Der Bezirk wollte mit einer Verordnung bezahlbaren Wohnraum schützen. Wie das funktioniert? Eher mäßig, wie ein Projekt in der Winsstraße zeigt.
Knapp ein halbes Jahr ist es her, dass der Bezirk Pankow eine Verordnung erließ, die bundesweit Aufsehen erregte. Mit dem sogenannten Luxusverbot, so konnte der zuständige Stadtrat Jens-Holger Kirchner (Grüne) verkünden, gebe es ein wirksames Instrument, um den Ausverkauf und die Wegsanierung günstigen Wohnraums zu verhindern. Kamine wurden verboten, Zweitbalkone, Luxusbäder, Grundrissänderungen. Das gilt für die „Erhaltungsgebiete“ Prenzlauer Bergs, perspektivisch soll der gesamte Stadtteil von den Restriktionen erfasst werden. Für die einen ist das Luxusverbot Symptom einer übergriffigen Verwaltung mit Regulierungskomplex; für die anderen eine Art Notwehr gegen die Gentrifizierung. Die Frage, ob es überhaupt etwas bewirkt, konnte bisher noch nicht beantwortet werden. Bis jetzt. Eine erste Antwort könnte lauten: Naja.
Die Frage stellte sich gerade in der Winsstraße 25/26. Das Haus liegt im Erhaltungsgebiet, unterliegt also seit Jahresbeginn dem Luxusverbot. Im Januar stellte Hauseigentümer einen Bauantrag, darin sind unter anderem Grundrissänderungen vorgesehen, es sollen Eigentumswohnungen entstehen. Der Antrag hätte, so meinen die Bestands-Mieter des Hauses aus nachvollziehbaren Gründen, also eigentlich abgelehnt werden müssen. Wurde er aber nicht. Jetzt wundern sich die Mieter. Und es zeigt sich, dass für ein Luxusverbot Übergangsregeln noch ziemlich lange relevant sein können. Und dass Wohnungen auch ohne Kamin und Zweitbalkon oft ganz schön teuer werden.
Was nicht besprochen wurde, kann nicht verboten werden
„Wins Twins“ heißt das Projekt, das demnächst verwirklicht werden soll. Der Altbau wird voll saniert, es entstehen knapp 60 Wohnungen, die nicht unbedingt luxeriös, aber doch gehoben sind. Für die Preise gilt das allemal: Mehr als 4.000 Euro pro Quadratmeter müssen Käufer laut Finanzierungsbeispiel auf der Wins-Twins-Homepage aufbringen. Die Mieter des Hauses, es sind noch rund ein Dutzend Parteien, wanden sich nun an die Redaktion und stellten die Frage: „Wie das vor dem Hintergrund der erhaltungsrechtlichen Bestimmungen erlaubt sein kann?“
Stadtrat Kirchner erklärt auf Anfrage, dass der Bauherr am 15. Januar dieses Jahres den Antrag zur Gebäudemodernisierung und Instandsetzung stellte. Bereits seit einem Jahr habe es zu diesem Zeitpunkt Gespräche über da Projekt gegeben. Der Bauherr sei in dieser Vorbereitungsphase darauf hingewiesen worden, „dass für die Zusammenlegung von Wohnungen und den Anbau von Zweitbalkonen im Vorgriff auf die künftigen Genehmigungskriterien keine Genehmigung in Aussicht gestellt werden kann“. Über die Grundrissänderungen habe man nicht gesprochen, so Kirchner, da „zu diesen Tatbeständen die künftige Vorgehensweise bezirksintern noch nicht hinreichend geklärt“ gewesen sei. Bei der Genehmigung im Januar habe dann das Prinzip des „Vertrauensschutztatbestands“ gegolten – dem Bauherr wurde genehmigt, was ihm seit Beginn der Gespräche als genehmigungsfähig erscheinen musste. Ergebnis: Die Zweitbalkone wurden untersagt. Grundrissänderungen aber nicht.
Rotwein wurde untersagt. Jetzt gibt es Weißwein
Die Winsstraße ist damit nicht exemplarisch für die Umsetzung des Luxusverbots, aber sicher auch keine Ausnahme. Denn wohl auch für viele kommende Sanierungsvorhaben in Erhaltungsgebieten wird wohl gelten, dass erste amtliche Gespräche schon vor 2013 stattfanden. Doch ohnehin drängt sich in der Winsstraße eine wichtigere Erkenntnis auf. Denn tatsächlich wurde ja hier ein Teil des Luxusverbots durchaus umgesetzt – nur eben ohne nennenswerte Folgen.
So gibt es keine Zweitbalkone – dafür aber sogenannte „Austritte“. Auf den Einbau von Zweitbädern wurde verzichtet – dafür gibt es jetzt großzügige „Masterbäder“. Auch „herrschaftliche Eingangstüren“ und neue Dielenböden zeichnen die Wohnungen aus, wie im Wohnungsprospekt beworben wird. Kamine und Fußbodenheizungen hingegen fehlen. Es ist, als hätte der Bezirk Rotwein verboten. Jetzt gibt es eben Weißwein.
Wie es für die Mieter weitergeht, ist noch nicht klar, erklärte einer von ihnen auf Anfrage. In den noch vermieteten Wohnungen seien derzeit keine Maßnahmen geplant, heißt es beim Bauherren, der Ziegert Bank- und Immobilienconsulting GmbH. Vor kurzem habe man den Mietern aber ein Angebot gemacht: Sie könnten ihre Wohnungen kaufen, wenn sie möchten.
Irrtümlich stand in einer ersten Version des Textes, das im Dezember erlassene Luxusverbot untersage die Umwandlung in Eigentumswohnungen. Das stimmt nicht und wurde korrigiert.
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