Überall diese Aushänge, man fiebert mit: Werden Sie sich finden? Wir hoffen doch sehr, und starten hiermit einen Aufruf.
Von einer befreundeten Bulgarin ist der Satz überliefert, dass deutsche Zugschaffner immer so sexy seien. So George-Clooney-mäßig. Die Einschätzung widerspricht der eigenen Erfahrung, die maßgeblich darauf beruht, von einer wirklich sehr bösen Schaffnerin das gerade in der ersten Klasse geklaute Printprodukt entrissen zu bekommen, das man sich ja unter Mühen beschafft hat. Keinen Klassenstandpunkt, diese Frau, und wenn doch, dann einen sehr beknackten.
Das sind also zwei Welten. Der eine verbindet mit dem ICE die große Liebe. Der andere nicht. Die erste Fraktion geht jetzt in Führung. Massenhafte Aushänge vor allem um den U-Bahnhof Eberswalder Straße zeugen davon. Jemand hat sich verliebt im ICE von Ingolstadt nach Berlin. Und jetzt sucht er oder sie die Liebe. Die ist nämlich weg, verschwunden im erbarmungslosen Schlund des Bahnhofes Südkreuzes.
Am 22. April war es, der ICE 1508 von München nach Berlin, im Wagen 21. Der Aushang ist geschlechtsneutral formuliert, weshalb hier offen bleiben muss, in welcher Konstellation sich da verliebt wurde. Fest steht, einer hatte ein MacBook, der Opponent einen Laptop von Samsung. Das ganze stand also schon zu Beginn unter einem schlechten Stern: Wie soll man denn da den anderen ansprechen, wenn man nicht mal nach einem Ladekabel fragen kann? Früher wäre das alles eh einfacher gewesen. Da hätte man eine Zigarette angeboten. Heute würde da ja gleich der Bahnaufseher kommen. Zudem rauchen ja viele Menschen gar nicht mehr. Aber zurück zum Thema. Es kam eben nicht zur Kontaktaufnahme, dafür zur umso größeren Hormonausschüttung.
Liebe muss sich wieder lohnen
Ungehört verliebt dauern ICE-Fahrten unendlich lange und vergehen doch gleichsam viel zu schnell. Mit jedem ungeplanten Halt wegen eines Triebwerkschadens, mit jeder Einladung vom Bordrestaurant auf abgelebte Bockwürste rückt das Ziel, was in diesen Momenten mehr als sonst als das üble liebestötende Moloch Berlin erscheint, näher. Im Kopf werden Ansprachen an den Gegenüber formuliert, auf der zitternden Zunge geben diese den Geist auf. Die Zeit vergeht, und die einzige Kommunikation findet mit dem sexy Schaffner statt, der wissen will, ob man Punkte sammelt. Steck dir die Punkte sonstwohin, denkt man dann, aber das nützt ja auch nichts.
„Ich hab’s einfach mal klassisch verbockt“, steht auf dem Flyer, und man leidet ehrlich mit. Und fasst den Entschluss, dem armen Menschen zu helfen, dem „dein Lächeln nicht mehr aus dem Kopf geht“. Saßen Sie, lieber Leser, im Wagen 21 des ICE 1508 am 22. April am Tisch gegenüber. Oder vielleicht eines Ihrer Geschwister? Oder ihre Ehefrau? Geben Sie der Liebe eine Chance und schreiben Sie, die Mail-Adresse finden Sie da oben auf dem Bild. Denn Liebe muss sich wieder lohnen in Prenzlauer Berg!
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