NPD verschickt Flugtickets

von Juliane Schader 16. September 2013

Die NPD hat Direktkandidaten mit Migrationshintergrund ein Flugticket zugeschickt. “Ziel Heimat“ steht darauf. Auch Pirat Fabricio do Canto bekam diese Post. Für ihn ein Schlag ins Gesicht.

Der Text dieses Briefes ist so unfassbar, man möchte ihn eigentlich gar nicht zitieren. Von Auswanderung als Chance ist dort die Rede, von menschenverachtender multikultureller Politik des machthabenden Regimes und von luxuriöser Gastfreundschaft, die der Adressat in Deutschland genossen habe. Beigelegt ist ein symbolisches Flugticket von „Deutschland“ nach „Heimat“, „Direkter Weg“, nur Hinfug. Auf seiner Rückseite steht etwas von Menschen, die zusammengepresst werden, aber nicht zusammen gehören: „Die Ampel ist grün. Sie dürfen dann gehen“.

 

Post für den Integrationsbeirat

 

Unterschrieben hat den Brief der Neuköllner NPD-Politiker Jan Sturm. Erhalten haben ihn Bundestagskandidaten mit Migrationshintergrund, darunter auch Fabricio do Canto, der im Wahlkreis Pankow für die Piraten antritt. Er selbst sieht sich aber weniger in dieser Rolle als Empfänger, sondern eher als Mitglied des Pankower Integrationsbeirats, dem der gebürtige Brasilianer, der seit fast zehn Jahren die deutsche Staatsbürgerschaft besitzt, angehört.

„Für mich ist dieser Brief ein Schock“, sagt do Canto. Offenbar hätten manche noch nicht verstanden, dass Deutschland nicht alleine existieren könne, wie stark allein die Wirtschaft vom Handel mit anderen Ländern abhängig sei. „Ich sehe, wie weit wir noch entfernt sind von dem, was wir erreichen wollen, und wie viel Aufklärungsbedarf es noch gibt.“ Dieser Brief sei für ihn und seine Bemühungen im Integrationsbeirat ein Schlag ins Gesicht.

 

„Woher haben die meine Adresse?“

 

Dabei sind der blinde Hass und die Stumpfheit, die aus dieser Aktion sprechen, nur ein Aspekt, der do Canto beunruhigt. „Ich frage mich auch: Woher haben die meine Adresse?“, meint der Pirat. Er habe Kinder und mache sich nun auch um ihre Sicherheit Sorgen. Noch habe er keine Zeit gehabt, rechtliche Schritte einzuleiten. Er wolle aber prüfen, in wie weit das möglich sei.

Auch Cansel Kiziltepe, SPD-Politikerin mit türkischen Wurzeln und Kandidatin in Friedrichshain-Kreuzberg-Prenzlauer Berg Ost, hatte gegenüber der taz angekündigt, sie wolle Anzeige erstatten, sobald sie derartige Post bekäme. 

 

Nachtrag 18. September, 17.30 Uhr

Die Pressestelle der Berliner Piraten hat gerade mitgeteilt, dass Fabricio do Canto Strafanzeige gegen die Autoren des Briefes gestellt hat. Er lasse sich in seinen Aktivitäten nicht den Mund verbieten, heißt es in einer Stellungnahme. „Demokratie lebt von dem Engagement vieler und diejenigen, die mich daran hindern wollen, sind eine Gefahr für die Demokratie“, so do Canto. „Mit meiner Strafanzeige will ich mich mit allen Menschen solidarisch zeigen, die in ihrem Leben, ihrer Arbeit oder ihrem Ehrenamt von Rassisten und Rechtsextremisten behindert oder angegriffen werden.“



 

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