Eine neue Initiative will die Zukunft des Thälmann-Areals mitgestalten. Und dabei einen Fehler vermeiden: Dass die Bewohner gegeneinander ausgespielt werden.
Die Idee, in einer Plattenbauwohnung zu leben, hätte Markus Seng vor wenigen Jahren noch nahe an Selbstmordgedanken gebracht. Retrospektiv jedenfalls schätzt er das so ein. Jetzt, da er in einer Platte in der Ella-Kay-Straße wohnt, ist von dunklen Gefühlen wenig zu merken. Im Gegenteil, sagt Seng. „Ich habe in meinem Leben nie in einer schöneren Wohnung gelebt.“ Vier große Zimmer, schön saniert, relativ preiswert und beste Aussicht über Prenzlauer Berg. Seng gefällt’s am Thälmann-Park und ihm geht es da wie vielen anderen. Mit ihnen hat er jetzt eine Anwohner-Initiative gegründet, und ihr Ziel ist es, das Areal im Sinne der Nachbarschaft zu entwickeln. Und zwar, das ist das Wichtigste für Seng, im Sinne einer breiten Mehrheit. Seng will das vermeiden, was schon so vielen Initiativen im Prenzlauer Berg zum Verhängnis wurde: Klientelpolitik und die Fokussierung auf Einzelinteressen.
Die Initiative ist ein loser Zusammenschluss, zur ersten Info-Veranstaltung Anfang Dezember kamen laut Seng rund 90 Leute, zum Mitmachen hätten sich inzwischen an die 20 Anwohner entschieden. Das Spektrum der „Anwohner-Initiative Thälmannpark“ ist dabei denkbar breit: Das gesamte Gelände zwischen S-Bahn-Linie, Greifswalder und Danziger Straße und Prenzlauer Allee wird sich in den kommenden Jahren massiv verändern (zum Dossier). Das Verwaltungsgelände in der Fröbelstraße braucht eine neue Perspektive. Genau wie das sogenannte Kulturareal. In der Ella-Kay-Straße entsteht bald ein neues Appartement-Haus, an den S-Bahn-Schienen wahrscheinlich gleich eine ganze Siedlung. Zudem soll ein Gesamtkonzept für den Thälmann-Park von der Verwaltung und der Bezirksverordnetenversammlung auf den Weg gebracht werden. „Es ist klar, dass sich hier einiges verändern wird“, sagt Seng. „Die Frage ist nun, wie wir uns beteiligen. Darauf wollen wir mit der Initiative Antworten finden.“ Zuletzt sah es nämlich eher so aus, dass die Verwaltung das Gelände sich selbst und dem Markt überlässt.
Die Chance, sich nicht zu zerfleischen
Markus Seng ist vor zwölf Jahren nach Berlin gekommen, wohnte lange in der Greifswalder Straße, von wo aus er das Gelände um den Thälmann-Park eher mit Skepsis betrachtete – der Charme einer sozialistischen Satellitenstadt in Zentrumslage vermochte ihn nicht recht zu begeistern. Seine Freundin habe ihn schließlich doch überzeugt, in die Platte zu ziehen, erinnert sich der 48-Jährige, der als selbständiger IT-ler arbeitet. Inzwischen liebt er das Viertel, man sieht es ihm deutlich an, wenn er vor die Tür tritt und, tatsächlich, der Stille im Häuserblock lauscht. „Ich mag die Mischung hier“, sagt Seng. Alteingesessene und Zugezogene, Arbeiter-Familien und Künstler, alt und jung – wie kaum woanders in Prenzlauer Berg lebten sie hier noch Tür an Tür. Seng selbst ist gebürtiger Baden-Württemberger, Südbadener aus dem Schwarzwald, um genau zu sein.
Bei der ersten, sozusagen konstituierenden, Sitzung, habe es laut Seng Menschen aus dem ganzen Thälmannpark-Areal in die Versammlung getrieben, sowohl aus der Platte als auch aus dem eher hochpreisigen Prenzlauer Bogen seien sie gekommen. „Und die Stimmung war sehr gut. Das ist ja das, was wir wollen: Dass die Menschen konstruktiv zusammen kommen, auch wenn sie vielleicht nicht hundertprozentig die gleichen Ziele haben.“ Seng hofft jetzt, dass sich diese Konstruktivität auch künftig halten wird. Die Initiative wäre damit eine, wenn alles gut geht, die sich nicht wie so viele andere in Prenzlauer Berg irgendwann in ewigen Streitereien und Selbstzerfleischung ergeht – gedacht sei zum Beispiel an die Kastanienallee und ihre „Stoppt K21″.
Ziele werden noch diskutiert
Noch aber steht man ganz am Anfang, betont Seng. Anfang des Jahres habe es einen große gemeinsame Putz-Aktion im Park gegeben, es galt Silvestermüll zu beseitigen. Welchen Themen sich die Initiative demnächst konkret widmen wird, steht noch nicht fest. Seng denkt an Begegnungsstätten für Anwohner, eine Verschönerung des Parks und Platz für Kleingewerbe, zum Beispiel. „Die Leute hier wollen schon, dass was gemacht wird, dass das Gelände nicht immer weiter verkommt.“
Das nächste Treffen der Initiative findet am 25. Januar statt, 18 Uhr im Café 157 in der John-Schehr-Straße statt. Es soll dann über weitere Zielstellungen der Initiative diskutiert werden, heißt es in einer Ankündigung.
Zur Homepage der Anwohner-Initiative Thälmannpark
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