses Wortspiel durchaus bewusst. Und die dritte: „Schauen Sie sich einfach die Fotos vom Restaurant Day an, dann erübrigt sich die Frage.“
Und tatsächlich: Im Flickr-Account der „Restaurant Day“-Erfinder begegnen einem lauter strahlende Menschen, die wirklich glücklich aussehen. Eines darf man natürlich nicht vergessen: Die wollen damit Werbung für ihr Event machen. Da wäre es kontraproduktiv, heulende Kinder zu zeigen, denen der Alte aus der Nachbarschaft den letzten Muffin weggegessen hat, oder verzweifelte Hobby-Gourmets, die sich übernommen haben.
Es hilft also alles nichts: Wir brauchen Ihre Hilfe. Beweisen Sie uns, dass dieser „Restaurant Day“ tatsächlich Spaß macht! Hier in Prenzlauer Berg leben doch lauter aufgeschlossene, kreative Menschen, die ihre Träume leben – und sei es nur für einen Tag. Also ran an die Buletten! Und noch etwas: Vergessen Sie nicht, uns in Ihr Eintages-Restaurant einzuladen! Wir essen nämlich auch gerne. Und vielleicht schreiben wir sogar darüber…
Alle Informationen zum Restaurant Day und zur Anmeldung gibt es auf der offiziellen Homepage der Bewegung. Berliner Erfahrungen mit der Aktion sind auf dieser Facebook-Seite zu finden.
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