Fluthelfer aus Versehen

von Thomas Trappe 20. Juni 2013

Ein Prenzlauer Berger will ein Foto bei Facebook posten und drückt den falschen Knopf. Am nächsten Tag rufen Gómez und Ballack an. Der Beginn einer unglaublichen Spendenaktion für Flutopfer.

Ums Namedropping kommt Daniel Untermann gerade nicht herum, möchte er davon erzählen, wie er versehentlich eine der größten privaten Spenden-Aktionen Deutschlands startete, in seiner Wohnung in der Schönhauser Allee. Von Michael Ballack und Mario Gómez ist dann zu sprechen. Von diversen Olympiasiegern. Von Stefan Kretzschmar und anderen Größen des deutschen Handballs. Und außerdem von einer Kiste einer etwas zu klein geratenen Fernsehmoderatorin. Das alles berichtet der 34-Jährige, und es klingt nicht wie eine Geschichte, die in zehn Tage passt. Doch tatsächlich: Erst seit eineinhalb Wochen rotiert Untermann in seinem ganz persönlichen Spendenmarathon. Und eine Pause ist nicht absehbar. „Ich investiere hier gerade meinen Sommerurlaub.“

Daniel Untermann ist nebenberuflich Handball-Trainer beim Verein Polizei SV Berlin. Hauptberuflich ist er Unternehmer. Zusammen mit zwei Profi-Sportlern, einem Hand- und einem Volleyballer, führt er das Prenzlauer Berger Dienstleistungsunternehmen Jobleague. Seine Verbindungen in die Sport-Szene sind also mannigfaltig und auch der Ausgangspunkt seiner aktuell heiß laufenden Hilfsaktion für Opfer der Flutkatastrophe.

Am 10. Juni, erinnert sich Untermann, hörte er von einer Hilfsaktion des „Freundeskreis‘ des deutschen Handballs“. Die Initiative sammelt Spenden für die Flutopfer unter Vereins-Handballern, leider mit mäßigem Erfolg. „Ich wollte sie ein bisschen unterstützen, vielleicht über Facebook“, erzählt Untermann, um dann zu ergänzen, dass er „nicht unbedingt so ein Technik-Freak“ sei. Sprich: Die Idee, seine befreundeten Bundesliga-Handballer persönlich zu bitten, Trikots für eine Wohltätigkeits-Versteigerung bei Ebay zur Verfügung zu stellen, wurde ein öffentlicher Aufruf – vervielfältigt bis zum Umfallen. Binnen Stunden kamen tausende Reaktionen. „Ich dachte mir, dass ich bekloppt werde, wenn das alles über mein privates Profil läuft.“ Deshalb legte er die Facebook-Seite „Handballer helfen“ an. Und die geht jetzt ab.

 

Die Sport-Elite meldet sich sofort

 

Die Idee ist einfach: Handballer stellen Trikots oder andere Devotionalien zur Verfügung, die dann später bei Ebay versteigert werden, die Erlöse kommen Flutopfern zugute. Am ersten Tag meldeten sich dutzende Handballer bei Untermann. Die Zahl der Fans stieg rasant. Nach 24 Stunden waren es 1.500, heute, also am Tag zehn, sind es fast 5.000. Und es zeigte sich schnell, dass „Handballer helfen“ nicht nur Handballer zum Mitmachen animiert.

Schon am ersten Tag rief Fußball-Nationalspieler Mario Gómez bei Untermann an. „Er sagte mir, dass er die Aktion cool findet und schickte mir dann ein Trikot, dass er bei der Champions League trug.“ Später meldete sich Michael Ballack, dessen Geburtsstadt Görlitz von der Flut betroffen ist, und sagte ebenfalls zu, ein Trikot zu spenden; jenes, dass er beim letzten DFB-Pokalfinale mit Bayern München trug. Nicht weiter verwunderlich, dass Untermann „diese Reaktionen total umgehauen haben“. Inzwischen gleicht seine Facebook-Seite einer meterlangen Fotoserie des Who is Who des deutschen Sports. Und mehr. So hat zum Beispiel auch Anett Sattler, Handball-Moderatorin bei Sport1, etwas beigesteuert. Eine Kiste. Auf der steht die etwas klein gewachsene Journalistin, wenn sie die oft recht langen Handballer interviewt. „Es sind oft auch nicht die Gegenstände, die zählen, sondern die Geschichten dahinter“, sagt Daniel Untermann.

 

Freund half beim T-Shirt-Design, Rest wurde ergoogelt

 

Sein eigentlicher Job in seiner Firma ruht derzeit. Täglich klingelt der Postbote bei ihm zuhause, „oft muss ich dann beim Tragen helfen“. 150 Pakete mit Trikots und Sonstigem stapeln sich inzwischen in der Küche Untermanns, er ist den ganzen Tag damit beschäftigt, die Spenden zu listen, zu fotografieren und Texte für die Versteigerungen zu formulieren. „Das muss geführt werden wie ein Unternehmen und kostet auch so viel Zeit.“ Zumal er inzwischen ein zusätzliches Spendenprojekt ins Leben gerufen hat. „Wir haben bis jetzt 150 Sachen zum Versteigern, aber 5.000 Fans. Das heißt, es würden viele leer ausgehen. Das will ich nicht.“

Auf Facebook startete Untermann deswegen einen weiteren Aufruf: Er wolle selbstgedruckte Charity-T-Shirts verkaufen, um zusätzliche Spenden einzunehmen. Wenig später meldete sich ein großes Textilunternehmen und stellte Shirts zur Verfügung. Diese werden jetzt mit dem Handballer-helfen-Logo bedruckt und für 15 Euro verkauft, der Erlös wird komplett gespendet. Am Dienstag ging der Shop online, 10.59 Uhr waren sämtliche 2.400 Shirts ausverkauft. Inzwischen gibt es wieder Nachschub.Wie man einen Online-Shop gestaltet, musste sich Untermann mühsam ergoogeln. „Und das Design für die Shirts hat ein Freund gemacht.“

 

25.000 Euro sollten drin sein. Mindestens

 

Am Wochenende sollen die Versteigerungen voraussichtlich beginnen. Derzeit verhandelt Untermann noch mit Ebay über einen Charity-Account, um kein eigenes Geld in die Hand nehmen zu müssen. „Außerdem soll es ja auch so transparent wie möglich ablaufen.“ Die Spenden werden am Ende nach einer Bedürftigenliste des Freundeskreises des deutschen Handballs über ganz Deutschland verteilt. Also durch jene Initiative, der Untermann unter die Arme greifen wollte und die er jetzt in den Schatten stellt.

Untermann selbst hat übrigens keine Verwandtschaft in den Flutgebieten, wohl aber einige Freunde und Bekannte, die betroffen sind. Er hofft darauf, dass er am Ende der Auktion ungefähr 25.000 Euro spenden kann, „die Charity-Shirts noch nicht eingerechnet“. Vielleicht wird es auch mehr Geld – mit zurückhaltenden Prognosen hat Untermann in den vergangenen Tagen ja eher schlechte Erfahrungen gemacht.

 

 

Hier geht es zur Facebook-Seite Handballer helfen. Und hier zum Onlineshop für die Charity-Shirts.

 

 

NEWSLETTER: Damit unsere Leserinnen und Leser auf dem Laufenden bleiben, gibt es unseren wöchentlichen Newsletter. Folgen Sie uns und melden Sie sich hier an!

Das könnte Dich auch interessieren

Hinterlasse einen Kommentar