Wo kein Wille ist, ist auch kein Weg

von Juliane Schader 14. August 2012

Berlin hat den perfektionierten Dilettantismus erfunden – nicht nur, aber auch beim Thema Bau. „Dieser Ruf muss verteidigt werden!“, meinen die Politiker. Und planen die Erweiterung des Mauerparks. 

Man muss es sich auf der Zunge zergehen lassen: Seit fast zwanzig Jahren beschäftig die mögliche und nötige Erweiterung des Mauerparks den Berliner Senat und die Bezirke Mitte und Pankow. So lange schon wird, mal mehr und mal weniger intensiv, die Zukunft der Gewerbefläche auf der westlichen Seite des heutigen Mauerparks diskutiert. Es werden Bürger befragt, Entwicklungskonzepte geschrieben, Fristen ausgehandelt, Deadlines verschoben – und das alles, damit am Ende ein stadtentwicklungspolitisches wie demokratisches Fiasko herauskommt? Man mag es kaum glauben.

 

Bebauungsdichte wie zur Gründerzeit

 

Nehmen wir zum Beispiel die bauliche Dichte, mit der auf der Fläche nördlich des Gleimtunnels und westlich des Moritzhofes gebaut werden soll: 1,7 ist dort die magische Zahl, mit der die Dichte der Bebauung in der Einheit Geschossflächenzahl (GFZ) angegeben wird. Sie besagt, dass auf dem 35.000 Quadratmeter großen Areal insgesamt 58.000 Quadratmeter Geschossfläche entstehen sollen. Damit wird nicht nur die dort eigentlich erlaubte GFZ um 16.000 Quadratmeter Geschossfläche zu viel gerissen, sondern auch eine Erkenntnis des vergangenen Jahrhunderts völlig ignoriert: Man sollte einfach nicht mehr so dicht bauen wie zur Gründerzeit, als man noch eine GFZ von über 3,0 für angebracht hielt. Das ist viel zu eng, das bringt nur Probleme.

Zum einen erfordert so viel neuer Wohnraum die entsprechende soziale Infrastruktur, etwa in Form von Schulen oder Spielplätzen. Mit Ausnahme einer Alibi-Kita lassen die aktuellen Pläne die Frage der Versorgung völlig offen. Zum anderen drohen Nutzungskonflikte, denn wo viele Menschen auf engem Raum leben, gibt es schnell mal Ärger, wovon nicht nur die Clubbetreiber in Prenzlauer Berg ein Lied singen können. Angesichts der Tatsache, dass ausgerechnet die teuersten Wohnungen des neuen Stadtviertels direkt am Kinderbauernhof und dem Kletterfelsen entstehen sollen, erscheinen Streitigkeiten vorprogrammiert.

 

Mit der Fläche verkauft man auch Einflussmöglichkeiten

 

Oder nehmen wir die Sache mit Mauerparkflohmarkt, Mauersegler und Co. Was einst als Zwischennutzung angedacht war, ist mittlerweile wichtiges Element des bestehenden Mauerparks. Aus diesem Grund ist es gut, diese Institutionen zu erhalten. Doch statt dass, wie Anfang des Jahres angedacht, das Land das Areal erwirbt und in Erbpacht an die Gewerbetreibenden weitervermietet, sollen diese nun die Flächen selbst kaufen. Was kurzfristig zwar öffentliches Geld spart, aber langfristig die Gefahr birgt, dass irgendwann eben kein freundlicher sonntäglicher Flohmarkt den Süden des Mauerparks mehr bereichert, sondern vielleicht ein riesiges Hostel, ein Ballermann-Biergarten oder auch einfach weitere Townhouses. Mit entsprechenden Folgen für die Umgebung.

Oder nehmen wir die Art und Weise, wie ein mehrjähriger Prozess der Bürgerbeteiligung einfach so vom Tisch gewischt wird, weil deren Ergebnis nicht den Erwartungen entspricht. Oder den Umstand, wie das Bezirksamt Mitte einen Beschluss der eigenen Bezirksverordnetenversammlung (BVV) einfach so kommentarlos in der Versenkung verschwinden lässt. Oder die Tatsache, dass eine Großbaustelle genehmigt werden soll, ohne deren Zufahrt vorher genau zu klären. So viele Absonderlichkeiten, so viele offene Fragen – und dennoch wollen Bezirk Mitte und Senat den Sack nun schnell zumachen, damit sie nur nicht die 2,3 Millionen Euro an die Allianz Umweltstiftung zurückzahlen müssen.

 

Was das Land bezahlen kann und was das Land bezahlen will

 

Überhaupt, die Rückzahlung an die Stiftung. Seit Mitte der 1990er ist bekannt, dass diese ihr Geld zurückhaben will, wird der heute acht Hektar große Mauerpark nicht auf zehn Hektar vergrößert. Jahrelang hat der Senat die gesetzte Deadline ignoriert, dann noch einmal aufgeschoben, und nun nutzt er sie als Druckmittel, um die Kritiker der Riesen-Bebauung mundtot zu machen. „Wir können es uns nicht leisten, aus eigener Tasche den Ankauf von Fläche zu finanzieren“, lautet das Argument der Politiker. Die auf der anderen Seite keine Scheu haben, der CA Immo 1,3 Millionen Euro als Schadenersatz direkt zu versprechen und mehrere Millionen Euro für den Fall, dass der nun ausgehandelte Deal letztendlich doch platzt.

Ganz recht, man ist sich nicht sicher, ob dort totale Dilettanten am Werk sind oder man nicht doch Zeuge eines neuen Kapitels Berliner Bauskandale wird. Vorteil ist in diesem Fall nur eins: Noch ist nichts unterschrieben. Noch können die schon jetzt aufgeweckten Bürger mobil machen gegen die Pläne des Senats. Noch können die Bezirksverordneten von Mitte sich trotz Fraktionszwangs entschließen, am 23. August gegen die Pläne des Bezirksamts zu stimmen. Und noch kann sich auch der Senat überlegen, ob er sich wirklich diese Blöße geben möchte, oder ob es nicht doch besser ist, jetzt zu investieren anstatt später Millionen von Schulden zu ernten, und jede Menge Spott.

Für zwei Hektar Fläche im Süden verlangt die CA Immo zwei Millionen Euro, das erfahren derzeit die Gewerbetreibenden. Mit einer Investition dieser Größenordnung wäre die Allianz Umweltstiftung zufriedengestellt und der Druck aus der Sache raus. Es könnte so leicht sein. Wenn man denn will. 

 

 

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