Aus Angst vor sexueller Gewalt gegen Kinder sollen Ehrenamtliche rigider kontrolliert werden, fordern Bezirkspolitiker. Kritiker fürchten, dass so Engagierte verprellt werden.
Dass die ehrenamtlichen Stellen der Patientenfürsprecher an Kliniken des Bezirks in diesem Jahr relativ reibungslos besetzt werden konnten, war ein großes Glück. Wie immer hatten es die Anforderungen, die in der Ausschreibung formuliert wurden, in sich. Patientenfürsprecher sollen „Wünsche, Beschwerden und Kritik von Patienten über die medizinische, pflegerische und sonstige Versorgung im Krankenhaus aufnehmen und gegenüber der Klinik kommunizieren“. Sie sollten engagiert sein, „Verhandlungsgeschick, Einfühlungsvermögen, selbstbewusstes und ein konfliktfähiges Auftreten“ haben, „aktiv auf Patienten zugehen und Beschwerdewege kennen“. Bereitschaft zur Fortbildung, regelmäßige Anwesenheit und die Durchführung einer wöchentlichen Sprechstunde im Krankenhaus wurde erwartet, interkulturelle Kompetenzen und Fremdsprachenkenntnisse erwünscht. Ein Stellenprofil, das kaum nebenberuflich zu bewältigen ist. Und so wundert es kaum, dass nur mühsam Bewerber gefunden wurden – fast alle im Rentenalter.
Patientenfürsprecher sind in den Kliniken des Bezirks tätig, unter anderem auch im Vivantes-Klinikum in der Fröbelstraße, entschädigt werden sie mit einer Aufwandspauschale. Und geht es nach den Plänen der CDU-Fraktion in der Pankower Bezirksverordnetenversammlung (BVV), werden Pankower, die sich künftig als Patientenfürsprecher bewerben, auch ein erweitertes Führungszeugnis der Polizei vorlegen müssen, mit dem sie nachweisen, dass sie keine Gefahr für Minderjährige darstellen. Auch die für Soziales zuständige Bezirksstadträtin Lioba Zürn-Kasztantowicz (SPD) erklärte jetzt, dass „man sich ernsthaft mit dieser Idee beschäftigen“ müsse. Eine Idee, die wohl sämtliche Ehrenamtliche im Bezirk, wie auch im sozialen und pflegerischen Bereich Berufstätige, betreffen würde.
Angst vor sexuellem Missbrauch
Denn im CDU-Antrag – er wurde in der jüngsten BVV-Sitzung in den Ausschuss für Soziales zur Diskussion verwiesen –, geht es nicht nur um Patientenfürsprecher. So solle sich das Bezirksamt bei sämtlichen zuständigen Stellen dafür einzusetzen, dass bei der „Einstellung von Kranken-, Pflege- und Betreuungspersonal, einschließlich ehrenamtlich Tätigen, deren Tätigkeit sich auch auf die Arbeit mit Minderjährigen erstrecken kann, ein erweitertes Führungszeugnis einzuholen und alle zwei Jahre zu erneuern ist“. Menschen, die bereits in diesen Bereichen tätig sind, sollen einen entsprechenden Nachweis „unverzüglich“ nachreichen.
Begründet wird die Forderung mit der Angst vor sexuellem Missbrauch. In „den letzten Monaten bekanntgewordene Fälle“ zeigten, dass „der Schutz von Minderjährigen gegenüber Sexualtätern in Krankenhäusern und Pflegeeinrichtungen nicht immer im notwendigen Umfang gegeben“ sei. Welche Fälle genau gemeint seien, wird im Antrag nicht erwähnt, die Autoren waren für Nachfragen nicht zu erreichen. Stadträtin Zürn-Kasztantowicz vermutet, dass auf einen Pfleger angespielt wird, der 2010 in einer Klinik in Buch Kinder sexuell missbrauchte und inzwischen zu einer Gefängnisstrafe verurteilt wurde.
Zwar gebe es auch heute schon die Möglichkeit, Führungszeugnisse zu verlangen, wird im Antrag eingeräumt. „Jedoch wird davon bei Weitem nicht in ausreichendem Umfang Gebrauch gemacht, außerdem bestehen bei den Bürgerämtern Unklarheiten darüber, welcher Personenkreis unter die gesetzliche Regelung fällt.“
Faktisch keine Ausnahmen
Juliane Erler von der Freiwilligenagentur Pankow sieht den Vorstoß skeptisch. Ihre Organisation vermittelt Bürger, die sich ehrenamtlich engagieren wollen, an entsprechende Organisationen. Das Abfragen eines Führungszeugnisses, wenn es um Stellen in der Kinder- und Jugendarbeit geht, sei sowieso schon üblich, „und das finde ich auch richtig“. Allerdings führe es zu weit, auch all jene Freiwillige einzubeziehen, die eventuell mal mit Minderjährigen in Kontakt kommen könnten, wie es im Antrag formuliert ist. „Faktisch hieße das, dass wirklich jeder ein Zeugnis abgeben muss. Selbst, wenn man in der Bibliothek ehrenamtlich arbeitet, kann man ja Kindern begegnen“, sagt Juliane Erler.
Wer will noch ehrenamtlich arbeiten, wenn er zuvor belegen muss, dass er sich noch nicht an Kindern vergangen hat? Diese Frage stellt sich Stefan Senkel (Grüne), stellvertretender Vorsitzender des Sozialausschusses. „Alleine die Ankündigung einer Abfrage könnte Ehrenamtliche abschrecken“. Auch der Ausschussvorsitzende Axel Bielefeldt (Linke) sieht den Vorstoß der CDU skeptisch und verweist darauf, dass es bereits weitgehende Regelungen zur Prävention sexuellen Missbrauchs gebe.
Stadträtin Zürn-Kasztantowicz verweist zwar ebenfalls auf bestehende Regelungen und freiwillige Vereinbarungen, zum Beispiel bei Sportvereinen – dass dies aber schon die Möglichkeiten erschöpft, die es im Kampf gegen sexuellen Missbrauch gebe, sagt sie nicht. Sie sei durchaus bereit, auch von Patientenfürsprechern im Rentenalter, unter anderem, ein Führungszeugnis zu verlangen, sollten die Bezirksverordneten sich dafür aussprechen. „Natürlich muss das aber sensibel kommuniziert werden“, räumt sie ein.
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