Weil die Berliner sich mittlerweile lieber platzsparend beerdigen lassen, muss ein Drittel der Friedhofsfläche abgewickelt werden. In Prenzlauer Berg wird so begehrtes Bauland frei.
Die Berliner Friedhöfe müssen sich um ihre Zukunft Gedanken machen. Was wie ein makaberer Witz klingt, ist seit einigen Jahren Realität in der Stadt: Von den knapp 1.200 Hektar Friedhofsflächen soll etwa ein Drittel abgewickelt werden. Auch in Pankow stehen Veränderungen an, womit sich in der vergangenen Woche der Ausschuss für Stadtentwicklung und Gründanlage beschäftigte.
Platzsparende Urnen
Der Grund dafür, dass heute weniger Friedhofsfläche gebraucht wird als früher, sei ein verändertes Besetzungsverhalten, meint Jürgen Quandt. Als Pfarrer und Geschäftsführer des Evangelischen Friedhofsverbands Berlin Stadtmitte ist er auch für die großen Prenzlauer Berger Friedhöfe St.-Marien- und St-Nikolai I und II sowie Georgen-Parochial zuständig, die zwischen Prenzlauer Allee, Mollstraße, Otto-Braun-/Greifswalder Straße und Heinrich-Roller-Straße liegen (siehe Karte in der Bildergalerie). „Früher ließ man sich in Särgen beerdigen, heute werden Urnen bevorzugt. Die brauchen weniger Platz“, erklärt Quandt. Damit die nicht mehr benötigten Areale für die Gemeinden nicht zum Verlustgeschäft würden, müssten sie abgestoßen werden. Zudem würden die Einnahmen aus den Verkäufen für den Erhalt der verbliebenen Anlagen benötigt. „Uns fehlt schlicht das Geld, um das Kulturgut Friedhof zu bewahren“, sagt Quandt.
Aufgrund ihrer besonderen Nutzung ist die Umwidmung einer Bestattungsfläche eine langfristige Sache. Ist die Aufgabe eines genutzten Friedhofs beschlossen, dauert es noch einmal dreißig Jahre, bis die vermeintlich ewige Ruhe rein rechtlich endet. Danach kann das Gelände anderweitig genutzt werden. In einem Friedhofsentwicklungsplan hat der Senat 2006 vorgegeben, welche Areale aufgegeben und wie sie danach erschlossen werden sollen. Vom Erhalt als Friedhofspark bis zur Freigabe zur Bebauung ist alles denkbar. Da für die Umwidmung der Bebauungsplan geändert werden muss, kann auch der Bezirk bei der zukünftigen Bestimmung mitreden.
Leise-Park sollte Bauland werden
Das kam den Anwohnern des heutigen Leise-Parks zu Gute, der im Sommer auf einem Teil des Friedhofs St.-Marien- und St-Nicolai II an der Heinrich-Roller-Straße eröffnet wurde. Vor vier Jahren wollte die verschuldete Gemeinde den Hof, auf dem seit 1970 nicht mehr beerdigt wurde, an einen Investor mit Bauinteresse verkaufen. Schnell bildete sich in dem an Parks armen Viertel eine Bürgerinitiative, die erreichte, dass der Bezirk das knapp 16.000 Quadratmeter große Areal im vergangenen Jahr erwarb und zum Park umgestalten ließ.
Die Entwicklung in der Gegend ist damit jedoch nicht abgeschlossen. Aktuell liegt eine Anfrage der zuständige Gemeinde vor, die Baulücke an der Prenzlauer Allee, knapp 100 Meter nördlich der Abzweigung zur Straße Prenzlauer Berg, zu bebauen. Derzeit ist dort der Zugang zu den weiterhin bestehenden Friedhofsflächen. „Die Zuwegung würde mit dem Lückenschluss zwar wegfallen“, meint Roland Schröder (SPD), Vorsitzender des Ausschusses für Stadtentwicklung und Grünanlage. Als Grund, dort eine Bebauung zu verhindern, reiche das aber wohl nicht aus.
Verwertungsdruck auf Friedhofsflächen
Für den südlichsten Teil des Friedhofs St.-Marien- und St-Nicolai II, der immer noch der Gemeinde gehört, ist laut Pfarrer Quandt geplant, ihn an die Eigentümer der angrenzenden Häuser als Gartenfläche zu verkaufen. Der Erhalt des Friedhofs St.-Marien- und St-Nicolai I südlich der Straße Prenzlauer Berg als Friedhofspark ist gesichert. Und der Großteil des Georgen-Parochial-Friedhofs soll als Bestattungsfläche erhalten blieben. Lediglich die Zukunft dessen nördlichsten Endes ist noch nicht abschließend geklärt.
Im Vergleich zu den Arealen im Norden des Bezirks, vor allem in Weißensee, sind diese Flächen jedoch Peanuts. „Es ist wichtig, dass wir uns schon jetzt um deren Zukunft Gedanken machen und damit dem Markt zuvorkommen“, meint Wolfram Kempe (Linke), stellvertretender Vorsitzender des zuständige Ausschusses. Auf den Flächen liege ein sehr hoher Verwertungsdruck. Angesichts des Bevölkerungswachstums im Bezirk dürfe man mit der Abwicklung der Friedhöfe aber auch nicht zu voreilig sein, meint er. „Die Möglichkeit zur wohnortnahen Bestattung muss gewährleistet bleiben.“
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