An der Belforter Straße werden Bäume gefällt. Sieht stark nach Baubeginn aus an der Wohnanlage, wo eigentlich nicht gebaut werden sollte. Ist es aber nicht, sagt das Amt.
An der Belforter, Ecke Straßburger Straße stehen drei Männer in orangenen Jacken und schreddern munter Holz. Das Gestrüpp, das hier vor kurzem noch rund um die Häuser aus den 60er Jahren wucherte, wird nun verhäckselt. Zwei Höfe weiter wurde sogar der Baumbestand gelichtet. Wo vorher ein kleines Wäldchen war, stehen nun nur noch die Stümpfe.
Parkpflege vor dem Winter – an jedem anderen Ort wäre das keine Meldung wert. Doch dass nun hier, an der Wohnanlage Belforter Straße, plötzlich Bäume fallen, siehst schon stark nach Baubeginn aus. Jahrelang hatte es einen Streit zwischen Bezirkspolitikern und neuem Eigentümer gegeben: Letzterer will die drei Altbauriegel um einem Neubau entlang der Straßburger Straße ergänzen. Der Bezirk hatte das und die damit einhergehende weitere Verdichtung verhindern wollen, war aber mit seiner Verhinderungstaktik im Sommer vom Gericht zurückgepfiffen worden. Nun scheint es plötzlich ganz schnell zu gehen mit den Bauarbeiten. „Wir haben von den Fällungen erst erfahren, als am Donnerstag plötzlich die Kettensägen liefen“, sagt Jürgen Freytag, der seit 1969 in einem der Häuser wohnt.
Dünne Bäume stehen nicht unter Schutz
Alles falscher Alarm, heißt es jedoch aus dem Bezirksamt. „Es gibt noch gar keinen Bauantrag, geschweige denn eine Baugenehmigung“, sagt Jens-Holger Kirchner (Grüne), Pankows Stadtrat für Stadtentwicklung, und verweist für weitere Fragen an seinen Kollegen Torsten Kühne (CDU). Der ist im Bezirk als Stadtrat unter anderem für Umwelt zuständig und erklärt, dass das mit den Baumfällungen alles seine Ordnung habe. „Wir sind außerhalb der Vegetationsperiode. Alle Bäume und Sträucher, die nicht unter Schutz stehen, kann ein Eigentümer dann einfach beseitigen.“ Schutzwürdig sei ein Baum in Berlin, wenn er in einer Höhe von 1,30 Metern einen Stammumfang von 80 Zentimetern habe. „Ein Mitarbeiter aus dem Amt war vor Ort und hat sichergestellt, dass diese Vorgaben eingehalten wurden.“
Das erklärt, warum an der Belforter Straße bislang nur die schlankeren unter den Bäumen gefällt wurden. Für die Dickstämmigen bedarf es laut Stadtrat Kühne einer extra Fällgenehmigung. Die das Amt jedoch wohl gewähren wird, ist sie mal beantragt, schließlich ist der Park kein Naturdenkmal.
Bäume zahlen keine Miete
„Was wir jetzt schon machen können, wird jetzt gemacht“, erklärt Investor Rainer Bahr den aktuellen Baumeinsatz. Schließlich solle es im Mai nächsten Jahres, wenn die Baugenehmigung dann vorliege, möglichst schnell wirklich losgehen mit den Bauarbeiten. Mit den meisten Mietern der Aufgänge, die für den Neubau abgerissen werden müssen, sei man sich mittlerweile einig geworden. „Wir haben ihnen zu gleichen Konditionen frisch sanierte Wohnungen in einem anderen Teil der Anlage angeboten. Mit lebenslangem Wohnrecht“, so Bahr. Auch die Bäume wolle er eigentlich nicht verdrängen. „Wir sind gerade in Gesprächen mit dem Amt, um für die gefällten Bäume bezirksweit neue zu pflanzen, damit der Bau CO2-neutral bleibt.“
Zu den wenigen, die noch in dem abzureißenden Aufgang wohnen, gehören auch Jürgen Freytag und seine Frau. „Der Investor hat uns ein paar Angebote unterbreitet, die wir aber alle nicht angenommen haben“, sagt er. Seitdem warte er ab. Andere hätten halt nicht so starke Nerven. Investor Bahr meint, nach den gescheiterten Vermittungsangeboten müsse er den bestehenden Mietern nun kündigen. Spätestens neun Monate später ständen die Wohnungen dann leer.
Vor kurzem hatten Unbekannte die Bäume an der Wohnanlage noch mit Kreuzen bestückt. „Kein Beton-Luxus statt grüner Oase“ und „Alle Bäume sollen weg für Luxuseigentum“ stand auf dazugehörigen Schildern. „Aber Bäume zahlen halt keine Miete“, meint Jürgen Freytag. „Mit ihren Fällungen werden so langsam vollendete Tatsachen geschaffen.“
Dieser Text wurde um 18:00 um ein Statement von Investor Rainer Bahr ergänzt.
UNSER FREUNDESKREIS: Werden Sie Mitglied im Freundeskreis der Prenzlauer Berg Nachrichten und stärken Sie damit die Unabhängigkeit Ihrer Lokalzeitung! Mehr Infos hier.