Iss Schluss jetzt

von Thomas Trappe 11. Februar 2013

Gibt es in Prenzlauer Berger Einkaufsstraßen zu viel Gastronomie? Der Bezirk soll das prüfen, fordern die Grünen. Und unter Umständen neue Restaurants verbieten.

Die Klage über einen Mangel an Restaurants und Cafés ist eine, die in Prenzlauer Berg eher selten zu hören ist. Im Gegenteil, Hungrige geraten in nicht wenigen Ecken gerne mal in eine Optionsparalyse: Vietnamesisch, indisch oder doch italienisch ist eine oft gestellte Frage, und sie bezieht sich nicht auf die zu wählende Konversationssprache. Prenzlauer Berg und angrenzende Stadtteile im Bezirk sind nach Meinung mancher der reinste Butterberg, Restaurants gibt es in ihren Augen einfach zu viele. Alles nur Einbildung? Das soll das Bezirksamt bald untersuchen. Und, wenn nötig, neue Restaurants in noch zu bestimmenden Straßen verbieten.

Ein entsprechendes Ersuchen wurde jetzt von den Grünen in die Bezirksverordnetenversammlung (BVV) eingebracht, der für Stadtentwicklung zuständige Stadtrat Jens-Holger Kirchner (Grüne) unterstützt den Vorstoß. Zunächst gehe es allerdings darum, die Situation zu erfassen, erklärt die Bezirksverordnete Daniela Billig, die den Antrag „Vielfältige Gewerbestrukturen in Wohngebieten erhalten“ federführend verfasst hat. Kern der Untersuchung sollte sein, wie viele Gewerberäume inzwischen von Einzelhandel zu Gastronomie umgewandelt wurden. „In vielen Bereichen haben wir das Gefühl, dass da eine zunehmende Verdrängung stattfindet“, so Daniela Billig. Uns geht es darum, dass die Verwaltung das analysiert und gegebenenfalls entgegensteuert.“ Dabei gehe es nicht nur um Prenzlauer Berg, sondern vor allem um die Stadtteile Pankow, Alt-Pankow und Weißensee.

 

Bestehende Restaurants wären nicht betroffen

 

Konkret wird das Bezirksamt aufgefordert, „zu prüfen, in welchen Wohngebieten der Gebietscharakter des Wohngebietes durch die Umnutzungen von Wohn- oder Gewerbeflächen zu gastronomischen Betrieben gefährdet ist“. Manche Straßenzüge des Bezirks seien „mittlerweile so stark durch gastronomische Einrichtungen geprägt, dass nicht mehr von einer reinen Versorgungsleistung gesprochen werden“ könne. Da Restaurantbesitzer für Gewerbe höhere Mieten zahlen könnten, drohte eine verstärkter „Verdrängungswettbewerb“. Leiden würden darunter „die oft kleinteiligen Gewerbestrukturen in Wohngebieten“, zum Beispiel „Bäckereien, Gemüsehändler, Friseure, Blumen- oder Werkzeugläden“. Die Perspektive: „gastronomisch geprägte Monostrukturen“.

Sollte der Bezirk zu dem Schluss kommen, dass es in Wohngebieten mehr Kellner als verträglich gibt, sei einzuschreiten. Paragraf 15 der Baunutzungsverordnung ermögliche, „Umnutzungen von Wohn- oder Gewerbeflächen zu gastronomischen Betrieben in Wohngebieten zu versagen“, wenn dadurch eine Restaurant-Monokultur drohe. Zulässig seien laut Verordnung „der Versorgung des Gebiets dienende Schank- und Speisewirtschaften“. Unzulässig, „wenn sie nach Anzahl, Lage, Umfang oder Zweckbestimmung der Eigenart des Baugebiets widersprechen“. Bereits eröffnete Restaurants wären allerdings nicht betroffen, wird beruhigt. 

 

„Reiner Populismus“

 

Sebastian Mücke, Vorsitzender des CastingCaree e.V., einer Interessengemeinschaft von Gewerbetreibenden der Kastanienallee, hält wenig von der Idee, die Restaurantdichte im Bezirk zu regulieren. „Das ist reiner Populismus“, sagt er. „Man kann doch niemanden verbieten, ein Restaurant zu eröffnen. Wenn der Bedarf nicht da ist, dann wird es schon von alleine schließen.“ Auch Sascha Hilliger, Vorsitzender des Gewerbetreibenden-Vereins Pro Prenzlauer Berg, ist äußerst skeptisch. Zwar sei die Gastronomie-Dichte in Oderberger Straße oder Kastanienallee durchaus „auffällig“, aber auch er verweist auf „das Prinzip von Nachfrage und Angebot“. Ohnehin gebe es für Prenzlauer Berger Händler ganz andere Verdrängungsgefahren. „Viel gravierender ist doch, dass immer mehr Gewerbeflächen in Wohnraum umgewandelt werden.“

Jens-Holger Kirchner müsste als Stadtrat das Ersuchen seiner Parteifreunde umsetzen, würde es von der BVV demnächst verabschiedet. Kirchner ist gerade dabei, die Umnutzung von Mietwohungen in Ferienappartements zu bekämpfen – der neuen Regulierungsidee steht er offen gegenüber. „Ich denke, es ist höchste Zeit, dass wir uns ernsthaft mit dieser Frage beschäftigen“, erklärte er auf Anfrage. Er habe vor allem Pankow und Weißensee im Blick. „Es ist vollkommen gerechtfertigt zu schauen, wo wir im Bezirk diese Möglichkeit der Baunutzungsverordnung anwenden können.“

 

 

UNSER FREUNDESKREIS: Werden Sie Mitglied im Freundeskreis der Prenzlauer Berg Nachrichten und stärken Sie damit die Unabhängigkeit Ihrer Lokalzeitung! Mehr Infos hier.

Das könnte Dich auch interessieren

Hinterlasse einen Kommentar