Angesichts der knappen Haushaltslage forcieren einige Pankower Bezirksverordnete, dass sich der Bezirk von bestimmten Gebäuden trennt. Kritiker befürchten überstürzte Entscheidungen
Die Stimmung im Bezirk ist angespannt, alle Beteiligten klagen über Zeitnot bei gleichzeitigem Handlungsdruck. Im derzeit diskutierten Bezirkshaushalt 2012/2013 klaffen große Lücken, zahlreiche soziale und kulturelle Projekte stehen bereits auf der Kürzungsliste, die die verantwortlichen Stadträte mit ihrem Haushaltsentwurf vorgeschlagen haben. Erleichterung erhoffen sich einige Bezirksverordnete aus den Reihen der Grünen und der SPD nun dadurch, dass sich der Bezirk einiger seiner Gebäude entledigt.
Treuhandmodelle sollen Bezirk entlasten
Am Montagabend hat der Finanzausschuss auf Initiative der Grünen und der SPD dazu eine Sondersitzung anberaumt. Vorgestellt wurden zwei Treuhandmodelle, um bestimmte Gebäude des Bezirks aus der Kostenrechnung des angespannten Haushalts zu bekommen. Für den Standort des Bezirksamts in der Fröbelstraße – hier ist auch das Bürgeramt Prenzlauer Berg untergebracht – ist eine Überführung an den landeseigenen Liegenschaftsfonds Berlin im Gespräch, die Häuser des Kulturareals Thälmannpark und die Tucholsky-Bibliothek in der Esmarchstraße könnten an die gemeinnützige Gesellschaft für StadtEntwicklung (GSE) gehen.
„Der Gebäudekomplex in der Fröbelstraße hat enormes Potenzial und wir lassen ihn verrotten“, so der Vorsitzende des Finanzausschusses Cornelius Bechtler (Grüne). Hintergrund: Dem Bezirk fehlt für den Unterhalt und die Modernisierung etlicher Gebäude das Geld. So müsste etwa das Amtsgebäude in der Fröbelstraße dringend saniert werden, doch der Bezirk kann die dafür veranschlagten elf Millionen Euro nicht aufbringen. Ähnlich marode seien auch die Häuser des Kulturareals Thälmannpark. Zu den Sanierungskosten kommt nach Angaben von Bechtler hinzu, dass die Gebäude haushalterisch zu Buche schlagen. Im aktuell diskutierten Haushaltsplan steht der rote Klinkerbau in der Fröbelstraße mit jährlich 1,3 Millionen Euro, die das Land dem Bezirk für das Gebäude berechnet, plus 1,68 Millionen Euro pro Jahr für die Betriebskosten.
Befürworter: Mischnutzung angestrebt
Mit einer Überführung an den Liegenschaftsfonds Berlin hofft Bechtler vor allem, Zeit zu gewinnen. Eines der Treuhandmodelle sieht vor, dass das Grundstück an den Fonds übertragen und langfristig von ihm verkauft wird. Nutzt der Bezirk weiterhin ganz oder teilweise die Gebäude, muss er im ersten Jahr die Betriebskosten, im zweiten Jahr die halbe ortsübliche Miete und ab dem dritten Jahr die ganze ortsübliche Miete zahlen. „Unser Ziel ist aber gar nicht der Verkauf, sondern die Grundstücke mit Erbbaurecht zu vergeben, denn dann haben wir weiterhin Zugriff auf die Art der Nutzung.“ Die Erbbau-Berechtigten hätten dann gegen Zahlung des Erbbauzinses, das Recht auf einem fremden Grundstücks ein Bauwerk zu errichten oder zu unterhalten. Das Ziel sei eine „sozial verträgliche Lösung“ statt teurer Lofts, so Bechtler.
Kritiker: Einsparungen verpuffen
Roland Schröder (SPD) – der Vorsitzende des Ausschusses für Stadtentwicklung – ist erklärter Gegner des Treuhandmodells. „Aus stadtplanerischer Sicht ist es Unsinn, den Standort aufzugeben, er ist zentral und gut erreichbar“, so Schröder. Das sei nicht zuletzt für die Nutzer des Bürgeramtes entscheidend. Zudem würde die geplante Haushaltsentlastung sofort verpuffen, denn ein Umzug der dort angesiedelten Ämter, wie Bürgeramt, Jugendamt, Parkraumbewirtschaftung, wäre teuer. Auch die zuständige Stadträtin für Immobilien Christine Keil (Linke) wandte auf der gestrigen Sondersitzung ein: „Ich halte es nicht für sinnvoll, über solche Modelle nachzudenken, solange wir noch keinen anderen Standort für die Mitarbeiter haben.“
Kulturprojekte bangen um ihren Standort
Kontrovers diskutiert wurde auch der mögliche Überführung des Kulturareals am Thälmannpark und der Tucholsky-Bibliothek in der Esmarchstraße an die Gesellschaft für StadtEntwicklung (GSE) als Treuhänder. Dieses Modell sieht vor, dass die GSE die Gebäude kauft und auch längfristig behält. Finanzieren soll sich dann eine sukzessive Sanierung über die eingenommenen Mieten. Für Iris Boss, Mitinitiatoren der Künstlerpetition gegen den Kulturabbau in Pankow, birgt die Überführung an die GSE als Treuhänder eindeutig Gefahren: „Die im Thälmannpark aktiven Vereine müssten dann Mieten zahlen, die natürlich auch steigen können.“ Das macht in ihren Augen keinen Sinn, denn so würde der Bezirk das Geld dann von einer in die andere Westentasche stecken, wolle sie die Kulturprojekte – wie angegeben – tatsächlich erhalten: „Die Vereine wären dann darauf angewiesen, bares Geld für die Miete vom Bezirk zu beziehen. Und das kann dieser, wie man ja gerade wieder sieht, angesichts jährlich neuer Sparrunden, doch gar nicht garantieren!“ Stattdessen sollen die nachweislich gut ausgelasteten Gebäude in der Hand des Bezirks bleiben. Sonst stelle sich die Frage: „Wenn der Bezirk Miete bezahlen muss, wo soll dann noch das Geld für die Projekte herkommen?“
Im Rahmen der Haushaltsdebatte in den Ausschüssen sollen die Modelle bis zur Beratung des Haushalts in der BVV am 14. März weiter diskutiert werden. Der Auftrag der Ausschussmitglieder an das Bezirksamt lautet derweil zu prüfen, wie viele Kosten mit den Modellen tatsächlich eingespart werden könnten und ab wann eine Überführung überhaupt im Haushalt zu Buche schlagen würde.
In die vorherige Version des Artikels hatte sich leider ein Fehler eingeschlichen: 29,9 Millionen Euro berechnet das Land dem Bezirk nicht allein für die Fröbelstraße, sondern für alle vom Bezirk genutzten Gebäude in Pankow. Wir bitten diesen Fehler zu entschuldigen!
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