Berlin braucht neue Wohnungen, meint die Berliner SPD. Besonders schnell seien große Bauprojekte umzusetzen, wenn der Senat die Bebauungspläne machte. Bislang ist das Hoheitsgebiet des Bezirks.
Manchmal reicht ein kleiner Satz, um das Verhältnis von Bezirken und Senat einmal mehr ordentlich durchzuschütteln. „Um den Wohnungsbau stärker zu beschleunigen und dem gesamtstädtischen Interesse an mehr Wohnungen Rechnung zu tragen, wird der Senat Bebauungsplanverfahren mit einer Zahl von über 500 Wohneinheiten grundsätzlich an sich ziehen“, lautet er. Versteckt zwischen Mietpolitik und Wirtschaftsförderung findet er sich im Strategiepapier „Berlin – Stadt des Aufstiegs“, welches die Führungsriege der Berliner SPD im Januar präsentierte. Unterzeichnet und erdacht ist es vom Regierenden Bürgermeister Klaus Wowereit, dem Fraktionschef im Abgeordnetenhaus Raed Saleh sowie dem Landesvorsitzenden Jan Stöß.
Das Papier ist nicht mit dem Koalitionspartner CDU abgestimmt, und daher nicht gleichzusetzen mit politischer Realität. Doch die Stoßrichtung der stärksten Fraktion im Berliner Abgeordnetenhaus ist klar: Das Land soll die Verantwortung für große Neubauprojekte an sich ziehen. Gleichzeitig unterstellt die SPD-Führung den Bezirken, dass es beim Wohnungsneubau hake, weil sie die nötigen Bebauungspläne nicht rechtzeitig bearbeitet bekämen. „Wir wollen deshalb, dass der Senat mit den Bezirken für mehr Baugenehmigungen Zielvereinbarungen abschließt, für deren Erfüllung die Bezirke notwendige Ressourcen als Anreize erhalten“, heißt es.
Bezirke als zahnlose Tiger
Schon jetzt hat das Land bei den meisten politischen Entscheidungen auf Bezirksebene das letzte Wort. So läuft es etwa bei der Aufstellung des Haushalts, für die zwar der Bezirk zuständig ist, die aber letztendlich der Zustimmung der Landesebene bedarf. Das Recht, Bebauungspläne aufzustellen, ist da die große Ausnahme – bislang.
„Ich sehe hier einen Eingriff in die hoheitlichen Rechte des Bezirks“, sagt Johannes Kraft. Der Vorsitzende der Pankower CDU nimmt die Ansage der SPD-Spitze sehr ernst und hat sich gleich via kleiner Anfrage beim Pankower Stadtrat für Stadtentwicklung, Jens-Holger Kirchner (Grüne), nach dessen Meinung erkundigt.
Auch Kirchner sieht die Zuständigkeiten bislang sehr gut verteilt und überdies auch im Baugesetzbuch vorgegeben. Dieses müsse geändert werden, wenn der Senat wirklich jedes große Bauprojekt übernehmen wolle. „Eine derartige Änderung des AGBauGB wäre ein Paradigmenwechsel in der Aufgabenverteilung zwischen Senat und Bezirken“, schreibt Kirchner.
Senat fehlt das Personal dafür
Zwar verweist der Stadtrat darauf, dass der Senat schon jetzt Bauvorhaben mit über 500 Wohnungen an sich ziehen könne, „wenn der Entwurf eines Bebauungsplans dringende Gesamtinteressen Berlins berührt, insbesondere, wenn das Bezirksamt einer erteilten Einzelweisung nicht nachkommt“. Eine generelle Abgabe großer Projekte an den Senat sei aber nicht sinnvoll, zumal der zuständigen Senatsverwaltung für Stadtentwicklung dafür schlichtweg das Personal fehle. Wenn es nur darum ginge, den Wohnungsneubau zu beschleunigen, sei eine Umschichtung der Zuständigkeiten nicht der richtige Weg.
Zwar muss sich die Landes-SPD über die Umsetzung ihres Strategiepapiers nun erst noch mit ihrem Koalitionspartner einigen. Ihre Botschaft steht derweil schon fest: Der Senat soll gestalten, die Bezirke – einmal mehr – nur verwalten.
Nachtrag vom 28. Februar:
Der Vorstoß der Landespartei scheint auch an der Basis auf Kritik zu stoßen. So meint Roland Schröder, SPD-Politiker und Vorsitzender des Pankower Stadtentwicklungsausschusses, dass Bebauungspläne und die damit einhergehende Zuständigkeit für Wohnungsneubau sehr gut auf Bezirkseben angesiedelt seien, „einfach, weil wir näher dran sind.“ Das sei hier noch nachgetragen.
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