Kitas schließen für viele Eltern zu früh. Jetzt soll der Bezirk flexible Kinderbetreuung anbieten. Profitieren würden vor allem Prenzlauer Berger Alleinerziehende und Kreative.
Es könnte schlimmer sein. Prenzlauer Berger in Elternfreuden haben es zwar nicht unbedingt leicht, einen Betreuungsplatz zu finden, aber, immerhin, die Kitas haben für Arbeitnehmer akzeptable Öffnungszeiten. Bis 18 Uhr bleiben sie in aller Regel offen, das sind gleich ein paar Stunden mehr, als es in anderen Bezirken und Bundesländern üblich ist. Damit bietet der Bezirk Pankow den Eltern eine Betreuung, die auf den klassischen 8-bis17-Uhr-Job zugeschnitten ist. Deswegen kann aber nicht von einer Komplett-Versorgung gesprochen werden. Denn für viel zu viele Eltern ist es nicht möglich, ihren alten Jobs nach der Geburt des Kindes weiter nachzugehen – den Kita-Schließzeiten sei dank. Sie sind vor allem für Alleinerziehende, Angestellte der Dienstleistungsbranche und Kreativarbeiter nicht kompatibel. Das soll sich jetzt ändern. Der Bezirk soll nun zur Supernanny werden; und damit zum Berliner Modellprojekt.
„Neue Angebote zur flexiblen Kinderbetreuung entwickeln und erproben“ – das ist das Ziel zweier Anträge der SPD-Fraktion und der Linkenverordneten Helga Adler, die im Jugenhilfe- und Gleichstellungsausschuss verhandelt wurden und wohl in der kommenden Bezirksverordnetenversammlung verhandelt werden. Es geht dabei darum, „flexible Kinderbetreuung außerhalb der Kita- und Hortzeiten“ zu ermöglichen, der Bezirk soll dafür ein Berliner „Modellprojekt“ zusammen mit dem Senat auf den Weg bringen. Es sei deutlich geworden, heißt es in der Begründung des Antrags, „dass angesichts zunehmender Flexibilisierung der Arbeitszeiten ein hoher Bedarf an bezahlbaren Angeboten besteht. Dieser Bedarf ist seit Jahren ansteigend.“ Helga Adler, parteilose Bezirksverordnete mit Linken-Mandat und Autorin eines Antrags, präzisiert auf Anfrage. „Vor allem in Prenzlauer Berg und Pankow ist der Bedarf sehr hoch, weil hier viele Menschen aus der Kreativbranche arbeiten.“
Bis Januar gab es ein Angebot
Viele Frauen aus jener Branche „trauen sich kaum, Kinder in die Welt zu setzen“. Das sagt Christiane Heydenreich (Grüne), Vorsitzende des Gleichstellungsausschusses. Sie unterstützt den Antrag ihrer Stellvertreterin Adlers „aus vollem Herz“. Zwar sei man noch in der Findungsphase, die Eckpfeiler stünden aber schon fest. So gehe es nicht um Verwahranstalten für Kinder, sondern darum, „sie in ihrem häuslichen Umfeld zu betreuen“. Dafür bräuchte es professionelles Personal. „Und das ist natürlich kostenintensiv“. Helga Adler, stellvertretende Ausschussvorsitzende, denkt an eine Finanzierung durch Bund und Kommune. Ehrenamtliche Betreuer sind laut Adler und Heydenreich keine gute Lösung. „Da gäbe es keine Garantie für einen festen Personalstamm. Das braucht man aber für eine gute und vor allem verlässliche Betreuung“, so Helga Adler.
Offen ist vor allem die Finanzierung des noch zu schaffenden Angebots. Denn wie es funktionieren kann, ist eigentlich schon bekannt. Bis Januar dieses Jahres bot das Frauenzentrum Paula Panke in Pankow eine flexible Kinderbetreuung an. Arbeitslose Frauen wurden vom Verein weitergebildet, um schließlich abends auf Kinder in deren Zuhause aufzupassen. Finanziert wurde dies vom Jobcenter Pankow, 16 Betreuerinnen konnten so vermittelt werden. Sie bekamen 1.200 Euro brutto für eine Vollzeitstelle mit regulärer Spätschicht. „Trotzdem haben es die Frauen sehr gerne gemacht“, erinnert sich Panke-Projektkoordinatorin Eva Gerlach. Im Januar wurde die Förderung beendet, seitdem kann der Verein keine Erzieher mehr vermitteln.
Kein Angebot für Besserverdiener
Die 16 Betreuerinnen waren aber sowieso viel zu wenig, sagt Eva Gerlach. „Die Eltern stehen enorm unter Druck, das habe ich an der Verzweiflung gemerkt, mit der sie anriefen.“ Vor allem alleinerziehende Mütter hätten das Angebot genutzt, und eben Angestellte mit „atypischen Beschäftigungsverhältnissen“; sprich Freiberufler und Kreative mit unregelmäßigen Arbeitszeiten. Die meisten Anfragen liefen ins Leere, sagt Gerlach. „Mehrere Hunderte haben vergeblich bei uns nachgefragt.“ Bis heute meldeten sich Eltern. Verwiesen wird dann oft an die berlinweite Elterninitiative Shia oder die „Bucher Zwerge“, wo sich Ehrenamtliche um Kinder kümmern.
Von der Idee, einfach die Kita-Schließzeiten zu erweitern, sind die Ausschuss-Chefinnen Adler und Heydenreich nicht begeistert. So würde dieses Modell dazu führen, dass nur ein paar Kitas eine Spätbetreuung anbieten, meint Helga Adler. „Viele Kinder würden dann von Kita zu Kita gebracht, dem Kindswohl dient das nicht.“ Und Christiane Heydenreich verweist darauf, „dass ein Kind nicht ewig in der Kita bleiben kann“. Im Übrigen gehe es auch nicht darum, einen Service für Workaholics zu installieren. „Das ist für Eltern in Not gedacht. Besserverdiener können sich einen Babysitter leisten.“
Korrektur: In einer ersten Version des Artikels hieß es, ein Antrag sei von der Linken Helga Adler eingebracht worden. Ergänzend ist zu sagen, dass es zuvor einen Antrag der SPD-Fraktion gab, mit ähnlichem Inhalt. Beide Anträge stehen jetzt zur Diskussion.
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