Wenn in Prenzlauer Berg ein Neubau entsteht, ist nicht immer ein Investor dabei, die Gentrifizierung zu vollenden. Oft sind es auch Baugruppen, die versuchen, das Leben in der Stadt neu zu erfinden.
Als Kristien Ring vor einigen Wochen im ICC auf der Bühne der Konferenz TedxBerlin stand, hatten vor ihr schon viele über die Stadt der Zukunft gesprochen. Wie in Kopenhagen ein Hafen zum Schwimmbad wurde und wie Londoner mit einer App gemeinsam kleine Alltagsprobleme zu lösen versuchen war ebenso Thema gewesen wie der Plan, eine komplette Stadt in einem Hochhaus in der chinesischen Pampa unterzubringen.
Dann kam die Architektin Kristien Ring an die Reihe, um zu erzählen, wie intelligente Häuser der Zukunft aussehen könnten. Mitgebracht hatte sie ein paar Beispiele. Überraschung: Sie stehen alle in Prenzlauer Berg.
Ein guter Grund, Kristien Ring, die in Berlin das Deutsche Architektur Zentrum (DAZ) aufgebaut hat, dazu noch einmal genauer zu befragen.
Baugruppen, made in Prenzlauer Berg
In der Choriner Straße scheint sich die gebürtige Amerikanerin und Neubau-Expertin genau um eine Hausnummer verwohnt zu haben. Direkt neben dem Gründerzeitbau, in dem sie seit den 90er Jahren lebt, steht das sogenannte Estradenhaus. Hier wohnen Menschen, denen selbst Altbau-Zimmer zu klein sind, in wandbefreiten Lofts mit dem Schreibtisch direkt neben der Badewanne. Ring hingegen hat eine, wenn auch durchaus modern eingerichtete, Altbauwohnung. In ihrem stylischen Sideboard stehen Gesellschaftsspiele, auf dem Tisch liegt neben Mac und Milchkaffee ihr Buch „Selfmade City“. Über 120 innovative Bauprojekte, gestemmt von Baugruppen in ganz Berlin, hat Ring dort zusammengetragen. Viele von ihnen liegen in Prenzlauer Berg, wo die Bewegung ihren Anfang nahm, wie sie nun erzählt.
Los ging es mit den vielen Kreativen, die nach der Wende den damals noch angeranzten Kiez stürmten. „Als sie älter wurden und Kinder bekamen, wollten sie nicht aus Land ziehen – aber die passenden Wohnstrukturen in der Innenstadt fehlten“, sagt Ring. Anders als heute gab es zwar ausreichend bezahlbaren Wohnraum. Doch dieser erschien vielen nicht familiengerecht. Zudem fehlte ihnen ein nachbarschaftliches Miteinander – besonders wichtig für Familien, deren Omas und Opas in anderen Städten leben und nicht mal eben als Babysitter einspringen können.
Da von sich aus kein Baulöwe an Neubau dachte, der sich in Zeiten des Wohnungsüberschusses einfach nicht lohnte, gingen die Kreativen das Thema selbst an und schlossen sich kurzerhand zu Baugruppen zusammen. „Urban bauen und dabei eine funktionale Mischung schaffen, das war das Ziel“, erklärt Ring.
Mal flexibel programmierbar, mal ökologisch
Ein Beispiel, wie das aussehen kann, steht in der Oderberger Straße 56 direkt neben dem Stadtbad. Von außen sieht man dem Gebäude nicht an, dass hinter der Fassade etwas lauert, das Ring „flexible Programmierung“ nennt: Die Wohnungen sind 120 Quadratmeter groß und so angelegt, dass man sie leicht in zwei Wohnungen aufteilen kann. Wenn die Kinder älter werden, irgendwann die Großeltern unterkommen sollen oder einfach nur ein Büro gebraucht wird – das Haus macht alles mit. Zudem sind einige Wohneinheiten extra angelegt für Menschen, die nur für ein paar Monate in Berlin leben und arbeiten wollen. „Das Haus kann auf die Bedürfnisse seiner Bewohner ebenso reagieren wie auf Veränderungen in seinem Umfeld“, sagt Ring.
So geht modere Urbanität.
Ein weiterer Ansatzpunkt, Dinge anders zu machen, ist eine ökologische Bauweise. Diesen Weg hat die Baugruppe eingeschlagen, die für eins der höchsten Holzhäuser Deutschlands in der Esmarchstraße 3 verantwortlich ist (Anm.: In einer früheren Version des Textes war noch vom höchsten Holzhaus die Rede. Diese Information ist aber veraltet). Sieben Stockwerke zählt es und wurde bei seiner die Statik herausfordernden Entwicklung mit Bundesmitteln unterstützt – der Einsatz nachwachsender Rohstoffe im Baugewerbe schien von landesweiter Bedeutung.
Zum 2. Teil des Artikels und zu den Kommentaren: „In einem Topf mit Investoren“