Diese Woche erzählt ein Berliner Filmemacher das Leben seines Urgroßvaters und damit gleich die Geschichte eines ganzen Jahrhunderts. Außerdem stehen eine Tango-Revolution und eine Ode an das Marionettentheater auf dem Programm.
Der Ansatz scheint auf den ersten Blick bekannt: Ein Urahn erzählt die Geschichte seiner Familie, doch dieses Mal nicht in Form eines Familienromans, sondern durch die Linse seiner Kamera. Boris Hars-Tschachotin, Berliner Filmemacher mit deutsch-russischen Wurzeln, schafft es mit seinem Dokumentarfilm über seinen schillernden Urgroßvater alle Höhen und Tiefen des vergangenen Jahrhunderts zu erzählen. Ausgangspunkt ist die Urne Sergejs, die seit 30 Jahren auf einem Schrank in Paris steht, weil sich seine vier Söhne nicht über die Beisetzung einigen können. Als Urenkel Boris versucht, das Ganze in die Hand zunehmen, stößt er auf eine Familiengeschichte, die das 20. Jahrhundert plastischer macht als jedes Geschichtsbuch. Der Dokumentarfilm „Sergej in der Urne“ schlägt den Bogen von der Russischen Revolution bis ins 21. Jahrhundert, erzählt die Geschichte von drei Generationen einer weit verstreuten, europäischen Familie. Im Zentrum steht dabei immer der schillernde Sergej Stepanowitsch Tschachotin (1883-1973), Mikrobiologe, Wissenschaftler von Weltruf, Freund Einsteins und Pawlows, aber auch Revolutionär, Antifaschist, Pazifist und Frauenheld.
„Sergej in der Urne“ in Anwesenheit des Regisseurs am 1. März ab 19 Uhr (OmdU) im Kino Krokodil, Greifenhagener Strasse 32, Karten zu 6,50 € unter 030 44 03 12 52 oder 030 44 04 92 98 (ab 19.00 Uhr).
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Tango, allerdings nicht zum Tanzen, sondern zum Zuhören – das war etwas völlig Neues, als der argentinische Komponist Astor Pantaleón Piazzolla die Tango-Musik Mitte des vergangenen Jahrhunderts mit seinen Kompositionen revolutionierte. Anfangs waren die traditionsbewussten Argentinier alles andere als begeistert von dem Tango Nuevo, den Piazzolla anstieß und der zumindest im traditionellen Sinne nicht so tanzbar war wie der Tango Argentino. Piazzolla ist nur einer der Komponisten, der am Freitag in der Klassik Lounge des Kulturzentrums danziger50 zu hören sein wird. Ithay Khen, der als einer der führenden israelischen Cellisten gilt, wird außerdem Werke von de Falla, Granados, aber auch Schubert spielen. Begleitet wird er dabei im familiären Ambiente eines Kammerkonzertes von Jörgen Brilling an der Gitarre. Piazolla war übrigens zu Jugendzeiten ein erklärter Fan von Johann Sebastian Bach, fragt sich, ob von dieser Liebe bei seinen Kompositionen etwas rauszuhören ist.
„Klassik Lounge: Tango und Lyrik“ (Ithay Khen: Violoncello, Jörgen Brilling: Gitarre. Werke von Piazolla, de Falla, Granados und Schubert), am 2. März um 20 Uhr im ZENTRUM danziger50, Danziger Straße 50, Karten zu 10 / erm. 8 / Berlinpass 6 / Mitglieder 5 € unter 030 41 71 5887.
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Am schönsten wird es oft dann, wenn der große Rummel schon wieder vorbei ist. Gut also, dass so manches zeitverzögert geschieht: 2011 war Kleist-Jahr und zum Jubiläum des Dichters hatte das „Theater des Lachens“ aus Frankfurt Oder zwei Stücke von Kleist als Marionetten-Theater auf die Bühne gebracht – eines davon ist an diesem Wochenende zu Gast in der Schaubude in der Greifswalder Straße. Vor etwa 200 Jahren schrieb Kleist seinen Essay „Über das Marionettentheater“. Die Frage, die er darin stellt, klingt auf den ersten Blick recht theoretisch: Wie kann Bewusstsein und Anmut das menschliche Verhalten beeinflussen? Umso plastischer sind die Bilder, mit denen die Figurenspieler unter Regie von Frank Soehnle Kleists Thesen auf die Bühne bringen. Wie war das doch gleich mit der Entstehung von Anmut und Grazie? Und wo sitzt sie hier nun, die Seele des Tänzers? Mehr als ein Dutzend Puppen treten auf. Das einstündige Marionetten- und Schauspiel richtet sich an Erwachsene und Jugendliche.
„Kleist – über das Marionettentheater oder Die Überwindung der Schwerkraft in drei Akten“ am 2., 3. und 4 März ab 20 Uhr in der Schaubude Berlin, Greifswalder Str. 81-84, Tickets zu 10,50 Euro / ermäßigt 7 € unter 030 4234314.
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