Schadstoffe bis zur Christburger

von Thomas Trappe 18. September 2012

Das Grundwasser unter dem Thälmann-Park ist kontaminiert. Die Schadstofffahnegeht weit bis nach Süden. Trotz nachweislicher Belastung seien Anwohner sicher, sagt das Land. Es bleiben Bedenken.

Bei der Erstellung eines neuen Gesamtkonzepts für das Areal um den Ernst-Thälmann-Park will der Bezirk darauf drängen, dass die Schadstoffbelastung des Bodens untersucht und gegebenenfalls der Boden davon gereinigt wird. Das erklärte der für Stadtentwicklung zuständige Stadtrat Jens-Holger Kirchner (Grüne) jetzt auf Anfrage. Grund sind erhebliche Schadstoffbelastungen in dem Gebiet. Das geht aus einer Antwort des Staatssekretärs Christian Gaebler (SPD) von der Senatsverwaltung für Umwelt und Stadtentwicklung auf eine kleine Anfrage des Grünen Andreas Otto im Abgeordnetenhaus hervor. Demnach ist in einem 250 Meter breitem Streifen unter dem Areal das Grundwasser mit sogenannten aromatischen Kohlenwasserstoffen (BTEX) kontaminiert. BTEX kann Leber- und chronische Nervenschäden verursachen und gilt als krebserregend.

Grund für die Belastung ist das alte Gaswerk, das sich bis 1981 hundert Jahre auf dem Gelände befand. In der Gasanlage wurde aus Kohle Gas hergestellt, dabei entstanden zahlreiche, höchst ungesunde Rückstände. Maßgeblich verantwortlich für die hohe Belastung war laut Senatsverwaltung allerdings die nicht ordnungsgemäße Abwicklung der Anlage in den 80ern. 1991, nach Gesundheitsbeschwerden von Anwohnern, wurden zahlreiche Schadstoffe im Boden des Areals nachgewiesen wurden. Unter anderem Mineralölkohlenwasserstoffe, Phenole, Cyanide,  Ammonium – und vor allem BTEX. Zwar wurde der Boden saniert, die Schadstoffe seien danach „um eine Potenz zurückgegangen“. Aber restlos beseitigt sind sie nicht, für BTEX gilt das schon gar nicht. Das breitete sich seitdem aus. Wie die Senatsverwaltung jetzt mitteilte, in einem 250 Meter breiten Streifen bis zur Christburger Straße. Seit 2004 sei allerdings keine Ausbreitung mehr zu beobachten.

 

Ein Mittelstreifen ist frei von Verschmutzung

 

Andreas Otto zielte mit seiner Anfrage vor allem auf die Sicherheit von Trinkwasserquellen in dem Gebiet, „zum Beispiel auf öffentliche Brunnen“, wie er auf Anfrage erklärte. Die Senatsverwaltung erklärte dazu, dass seit 2004 „Schadstoffbefrachtetes Grundwasser fortlaufend durch eine Pump-and-Treat-Maßnahme gefördert und in einer Grundwasseraufbereitungsanlage gereinigt“ werde. „Die Planungen sehen eine kontinuierliche Fortsetzung der Grundwassersanierung vor.“ Zusammengefasst: „Das Schutzgut Mensch wird durch die nachgewiesenen Belastungen über keinen der zu beurteilenden Wirkungspfade (Boden-Mensch, Grundwasser-Mensch) gefährdet. Private und öffentliche Grundwasserentnahmestellen in Richtung der Schadstofffahnenausbreitung sind dem Senat nicht bekannt.“

Gegenüber dieser Zeitung konkretisierte die Senatsverwaltung nun die Angaben. So sei das Gebiet südlich der S-Bahn-Trasse zwischen Greifswalder Straße, Danziger Straße sowie Ella-Kay-Straße betroffen, außerdem jenes südlich der S-Bahn-Trasse zwischen Diesterwegstraße und Prenzlauer Allee. Demnach wäre der gesamte Thälmann-Park kontaminiert, bis auf einen Mittelstreifen: Hier befinden sich das Vivantes-Klinikum und die Kita „Prenzlberger Schwalbennest“. Im gesamtem Gebiet gelte, so die Senatsverwaltung in der Antwort auf die kleine Anfrage, dass „die bisher durchgeführten Maßnahmen zur Sicherung des Standortes unter Berücksichtigung des Schadenumfangs, der Gefährdungssituation und der Verhältnismäßigkeit ausreichend“ seien. 

 

Belastung in „größerer Tiefe“

 

Andreas Otto lässt die Antwort etwas ratlos zurück. „Ich habe nicht den Eindruck, dass man das so richtig ernst nimmt“, sagt er. „Ich hätte gerne mal gehört, welche Perspektive es gibt, diese Schadstoffe endgültig zu beseitigen.“ Nachdem in den 90er-Jahren komplette Spielplätze ausgehoben wurden, um die Bodenluft zu sanieren, stellt sich weiterhin die Frage, wie es um die zahlreichen Spielplätze der Kitas und Schulen in dem Bereich bestellt ist und um den Teich im Thälmann-Park? Die Senatsverwaltung erklärte auf Nachfrage, es gebe kein Risiko: Die  „Belastungen befinden sich in größerer Tiefe und eine Gefährdung der Bewohner ist ausgeschlossen“. Auch Baumaßnahmen seien möglich, wenngleich mit Einschränkungen. „Im Einzelfall sind je nach Umfang zusätzliche Maßnahmen zur Gefahrenabwehr zu prüfen.“

Stadtrat Kirchner jedenfalls will das bei den in den kommenden Wochen rausgehenden Ausschreibungen für Voruntersuchungen zur Neu-Erschließung des Thälmann-Areals – bei der voraussichtlich keine Bebauung beschlossen wird, abgesehen vom Güterbahnhof Greifswalder Straße – berücksichtigen. Auch wenn er das Problem nur politisch, und nicht wissenschaftlich beurteilen könne, ist Kirchner „unwohl“, geht es um die Altbelastung des Gebiets. Allerdings gehe er, ebenso wie der Senat, nicht „von einer massiven Belastung“ aus.

 

 

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