Er ist rosa und trägt eine schrecklich langen Namen: Der Mädchenjahreskalender. Sechs Schülerinnen aus Prenzlauer Berg haben ihn in Eigenregie und mit politischem Anspruch entworfen.
Die junge Feministin von heute mag Rosa. Das ist der erste Eindruck, wenn man den jetzt erschienenen Mädchenjahreskalender für 2014 in den Händen hält. Auf den zweiten Blick fällt auf, dass sie ein zwar verspieltes, aber aufgeräumtes Layout mag, sich Gedanken über Alice Schwarzer und Clara Zetkin sowie über Rassismus, Freundschaft und Organspende macht. Und dass sie ihr System der Kommasetzung noch einmal überdenken könnte. Aber wer will schon so kleinlich sein? Immerhin wurde das Buch komplett und alleine von sechs Prenzlauer Berger Schülerinnen zwischen 15 und 17 Jahren erstellt. Dafür ist es erstaunlich professionell.
Doch erzählen wir die Geschichte von vorne. Sie beginnt im Frühjahr dieses Jahres, als die beiden Freundinnen Judith Rinklebe und Luisa Mielenz gemeinsam beim Frühstück sitzen. Luisas Mutter erzählt, dass sie als Studentin einst an der Uni einen feministischen Kalender herausgab. Die Mädchen denken: „Das können wir auch“. Schließlich fehlt ihnen im Alltag ein ordentlicher Kalender, der eben keiner dieser hässlichen Schülerkalender ist, sondern ihren Bedürfnissen entspricht. Einziges Problem: Wer soll das bezahlen?
Der erste eigene Förderantrag
Im Internet googeln die beiden nach einer Fördermöglichkeit und stolpern über das Programm „Stark gemacht“ des Jugend-Demokratiefonds Berlin, welches Projekte fördert, die sich für Partizipation einsetzen und demokratische Strukturen fördern. „Wir haben dann das erste Mal in unserem Leben einen Förderantrag gestellt“, erzählt Judith. Im Mai bekommen sie Bescheid, dass sie als eines von 15 Projekten aus über 90 Bewerbern ausgewählt wurden.
4000 Euro für Papier und Druck haben sie damit sicher. Muss das Projekt nur noch umgesetzt werden. Judith und Luisa holen noch rasch vier Freundinnen ins Boot, und dann geht es an die Arbeit. Um dem politischen Anspruch der Förderer gerecht zu werden, schreiben Sie zwölf politische Texte – sechs Essays und sechs Portraits bekannter Feministinnen, für jeden Monat einen.
Zudem denken Sie sich aus, was sonst in einem Kalender für junge Frauen nicht fehlen darf: Stundenplan, Periodenkalender und ein paar Tipps, wo man gut Bücher kaufen und wo man leckeren Kaffee trinken kann. Zudem die Erinnerung an Tage wie den Geburtstag von Christa Wolf, den Rücktritt Margaret Thatchers und die Uraufführung von Schwanensee sowie viel Platz für Notizen. „Bis Oktober glaubten wir noch, wir könnten auch das Layout selbst machen“, meint Judith. Doch einen Kalender zu entwerfen und parallel die Schule zu stemmen ist dann doch zu viel des Guten: Ein Grafikerin hilft zum Schluss, die Ideen der Mädchen umzusetzen. Alles andere bleibt aber gänzlich in ihrer Hand.
Erhältich im Buchhandel Ihres Vertrauens
Vor einer Woche holen sie die 500 Exemplare ihres Mädchenjahreskalenders aus der Druckerei und fragen in diversen Buchhandlungen und Läden im Kiez, ob sie diesen nicht ins Sortiment aufnehmen möchten. Dort ist er jetzt zu kaufen – eine genaue Liste der Läden findet sich im Blog der sechs, auf dem auch der komplette Entstehungsprozess des Kalenders dokumentiert ist. Fünf Euro kostet dieser; die Einnahmen sollen für ein Folgeprojekt genutzt werden.
Fassen wir also zusammen: Engagierte junge Menschen stellen selbst etwas auf die Beine und werden entgegen der Berliner Tradition sogar rechtzeitig fertig mit ihrem Projekt. Nur eine Frage noch: Warum denn ausgerechnet Rosa? „Wir sind emanzipiert genug, dass sogar Rosa geht“, meint Judith.
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