Im „Kookaburra“ waren schon alle, von Kurt Krömer bis Mirja Boes. Der Gründer des Comedy-Clubs kommt aus Indien und lädt einmal im Monat in den „Immigrantenstadl“ ein.
Erinnert sich noch jemand an Jürgen Rüttgers’ Spruch „Kinder statt Inder“ aus dem Jahr 2000? Der CDU-Spitzenkandidat für die Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen lehnte damals Gerhard Schröders Green-Card-Initiative ab mit den Worten: „Statt sich um die Integration der hier lebenden Ausländer zu kümmern, sollen jetzt noch Hindus hinzukommen“. Das fand damals nicht jeder lustig.
Seitdem sind wir bekanntlich schon viel weiter: Einer der zugereisten Inder, Sanjay Shihora, gründete zwei Jahre später zusammen mit seiner deutschen blonden Ehefrau Svenja das „Kookaburra“, einen der namhaftesten Comedy-Clubs Berlins; wie sich so ein mehr oder weniger verklausuliertes „Ausländer raus“ anfühlt, ahnen inzwischen auch Schwaben; und dass wir auch mal lachend aus uns herausgehen können, lernte die Welt 2006, als sie in Deutschland „zu Gast bei Freunden“ war. Höchste Zeit für ein Update der internationalen Heiterkeitskompetenz des Prenzlauer Bergs.
Keine Angst vor grimassierenden Komiker-Plakaten
Direkt gegenüber des „White Trash“ in der Schönhauser Allee, also im Zonenrandgebiet zwischen Prenzlauer Berg und Mitte, füllt sich der schummrige Raum bis auf den letzten Platz. Es ist ein junges, ethnisch vielfältiges, aus Touristen und Einheimischen geradezu vorbildlich gemischtes Publikum. Um Gast des „Immigrantenstadl“ zu werden, der „Comedy-Show mit Sanjay Shihora & lustigen Einwanderern“, sollte man freilich eine gewisse Kalauer-Unempfindlichkeit mitbringen und darf sich auch nicht von der Flut grimassierender Komiker auf der Webseite des Kookaburra abschrecken lassen. Es treten auf: Freunde des weltweit gut vernetzten Comedians Shihora, die alle irgendwie in Berlin gelandet sind und dank ihres komischen Talents ihre interkulturelle Ratlosigkeit zum Beruf machen konnten.
Shihora weist sich mittels eines auffaltbaren schwarzrotgoldenen Lampions auf dem Kopf eindeutig als Inder aus und improvisiert schon bald über Spätzlefelder in Schwaben. Vor allem ermahnt er erst einmal die etwas chaotisch vor sich hin giggelnde Schulklasse aus Bremerhaven in Sachen Anerkennung der Göttlichkeit des Lehrers (Vorbild Indien) und Wertschätzung eines Schulsystems mit kleinen Klassen (Vorbild Deutschland). Er meint es ernst. „Macht was draus, sonst kommen bald die IT-Spezialisten alle aus Indien.“ Kurz schrecken die Jugendlichen zusammen, frisch eingedippte Tacos verharren für einen Moment lang in der Luft. Doch Shihora fängt die Verunsicherten sogleich mit pubertätskompatiblen Witzen wieder ein: „Was macht ein Mathematiker im Swinger-Club? Er rechnet mit zwei Unbekannten.“ Lachanfälle.
Lachen bildet
Wer Menschen zum Lachen bringt, der bildet sie, findet Shihora. Da sind auch Sparwitze als Schmiermittel erlaubt. Früher war er mal Mathe-Lehrer, erzählt er später, die moderaten Eintrittspreise (zwischen fünf und 12 Euro) rechneten sich schon allein deshalb, weil der Mensch Kultur brauche, um „Moral zu lernen“. Ja, hier hat jemand seinen Gotthold Ephraim „Nathan“ Lessing verstanden, der ja nicht nur die Bühne als Kanzel zum Moralpredigen auffasste, sondern auch – was oft vergessen wird – am witzigsten formulierte, wenn er am zornigsten war.
Shihora lernte sein Handwerk in Paris bei dem Pantomimen Marcel Marceau, im Kookaburra aufzutreten hat Renommée: Von Kurt Krömer über Eckart von Hirschhausen bis Mirja Boes waren alle da. Seinen Club in einem einstigen Bankgebäude wollte er eigentlich „Tresor“ nennen, was aber die Betreiber des Technoclubs verhinderten. Shihora griff zum Wappen-Vogel Kookaburra: Ihm habe gefallen, dass der in Gelächter ausbricht, um sein Revier zu verteidigen.
Hör mir auf mit Comedy
Ähm – was ist das? Besonders schön bei jedem Auftritt im „Immigrantenstadl“ ist dieser erste Moment der Irritation und nach wenigen Sekunden dieses spürbar kollektive Ins-Herz-Schließen: Da führt der soziophobe Nicht-Zauberer Raymond aus den Niederlanden (in orangefarbener Trainingsjacke) wohltuend wortkarg seine magisch misslingenden Tricks vor; Fredy Rutz aus der Schweiz (natürlich mit Nationalflaggen-Shirt) erschreckt durch Lifting-Selbstversuche mit allerlei Gerätschaften, die es zu kaufen gibt auf dieser Welt und mittels derer sich Asiaten ein mehr europäisches und Europäer ein mehr asiatisches Aussehen zulegen können. Bartuschka aus Slowenien bietet zur Erholung klassische Pantomime, und für Rührung sorgt ein junger Sänger mit Engelsstimme namens Vivian. Ein pralles, lichtes, ungeschwätziges Programm.
Jetzt ist da aber eben noch die Sache mit der Abgrenzung. Gerade in ernsthaft kulturinteressierten Kreisen gibt es eine tiefsitzende Abneigung gegen Comedy (Shihora und seine Gäste hoffen übrigens, sich nach gelungener Integration endlich Kabarettisten nennen zu dürfen). Jeder, der schon mal abrupt zu lachen aufhörte, weil er sich dringend von einem unsympathischen Mit-Lacher abgrenzen wollte, dürfte ahnen, dass die oft so geringgeschätzte Kleinkunst direkt ins Zentrum unbewusster sozialer Gesetze trifft und sie, wenn’s gut geht, entlarvt.
Lieber „Schlampe“ als „Integrations-Nutte“
Den schrillsten und denkwürdigsten Auftritt hat deshalb „Ayse aus Kreuzberg“. Wie sie da als leibhaftige Steigerung von „Cindy aus Marzahn“ in Schlabber-Glitzerhose, Trainingsjacke und mit einschüchternder Turmfrisur ihren Macho-Mann gegen ihre Schwester verteidigt, diese „Integrations-Nutte“, zielt zwar eindeutig gegen Vorurteile auf beiden Seiten. Die Schulklasse aber, die offenbar einen Sinn für Komik, aber nicht für Ironie hat, johlt und applaudiert mit größter Begeisterung ausgerechnet dann, als Ayse meint, ein „echter Mann“ müsse seine Frau „Schlampe“ nennen. Den Bremerhavener Lehrer beneidet man in diesem Moment nicht.
„Comedy Show mit Sanjay Shihora & lustigen Einwanderern“: jeden ersten Mittwoch im Monat um 20.30 Uhr im Kookaburra, Schönhauser Allee 184. Karten, auch zu anderen Veranstaltungen (von 5 bis 12 Euro), unter 486 23 186 oder info@comedyclub.de.