Das Viertel um den Teutoburger Platz ist kein Sanierungsgebiet mehr. Eine Sozialstudie zeigt, was sich seit 1994 hier alles verändert hat. Und wer gehen musste.
Wie in ganz Ost-Berlin wurden Anfang der 90er Jahre auch in Prenzlauer Berg Sanierungsgebiete ausgerufen, fünf waren es in dem Stadtteil insgesamt. Das Ziel: Mit öffentlichen Mitteln Wohnungen, den öffentlichen Raum und die soziale Infrastruktur modernisieren. Mittlerweile gibt es in ganz Berlin nur noch zwei Sanierungsgebiete, eines davon um den Helmholtzplatz, es wird aller Voraussicht nach demnächst aufgehoben. Das Sanierungsprogramm um den Teutoburger Platz begann 1994 und lief im Februar dieses Jahres aus, 110 Millionen Euro wurden investiert. Die zuständige Senatsverwaltung für Stadtentwicklung, das Bezirksamt und die die Sanierung begleitende städtische Gesellschaft für behutsame Stadterneuerung stellten nun eine umfassende Auswertung vor, welche städtebaulichen und sozialen Folgen die Sanierung hatte. Ein Überblick.
Das Gebiet
Elf Häuserblöcke auf knapp 50 Hektar umfasst das Gebiet in Prenzlauer Berg, das im Westen und Süden durch den Bezirk Mitte, nördlich von der Eberswalder Straße und östlich von der Schönhauser Allee begrenzt wird. Heute wohnen dort mehr als 8.600 Menschen, das ist ein Drittel mehr als zu Beginn der Sanierung. Es gibt 4.855 Wohnungen, etwa 300 mehr als 1994. Die Einwohnerdichte pro Hektar stieg damit von 130 auf 173,5.
Die Bevölkerungsstruktur
Bei der Präsentation der Studie im Pfefferwerk am Donnerstag beschwor Stadtrat Jens-Holger Kirchner (Grüne) die alten Zeiten, soll heißen, viel Gestank. Der Geruch von Kohleöfen und nassen Heizungskellern habe das Leben bestimmt, entsprechend unattraktiv sei für viele Prenzlauer Berg zu jener Zeit geworden. Die Bevölkerungsentwicklung bis 1997 spricht zumindest nicht dagegen: Seit dem Mauerfall sank die Zahl konstant, erst Anfang der Nuller-Jahre wurde wieder der Wert der 90er erreicht. Ein Erfolg der Sanierung, sagt Stadtrat Kirchner. Ganz anders sah das sein Vorgänger im Amt, Michail Nelken (Linke), auch er erinnerte sich an DDR-Zeiten. „Und zwar deshalb, weil damals genauso beschönigt wurde wie heute.“ Die Sanierung sei kein Erfolg, weil zwar neue Menschen in den Kiez gezogen, aber von den ursprünglichen Bewohnern immer mehr verdrängt worden seien.
7o Prozent der Menschen um den Teutoburger Platz sind laut Studie zwischen 27 und 65 Jahre alt, 1994 waren es noch 55 Prozent. Die Zahl der Menschen über 65 Jahre ist marginal, bei vier Prozent. Das ist allerdings nur ein Prozentpunkt weniger als 1994. Laut Bericht ist das Viertel überdurchschnittlich beliebt bei jungen Familien.
Einkommensstruktur
Die geringere Zahl von Singles ist laut Bericht auch ein Grund dafür, dass die Mehrverdienerhaushalte für ein überdurchschnittliches Haushaltsnettoeinkommen sorgen. In 45 Prozent aller Haushalte werde mehr als 2.600 Euro netto verdient, in einem Drittel weniger als 1.500. Die Einkommen sind dabei rasant gestiegen, und zwar seit 1992 um 60 Prozent – das ist dreimal mehr als im Berliner und zweimal mehr als im bezirklichen Schnitt. Mit den bekannten Folgen, wie in der Studie zu lesen ist. „In den letzten Jahren nimmt der Anteil der gut verdienenden Zuzieher sukzessive zu. Wegzüge und Neuvermietung treiben die Mieten nach oben. Für einkommensschwächere Haushalte wird der Wohnungsmarkt damit zunehmend enger.“
Hohes Durchschnittseinkommen geht in der Regel auch mit höheren formalen Bildungsabschlüssen einher. Nicht anders ist es am Teutoburger Platz. Die Zahl der Akademiker stieg zwischen 2002 und 2011 von 53 auf 75 Prozent, hingegen sank die Zahl der Bewohner ohne Ausbildung von 26 auf zehn Prozent. Fast gar nicht mehr präsent sind Menschen mit einem einfachen Berufsabschluss: Ihr Anteil sank von 15 auf ein Prozent.
Wohnungsbestand und Mieterfluktuation
Niedrigverdiener wohnen laut Bericht vornehmlich „in den nicht umfassend erneuerten Wohnungen und den öffentlich geförderten, umfassend sanierten Wohnungen“. Und hier wird die Auswahl immer geringer. So ist nur jede vierte Wohnung noch nicht umfassend saniert, von den sanierten sind 670 Wohnungen belegungsgebunden. Entsprechend hoch ist das Interesse der Bestandsmieter, die Wohnung zu behalten. Knapp 15 Jahre wohnen heute die Mieter von belegungsbgebundenen Wohnungen im Schnitt an ihren derzeitigen Adressen, fünf Jahre länger als die restliche Bevölkerung um den Teutoburger Platz.
Soziale Infrastruktur
An einem bestand nach der Wende im Gebiet um den Teutoburger Platz kein Mangel: Kitas und Schulen. Die waren laut Bericht ausreichend vorhanden, allerdings meist in einem desolaten Zustand. Heute ist es eher andersrum. Im Bericht wird auf mehrere sanierte und neu gebaute Kitas im Gebiet verwiesen, genau wie die sanierten Grundschulen. 17,2 Millionen seien in die soziale Infrastruktur geflossen, weitere zwei Millionen in öffentliche Grünflächen.
Was lief falsch?
Alles oder manches – kommt ganz drauf an, wen man fragt. „Ritualisiert“ sei der Streit um die Sanierung und Gentrifizierung inzwischen, erklärte Stadtrat Jens-Holger Kirchner, er wisse inzwischen bei jeder Diskussion schon, „welchen Halbsatz“ ihm sein Amtsvorgänger Nelken als nächstes an den Kopf werfen werde. Nelkens Unterstützer wiederum bezeichneten Kirchner, auch nicht zum ersten Mal, als arrogant. Kirchner, der 1979 nach Prenzlauer Berg zog, bezeichnete es als Fehler, dass Anfang der 90er Jahre nicht viel mehr genossenschaftliches Eigentum geschaffen und nicht mehr Bewohner die von ihnen bewohnten Häuser gekauft hätten. „Das wurde deshalb nicht gemacht, weil den meisten hier es suspekt war, Wohneigentum zu kaufen.“ Heute zeige sich, dass am ehesten in den wenigen Genossenschaften Prenzlauer Bergs „die angestammte Wohnbevölkerung gehalten werden konnte“.
Wie geht es weiter?
Zwar ist das Sanierungsgebiet ausgelaufen, einzelne Maßnahmen laufen aber noch oder werden später umgesetzt. Genannt werden unter anderem Gehwegerneuerungen in der Christinenstraße, der Schwedter Straße und in der Templiner Straße. Letzte Sanierungsarbeiten an der Schule am Senefelderplatz sollen im kommenden Jahr beendet werden, ebenso der große Schulvorplatz an der Schönhauser Allee. Und, daran besteht kein Zweifel, auch die Häuser werden weiter saniert. Zwar wiesen, heißt es in der Studie, etwa „90 Prozent der Wohnungen mittlerweile Vollstandard auf. 24 Prozent des Altbaubestandes sind aber noch nicht abschließend erneuert“. Es ist also noch zu tun.
Die Ergebnisse der Sozialstudie sind noch bis diesen Donnerstag, 17. Oktober, in der Galerie Aedes am Pfefferberg, Christinenstraße 18-19, zu besichtigen. Täglich, außer am heutigen Montag, von 11 bis 18.30 Uhr.