Baustelle #19

von Ute Zauft 9. August 2012

Und was machst Du so? In unserer Interview-Reihe schauen wir den Arbeitern der Gegenwart kurz über die Schulter. Heute dem studierten Kfz-Techniker Ingo Michaelis, 48, in der Storkower Str. 123.

Woran arbeiten Sie da gerade?

Wir wechseln bei dem Opel Astra gerade ein Federbein aus, weil es verschlissen ist, und das Auto so nicht durch die Hauptuntersuchung kommen würde. Das Federbein ist dafür zuständig, das Rad auf die Straße zu drücken, und wenn es verschlissen ist, verlängert sich der Bremsweg. Dieses Federbein ersetzen wir nun durch ein gebrauchtes aus einem baugleichen Auto. Wir sind eine Autoverwertung mit typenoffener Werkstatt. Das heißt, wir nehmen Autos an, die verschrottet werden sollen, holen uns die verwertbaren Teile raus und bauen sie in diejenigen Autos ein, die zu uns in die Werkstatt kommen. Es gibt sogar ein Schlagwort dafür: zeitwertgerechte Reparatur. Der Gedanke dahinter: Warum soll ich in ein zehn Jahre altes Auto eine nagelneue Autotür einbauen, wenn eine gebrauchte auch funktionieren würde.

 

Und für wen machen Sie das?

Natürlich für unsere Kunden. Zu uns kommen vor allem diejenigen, für die das Auto ein Gebrauchsgegenstand ist. Handwerker zum Beispiel sind auf ihr Auto angewiesen, aber eine kleine Macke oder eine Beule machen ihnen meist nichts aus. Und nicht alle haben das Geld, um vor der Hauptuntersuchung eine eventuell lange Mängelliste mit teuren neuen Teilen abzuarbeiten. Menschen, die ein neues Auto kaufen, weil der Aschenbecher voll ist, kommen natürlich nicht zu uns, um sich gebrauchte Ersatzteile einbauen zu lassen. (lacht)

 

Wann soll es fertig sein?

Zum nächsten TÜV-Termin. Die Termine für die Hauptuntersuchung sind bei uns immer am Dienstag und am Donnerstag. Heute ist Dienstag, also bis übermorgen.

 

Irgendwelche Schwierigkeiten?

Die größte Herausforderung ist für uns immer die Verfügbarkeit der Ersatzteile. Wenn ich gebrauchte Ersatzteile einbauen möchte, muss ich natürlich gebrauchte Autos hier haben. Wir haben praktisch zwei Lager. Erstens stapeln wir die Autos, die Kunden bei uns verschrotten lassen, bei uns im Hof – natürlich erst nachdem wir vorher alle umweltgefährdenden Flüssigkeiten entnommen haben. Wenn dann ein Auto zur Reparatur kommt, suchen wir nach dem passenden Ersatzteil. Im zweiten Schritt holen wir dann aus den Schrott-Autos noch all das raus, von dem wir hoffen, das es sich irgendwann verwenden lässt und lagern es genau beschriftet in unserem Lager. Dort haben wir Lichtmaschinen, Kurbelwellen, Teile von Klimaanlagen, alles. Erst die Rest-Karosserie kommt dann in die Schredderanlage. 

Falls sich keine gebrauchtes Ersatzteil finden lässt oder falls gewünscht, können wir natürlich auch neue Teile vom Original- oder vom Zweithersteller besorgen und einbauen.

 

Worauf freuen Sie sich am meisten, wenn es fertig ist?

Wenn der Kunde sich freut und sagt: Mensch, schön, dass Sie das wieder hingekriegt haben!

 

KURZBIOGRAFIE: Ingo Michaelis (Jahrgang 1964) ist geborener Berliner und hat 2006 den Auto-Dienst Süd GmbH als Inhaber und Geschäftsführer übernommen. Bereits 1982 hatte der heute 48-Jährige seine Ausbildung zum Kfz-Schlosser abgeschlossen, nach seiner Armee-Zeit verschlug es ihn dann aber zur Flugsicherung nach Schönefeld. Nach einiger Zeit im Tower kam er schließlich zur Datenverarbeitung – ein „Bürojob, der ihm keinen Spaß machte“. Also überlegte er sich, was er noch kann („Autos fahren und reparieren“) und studierte parallel zur Arbeit per Fernstudium Kfz-Techniker. Mit ihm arbeiten in seiner Firma heute zwei Schlosser und eine Buchhalterin (die seine Tochter ist). In Prenzlauer Berg ist er mit seiner Werkstatt erst seit 2010, nachdem er seinen Standort in Treptow wegen der geplanten Stadtautobahn aufgeben musste. Als er sich bei der damaligen Standortsuche die Unterlagen für seine jetzige Halle in der Storkower Straße zeigen ließ, musste er grinsen: Denn genau hier hatte er zu Schulzeiten einmal seinen UTP (Unterrichtstag in der sozialistischen Produktion) absolviert. Damals wurden in den Hallen noch Spezialpumpen und Kopfstützen für den Trabant hergestellt, hier hatte er als Schüler einer nahegelegenen Schule also bereits in jungen Jahren Hand an Autoteile gelegt.

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