„Wir sind so“
Prominentestes Beispiel für dieses „In den Kiez hineinwirken“ sind die Mahnwachen Anfang Oktober 1989. Damit wollte der Gemeinderat für die Freilassung von vier verhafteten Jugendlichen in Leipzig demonstrieren und traf offenbar den Nerv der Zeit. Bald schon strömten täglich bis zu 3.000 junge Frauen und Männer in das Gotteshaus und schilderten Unrecht und Willkür im Alltag und bei den Demonstrationszügen, die seit der Fälschung der Wahlergebnisse im Mai 1989 jeden Montag stattfanden. Als am 7. Oktober Einheiten der Volkspolizei und der Stasi in der Schönhauser Allee mit Gewalt gegen Demonstranten vorgingen, konnten sich viele in das Gotteshaus um die Ecke flüchten.
„Es ist nicht hier beschlossen worden, dass die DDR auseinanderbrechen sollte, aber viele Menschen haben hier ein schützendes Dach gefunden“, beschreibt es Pfarrer Zeiske. Jetzt wünscht er sich, dass seine Kirche sozusagen als Gegenleistung selbst wieder ein intaktes Dach und Gemäuer erhält.
Auch deshalb, weil die Gemeinde in der Gethsemanekirche für ihn nach wie vor etwas Besonderes ist. Die Mahnwachen seien nicht der Anfang gewesen, aber auch nicht das Ende. Schon kurz nach der Gründung der Kirche bewiesen ihre Mitglieder einen eigenen Kopf und rückten kurzerhand die Kanzel, von der meist eher das Wort des Kaisers als das Gottes verkündet wurde, von der Mitte zur Seite. Zu Zeiten der Nationalsozialisten gewährte die Frau des damaligen Pfarrers Juden Unterschlupf in ihrer Wohnung. Und heute? Beherbergt die Gemeinde zum Beispiel eine der wenigen kirchlichen Lesbengruppen; Trauungen von homosexuellen Paaren sind willkommen. Woher kommt diese Offenheit? Pfarrer Zeiske zuckt die Schultern. „Wir sind einfach so.“
Beseelt vom Heiligen Geist
Oder es ist eben doch der Heilige Geist. Ihn spüren die Kirchenmänner Zeiske und Esch immer wieder, sei es während des ersten Ökumenischen Kirchentages 2003, sei es an Weihnachten. Beim Gottesdienst am Nachmittag des 24. Dezember ist es traditionell so voll, dass alle Kinderwagen draußen bleiben müssen. Damit die teuren Gefährte nicht geklaut werden, schieben Gemeindemitglieder Wache.
Jetzt hofft die Gethsemanekirche, dass der Heilige Geist noch mehr Menschen ergreifen möge, so dass sie sich besinnen – und etwas Geld aufs Konto der Gemeinde überweisen. Denn das, was bisher gespendet wurde, reicht bei Weitem nicht. Wegen des 1. Bauabschnitts hat Pfarrer Zeiske zwar keine schlaflosen Nächte mehr, sagt er: „Aber der 2. Bauabschnitt raubt uns den Mittagsschlaf und wie wir den dritten finanzieren sollen, ist noch völlig offen.“
Über Spenden freut sich die Gemeinde unter Ktnr: 411 741 280, BLZ: 210 602 37, Bank: KVA Berlin Mitte-Nord, Verwendungszweck „Gethsemane stützen“. Oder werden Sie Steinpate! Infos dazu gibt es hier http://www.ekpn.de/kirchen/gethsemanekirche/
Teil 1: Herabstürzende Altbauen
WAHRE LIEBE: Zeigen Sie, wie lieb sie uns haben und werden Sie Mitglied im Freundeskreis der Prenzlauer Berg Nachrichten und stärken Sie damit die Unabhängigkeit Ihrer Lokalzeitung! Mehr Infos hier.