Auf sie mit Gebrüll

von Thomas Trappe 14. September 2012

Es gibt konstruktive Kritiker der Mauerparkerweiterung. Und es gibt die topfschlagenden Krawallmacher. Letztere sind der Garant dafür, dass die Bebauung kommen kann.

Das unvermeidbare Ende der Lächerlichkeit: Schuhe. Die gestrige Sitzung der Bezirksverordneteversammlung (BVV) Mitte wäre für einen Karikaturisten die Hölle gewesen. Ein Karikaturist ist dafür da, die Realität zu überspitzen und zur Kenntlichkeit zu entstellen – was also soll er tun, wenn die Protagonisten so handeln, dass man es unmöglich überspitzen kann, ohne am Ende eine Groteske anbieten zu müssen? Was soll man tun, wenn ein Wortführer radikaler Mauerparkerweiterungsgegner an den Pressetisch kommt und sagt: „Kommen Sie gleich vor das Haus, dort werden wir die Schuhe zeigen.“ Man weiß es nicht. Den Schuh zu zeigen, damit machten Menschen vor nicht allzu langer Zeit in Arabien darauf aufmerksam, dass sie sich nicht mehr länger in lebensgefährlichen Diktaturen leben wollen. Und nun der Schuh vor der BVV Mitte. Damit machten die Demonstranten ihrem Unmut Luft, dass im Mauerpark Wohnungen gebaut werden sollen.

Proteste gegen die Erweiterung und teilweise Bebauung des Mauerparks gibt es schon lange. Sie sind berechtigt, egal welche Position man zur Bebauung einnimmt. Es ist richtig, dass Menschen dafür eintreten, dass sie eine riesige Freizeitfläche in der Mitte der Stadt erhalten wollen. Genauso wie es richtig ist, Achtung, das wird jetzt hart, dass Menschen dafür eintreten, dass auf dieser riesigen innerstädtischen Freifläche Wohnungen gebaut werden, um der absehbaren Wohnungsnot in Berlin zu begegnen. Beide Sätze zusammengefügt sind kein Widerspruch, sondern demokratische Selbstverständlichkeit. Zu der gehört es nämlich, zumindest die Möglichkeit anzuerkennen, dass Menschen mit anderen Auffassungen auch Recht haben könnten. Man muss Ihnen nicht zustimmen, aber man kann sie auch nicht verteufeln. Maßgebliche Gegner der jetzigen Mauerparkerweiterungspläne haben diese Einstellung glücklicherweise verinnerlicht. Chancen, dass ihre Kompromissideen Gehör finden, gibt es kaum – wegen der Radikalen, die ihre Proteste vereinnahmt haben.

 

Billige populistische Tricks

 

Die Episode mit den Schuhen ist eine, die man als Beobachter zumindest noch lustig, im Sinne von lächerlich, finden kann. Auch über das Gekreische in wirklich jeder Ausschuss- oder BVV-Sitzung kann man lachen, über die Vorschläge, die U55 nicht weiter zu bauen, um mit dem Geld den Mauerpark zu finanzieren, die Idee, in Berlin Baustellenzufahrten durch Wohngebiete zu untersagen oder Gelder aus der Euro-Rettung doch lieber in den Mauerpark zu stecken. Sogar über das konsequente Bebuhen jeder auch nur halbwegs kritischen Äußerung von Kommunalpolitikern, selbst wenn diese nur erwähnen, dass Geldfragen nun mal relevante Fragen sind, kann man hinwegsehen. Nicht hinwegsehen kann man aber darüber, wenn Demonstranten ihre Kinder instrumentalisieren, um die Schlagkraft ihrer Argumente zu erhöhen.

Es scheint in der Matrix des radikalen Mauerparkprotests zu liegen: Kinder gehen immer. Bei jeder Sitzung sind sie es, die die Plakate halten, sie sind es, die wenn möglich ans Mikro geschickt werden, um mit zittriger Stimme die von ihren Erziehungsberechtigten verfassten Statements zu verlesen. Gestern war es gleich ein Dutzend Kinder, die dem Vorsitzenden der BVV Mitte eine Unterschriftenliste übergeben musste. Sicher, sie tun es freiwillig, ihre Eltern werden ja nichts Ungutes von Ihnen verlangen. Das ist Kinderlogik. Erwachsene sollten merken, dass hier Schutzbefohlene für einen billigen populistischen Trick eingespannt werden. Es verwundert kaum, dass der sichtlich indignierte BVV-Vorsteher an die Eltern appellierte, ihre Erziehungsfunktion zu reflektieren. Es verwundert noch weniger, dass seine Worte im Lärm der gekränkten Eltern unterging. Die Kinder sagten wenig, sie wissen ja sowieso nicht, was hier genau vorgeht. 

Und nun? Das Bezirksamt Mitte wird mit seiner wahrlich kritikwürdigen Mauerparkwurschtelei weitermachen. Die radikalen Protestierer werden weiter zu sehen sein. Ihre Schuhe, ihre Kinder, ihre Bärenkostüme. Es wird weiter vom Tag des jüngsten Gerichts die Rede sein, von der BVV-Junta, vom Putsch. Den verantwortlichen Kommunalpolitikern kann nichts Besseres passieren – wer wollte am Ende abstreiten, dass man mit solchen Leuten keinen Kompromiss erzielen kann? Das Nachsehen haben die vielen, die wirklich ein Interesse am einem Mauerpark mit Zukunft haben.

 

 

NEWSLETTER: Damit unsere Leserinnen und Leser auf dem Laufenden bleiben, gibt es unseren wöchentlichen Newsletter. Folgen Sie uns und melden Sie sich hier an!

Das könnte Dich auch interessieren

Hinterlasse einen Kommentar