Idylle, aber ordentlich

von Thomas Trappe 6. Dezember 2012

Prenzlauer Berger sollen ihren Kiez verschönern. Aber nicht zu dolle.

Die Leserin war ehrlich empört, als sie sich kürzlich an die Redaktion wandte. Kaum ein paar Tage habe die Bepflanzung vor ihrem Haus überlebt, dann war alles weg. Genommen vom Ordnungsamt. Die schönen Blumen, was für welche auch immer, vielleicht war auch eine Hanfpflanze dabei, man wisse es nicht. Die Frau war nicht nur empört, sie war auch repräsentativ. Denn immer wieder kocht die Prenzlauer Berger Seele, werden die in mühevoller Kleinstarbeit im öffentlichen Straßenland angelegten Rabatten und Blumenkübel von Ordnungshütern, geradezu gnadenlos, vernichtet. Da stellt man eine schöne Zinkwanne mit Grünzeug vors Tor, und dann ist es jemandem nicht recht, und weg mit dem kleinen Garten Eden.

Ortswechsel: Im Kultur- und Bildungszentrum wurde gestern das Bezirksamt geehrt und der Bezirk Pankow von der Deutschen Umwelthilfe und der Stiftung Lebendige Stadt als „Lebenswerte Stadt“ bezeichnet, also ausgezeichnet. Grund dafür ist das 100-Höfe-Programm des Bezirks, mit dem seit zwölf Jahren Innenhöfe des Bezirks, vor allem von Prenzlauer Berg, verschönert werden. Eigentümer oder Mietergemeinschaften können sich bewerben, zuletzt erhielten fünf Höfe Zuschüsse. Damit habe man die erschreckend hohe Versiegelungsrate Prenzlauer Berger Innenhöfe verringert, erklärte Monika Schröder von der kommunalen Gesellschaft für behutsame Stadterneuerung (STERN) bei der Preisverleihung. Entstanden seien innerstädtische Oasen, in denen die Luft gereinigt und der Stadtmensch ein wenig renaturiert werde. Und das alles aus Eigeninitiative der Anwohner und Eigentümer.

 

Am Ende kommt die Bio-Toilette auf den Fußweg

 

Steht die Frage im begrünten Innenhof, warum die Eigeninitiative im selbigen erwünscht, vor dem Haus dann aber nicht mehr? Alles muss seine Ordnung haben, sagt dazu der für Ordnung zuständige Stadtrat Torsten Kühne (CDU), und das gelte vor allem, wenn es um freie Wege gehe. Er senkt seinen grünen Daumen, geht es um eigemmächtige und raumgreifende Begrünungs- und Verschönerungsmaßnahmen auf den Trottoiren dieser lebenswerten Stadt. Giftige Trompetenbäume zum Beispiel oder Zinkwannen. All das hätten Ordnungsamtsmitarbeiter schon gefunden und unverzüglich beseitigen lassen, Vollbad und Vergiftung gehören schließlich nicht zur kommunalen Daseinsfürsorge. 

„Es geht darum, dass auf den Wegen Platz ist für Rollstuhlfahrer und Kinderwagen“, so Kühne. Insgesamt sei man im Ordnungsamt ja tolerant. Kleine Verschönerungen hätten durchaus eine Chance auf Bestand. Zinkwannen aber nun wirklich nicht. Ließe man das zu, ergänzt Marina Hirschmüller vom Umwelt- und Naturschutzamt des Bezirks, könne man sich bald über Bio-Toiletten auf Fußwegen freuen oder anderes Abscheuliches, Großes. 

 

Ein vorbildhaftes Programm

 

Das 100-Höfe-Programm wurde im Zusammenhang mit der Sanierung von Prenzlauer Berg ins Leben gerufen, soll nach Möglichkeit aber auch nach dem Auslaufen der Sanierungsgebiete fortgeführt werden, sagte STERN-Mitarbeiterin Schröder. Im kommenden Jahr wird dann in Leipzig entschieden, ob Pankows Höfe-Programm oder eines der anderen fünf bundesweit nominierten Programme Gesamtsieger ist und damit 15.000 Euro Preisgeld erhält. Eines stehe jetzt schon fest, so Schröder. „Das Programm hat Vorbildcharakter.“

 

 

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