Das Areal um den Ernst-Thälmann-Park ist die letzte große Fläche, die in Prenzlauer Berg gestaltet werden kann. Wohnraum soll hier entstehen – doch für wen? Noch haben Bezirk und Land die Möglichkeit, Einfluss zu nehmen.
Das Problem beginnt schon beim Namen. Was der Bötzowkiez, der Helmholtzkiez oder das Gleimviertel sind, das wissen die Prenzlauer Berger. Doch für das Areal, das zwischen Prenzlauer Allee, Danziger und Greifswalder Straße und S-Bahn-Ring liegt, fehlt der richtige Begriff. Ernst-Thälmann-Park muss man es wohl nennen, obwohl es viel größer ist als die gleichnamige Wohnsiedlung, die die DDR-Führung in den 1980er Jahren auf dem Gelände eines ehemaligen Gaswerks errichten ließ. Für viele ist das Gebiet eine Terra Incognita, die sie höchstens betreten, wenn Sie im Bürgeramt in der Fröbelstraße einen Pass beantragen müssen oder die Kinder in der Schwimmhalle ihr Seepferdchen machen.
Doch das könnte sich bald ändern. Denn auf dem Areal stehen große Veränderungen an. Ob im Norden, wo ein Investor auf dem Grundstück des ehemaligen Güterbahnhofs Greifswalder Straße ein komplett neues Stadtviertel mit mehr als 300 Wohnungen errichten will, oder an der Fröbelstraße, wo sich Pankow gerade von seinem Bezirksamt trennt: Die Nutzung der Fläche wird sich ändern. Den Bezirk stellt das vor große Herausforderungen.
Alte Fehler dürfen nicht nochmal passieren
Brachen oder Bürokomplexe, die bisher abends und am Wochenende völlig verwaist darliegen, brauchen keine Schulen, keine Spielplätze und auch keine Altenheime. Schon jetzt ist die soziale Infrastruktur im dicht besiedelten Prenzlauer Berg am Limit. Kommt nun Wohnraum in größeren Mengen dazu, muss entsprechend nachgezogen werden. Ein Bezirk wie Pankow, der freiwillig zwölf Hektar bebautes Grundstück abgibt, weil ihm elf Millionen Euro für die Sanierung fehlen, wird das nicht finanzieren können.
Darüber hinaus gilt es hier, beim letzten wirklich großen Entwicklungskomplex in Prenzlauer Berg, nicht die Fehler zu wiederholen, die bei den Sanierungen in anderen Kiezen gemacht wurden. Zwar sind dort die Häuserfassaden nun schön hergerichtet, die Straßen gemacht und der Geruch der Kohleöfen ist endgültig verbannt. Aber die soziale Mischung konnte nicht so erhalten werden, wie ursprünglich geplant. Die „behutsame Stadterneuerung“, von der man Anfang der 1990er sprach, hat sich zur gepflegten Gentrifizierung gemausert. Im Gebiet um den Thälmann-Park bietet sich nun Bezirk und Land die Chance, es besser zu machen.
Natürlich ist die Ausgangslage dabei eine andere, schließlich handelt es sich hier nicht um ruinöse Altbauquartiere, sondern um Verwaltungsgebäude, Brachen und einen sozialistischen Wohnpark. Doch wenn etwa in die denkmalgeschützen Backsteinbauten des heutigen Bezirksamts teure Lofts kommen und wenn am S-Bahn-Ring Stadtvillen entstehen, dann wird nicht nur die letzte Chance auf Schaffung bezahlbaren Wohnraums in Prenzlauer Berg verschenkt. Sondern es wird auch Folgen für den eigentlichen Thälmann-Park haben.
Ziehen Hipster in die Platte?
Bislang ist der Park, in dessen Hochhäusern etwa 4000 Menschen leben, ein Rückzugsort für jene, die sich am Kollwitzplatz weder die Miete leisten können noch wohl fühlen. Nach Angaben der Gewobag lebt in jeder vierten Wohnung noch der gleiche Mieter wie vor der Wende. Hinzu kommen weitere Alteingesessene, die innerhalb des Komplexes umgezogen sind – zum Beispiel in kleinere Wohnungen, sobald die Kinder aus dem Haus waren. Während etwa im Helmholtzkiez seit der Wende 80 Prozent der Bevölkerung wechselten, ist im Thälmann-Park vieles beim Alten geblieben. Hier gibt es sie noch, die bezahlbaren Nettokaltmieten, die im Durchschnitt einen Euro unter denen anderer Kieze liegen.
Doch wie wird es werden, wenn im Umfeld des Parks teure Neubauten entstehen, für die die Prenzlauer Bögen an der Fröbelstraße, Ecke Ella-Kay-Straße, bereits einen Vorgeschmack bieten? Was ist, wenn der letzte Altbau zu teuer geworden ist und die Hipster sich für die Plattenbauten zu begeistern beginnen, wie es an der Karl-Marx-Allee längst geschehen ist? Wird sich die Gewobag als städtische Wohnungsbaugesellschaft dann mögliche Gewinne entgehen lassen, zugunsten des Erhalts von Wohnungen, die sich auch Menschen mit geringem Einkommen noch leisten können? Zumal die Häuser in den kommenden Jahren saniert werden sollen.
Gemeinsamer Kurs, noch zu suchen
In der Entwicklung des Areals um den Thälmann-Park stecken Chancen und Gefahren zugleich. Schließlich ist neuer Wohnraum in Prenzlauer Berg nötig, nur darf er eben nicht nur einer Schicht mit Managergehältern vorbehalten sein. Hier gilt es, die Wahlversprechen für bezahlbare Mieten und Erhalt der sozialen Mischung, die einst so typisch für Berlin war, einzuhalten. Nirgendwo sonst ist es für die Berliner Politik so einfach, Einfluss zu nehmen, denn der Großteil der Flächen gehört Bezirk, Land und landeseigenen Unternehmen wie der Gewobag und Vivantes. Aber sie müssen in ein Boot und einen gemeinsamen Kurs verfolgen. Den festzulegen ist die Aufgabe für die kommenden Monate.
Zumindest der Bezirk hat den Handlungsbedarf erkannt und will nun ein Konzept erarbeiten, welches die Weichen für eine sozial verträgliche Entwicklung des Gebietes stellen soll. Doch seine Idee, das komplette Areal zum Sanierungsgebiet zu erklären und es als solches einheitlich zu entwickeln, wird nicht funktionieren. Denn nachdem erst im vergangenen Jahr sieben neue Sanierungsgebiete deklariert worden seien, fehle für Förderungen darüber hinaus bis auf Weiteres das Geld, heißt es vom Senat. Also müssen alle Beteiligten nach Alternativen zu suchen, bevor der Immobilienmarkt den Takt für die Entwicklung vorgibt. Noch ist dafür Zeit.
Und das sind die Baustellen, mit denen sich die Verwaltung auseinandersetzen muss:
Zeiss-Großplanetarium
Das Planetarium, das in diesem Jahr 25. Geburtstag feiert, soll umfassend saniert werden. Neben der Anpassung des Brandschutzes an heutige Normen gehört dazu eine Erneuerung der gesamten Technik wie des Sternenprojektors oder der Produktionskuppel. Im kommenden Sommer soll es losgehen: Mindestens ein Jahr lang bleibt das Planetarium geschlossen. Die Kosten, etwa 12,5 Millionen Euro, trägt das Land.
Bezirksamt Fröbelstraße
Das zwölf Hektar große Areal des Bezirksamts an der Fröbelstraße soll im Sommer an den Landes-Liegenschaftsfonds übergeben werden. Ein Haus will das Amt behalten, um dort unter anderem das Bürgeramt unterzubringen. Durch die Übertragung will der Bezirk etwa elf Millionen Euro an Sanierungskosten sparen. Der Liegenschaftsfonds soll das Gelände langfristig in Erbbaupacht vergeben. So könnte dort bezahlbarer Wohnraum entstehen.
Vivantes-Krankenhaus Prenzlauer Berg
Vor vier Jahren beschloss Vivantes, den Standort Fröbelstraße einzusparen und die 150 Betten ins Klinikum am Friedrichshain zu verlegen. Aus Gründen, die Vivantes nicht erläutert, kam es bisher nicht zum Umzug, für den am Friedrichshain noch neu gebaut werden muss. Aktueller Stand: 2015 soll das Krankenhaus schließen. Wenn es nach Vivantes geht, soll es am Standort aber weiterhin medizinische Angebote, etwa in einem Ärztehaus, geben.
Ehemaliges Krankenhausgelände
Das Gelände an der Ecke Danziger Straße/Prenzlauer Allee wurde vor Jahren von Vivantes an eine Tochtergesellschaft verkauft. Geplant sind seniorengerechte Wohnungen.
Kulturareal Ernst-Thälmann-Park
Das Kulturareal Ernst-Thälmann-Park, zu dem das Theater unterm Dach, die Wabe und die Galerie Parterre gehören, soll vom Bezirk an die Gesellschaft für Stadtentwicklung (GSE), einen gemeinnützigen Treuhänder des Landes, übergeben werden. Die Verhandlungen laufen. Durch die Übertragung will der Bezirk jährlich 100.000 Euro Betriebskosten sparen. Zudem soll die GSE die Kosten für die notwendige Sanierung von acht Millionen Euro übernehmen.
Güterbahnhof Greifswalder Straße
Gerne hätte der Bezirk das Bahngelände gekauft, wenn denn das Geld da gewesen wäre. Nun sicherte sich der Investor Christian GérÔme das Gelände. Er hat große Pläne. Townhouses sollen gebaut werden, außerdem ein Hoch- und mehrere Terrassenhäuser. Keine Luxusanlage, versichert GérÔme dieser Zeitung: Mit acht Euro Quadratmeter-Kaltmiete sei man dabei. Die rund 300 Wohnungen seien damit ideal für Familien.
Ernst-Thälmann-Denkmal
Vor 26 Jahren wurde das Ernst-Thälmann-Denkmal am Eingang des gleichnamigen Parks errichtet. Heute leidet der tonnenschwere Thälmann unter Vermüllung und Graffiti. Trotz Diskussionen um den Namensgeber sind sich die Parteien in einem einig: Das Thälmann-Denkmal bleibt stehen.
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