Chaostage im Bürgeramt

von Juliane Schader 13. Juli 2012

Pässe für Kinder, ablaufende Parkausweise und ein Volksbegehren legen Pankows Bürgerämter lahm. Trotzdem ziehen sie Berlinern aus allen Bezirken an – weil sie ein Herz für Pass-Verlierer haben.

Im Bürgeramt in der Fröbelstraße sind an diesem Donnerstag um kurz vor eins die Wartenummern längst ausgegangen. Dabei hat das Amt erst vor zwei Stunden geöffnet, bis 18 Uhr ist hier heute Betrieb. Dass im Sommer ein besonders großer Andrang auf ein ferienbedingt ausgedünntes Personal trifft, ist man hier eigentlich gewöhnt. Doch in diesem Jahr ist alles noch ein bisschen schlimmer.

Der zuständige Stadtrat Torsten Kühne von der CDU muss erstmal tief Luft holen, bevor er aufzuzählen beginnt, was sein Bürgeramt in diesem Sommer alles auszuhalten hat. „Die chronische personelle Unterausstattung ist ja bekannt“, sagt er. 65 Mitarbeiter sind an den vier Standorten des Amtes im Bezirk für 370.000 Menschen zuständig – absolutes Minimum, meint Kühne. Doch einsatzbereit sind längst nicht alle, etwa jeder Fünfte ist derzeit krank, hinzu kommt die Urlaubszeit. Und dann sind es nicht nur Pankower, die sich im Amt ummelden wollen oder einen Parkausweis benötigen, sondern auch viele Berliner aus anderen Bezirken.

 

Jeder zweite Besucher kommt aus einem anderen Bezirk

 

Eigentlich sollen in jedem Bürgeramt nicht mehr als 70 Prozent der Kapazitäten durch vorher vereinbarte Termine ausgelastet werden, damit auch Laufkundschaft die Chance bekommt, kurzfristig einen neuen Pass zu beantragen. Laut Kühne halten sich aber Mitte, Friedrichshain-Kreuzberg oder Reinickendorf nicht an dieser Verabredung, sodass der geplagte Bürger gerne nach Pankow kommt, wo man auch ohne Termin im Amt versorgt wird. „Das Bürgeramt an der Fröbelstraße ist aufgrund seiner Lage direkt am S-Bahn-Ring auch aus Neukölln bequem in einer halben Stunde zu erreichen“, meint der Stadtrat. Da sei es nicht verwunderlich, dass hier der Andrang besonders hoch und sechs Stunden Wartezeit nichts Außergewöhnliches seien. Jeder zweite Besucher komme aus einem anderen Bezirk, schätzen Kühnes Mitarbeiter.

Dabei liefern schon die Pankower derzeit ausreichend Arbeit: Seit Ende Juni können Kinder nicht mehr auf dem Reisepass der Eltern mitreisen, sondern brauchen ein eigenes Dokument. „Hier haben sich die Antragszahlen verdreifacht“, sagt Kühne. Hinzu kommt, dass zwei Jahre nach der Einführung der Parkraumbewirtschaftung im Bezirk viele Autobesitzer genau jetzt eine neue Parkvignette beantragen. Darüber hinaus ist da noch das Bürgerbegehren „Neue Energie für Berlin“, dessen Unterschriften ausgezählt werden müssen, weshalb das Amt an diesem Freitag und dem kommenden Montag für Spontanbesucher geschlossen bleiben muss. „Erst vor zwei Wochen hat der Senat uns informiert, dass das auch noch auf uns zukommt“, so Kühne. Und dann ist personell bis heute ausgeglichen worden, dass die Beantragung des neuen, im November 2010 eingeführten Personalausweises mehr Zeit in Anspruch nimmt als die des alten. Elf Minuten dauert laut Kühne jeder Antrag jetzt länger, was sich in gefragten Ämtern wie in Pankow durchaus bemerkbar mache: „In Spitzenzeiten werden in der Fröbelstraße 1000 Kunden pro Tag bedient.“

 

Ab August gibt es wieder freie Termine

 

Einen schlechteren Zeitpunkt, seinen Personalausweis zu verlieren oder erst zwei Tage vor Abreise in den Urlaub zu bemerken, dass der Pass nicht mehr gültig ist, kann man sich also nicht vorstellen. Wer dennoch dringend einen Besuch beim Bürgeramt machen muss, dem empfiehlt Torsten Kühne mit Arbeitsbeginn den Standort des Bürgeramtes in Weißensee aufzusuchen. Aufgrund der etwas abgelegenen Lage in der Berliner Allee hat man dort noch die Chance auf eine Wartenummer. Alle, die es nicht so eilig haben, sollten frühzeitig einen Termin vereinbaren – in der Fröbelstraße ist etwa ab dem 3. August wieder etwas frei. Ansonsten bleibt nur die Berliner Tugend des sturen Aussitzens. Betroffene mit dem Ziel Bürgeramt Fröbelstraße sollten sich aber lieber einen Klappstuhl mitbringen: Am Donnerstagmittag waren nicht nur die Wartenummern längst aus, sondern auch die Sitzgelegenheiten. 

 

 

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