Das neueste Baby

von Thomas Trappe 7. Februar 2012

Zwei Prenzlauer Berger Ton-Meister haben ihr gesamtes Erspartes in Alkohol investiert. Mit ihrem Luxus-Likör haben sie noch große Pläne.

Seit sich die Beiden selbständig machten, sieht man sie regelmäßig mit einem Flachmann handelsüblichen Verdauungsschnapses hantieren. Bei Promo-Touren, auf Messen, im Gespräch mit potenziellen neuen Kunden. Immer warten sie dann auf den Moment, in dem der Gegenüber die Vermutung äußert, bei dem ihm feilgebotenem Getränk handle es sich um etwas ganz Ähnliches wie jenem bekannten Kräuterschnaps mit einem Waldtier im Wappen. Und dann machen die Geschäftsmänner das: Sie bieten ihm einen von ihren Schnäpsen an, und einen mit dem Waldtierlogo. „Das wirkt meistens“, sagt Henning Birkenhake. Er meint, dass der andere diesen Vergleich dann lasse.

Birkenhake stellt zusammen mit seinem Geschäftspartner und Freund Gabriel Grote seit Herbst 2010 einen Kräuterlikör her. In welcher Kategorie dieser „Pijökel 55″ anzusiedeln ist, kann man wohl am schnellsten erklären, indem man feststellt, dass ein halber Liter 27,90 Euro kostet und der sich trotzdem ganz gut verkauft. „Das ist nichts zum sich Wegballern“, sagt Birkenhake. Die jüngsten  Vertragsabschlüsse zeugen davon: Zwei Fünf-Sterne-Hotels in München und Berlin abonnierten das 42,5-Prozent-Getränk mit der Ingwer-Kardamom-Zimt-Nelken-Note. 

 

Kult um ein Stück Holz von 1955

 

Die Grote Spirituosen Manufaktur OHG befindet sich in einem Hinterhof der Marienburger Straße. Dass hier ein Likör produziert wird, glaubt man nicht sofort, denn die beiden Laptops und der kleine Drehsessel lassen dies ebenso wenig vermuten wie das kaum ein Jahr alte Kleinkind, das auf dem Boden krabbelt. Grote und Birkenhake, beide 32 Jahre alt, haben hier seit 2008 ihr Büro, in dem die beiden gelernten Tonmeister vor allem für Werbe- und Filmkunden arbeiten. Das Zweitgeschäft befindet sich in einem wesentlich ordentlicherem Raum hinter einer weißen Tür nebenan. In zwei 110-Liter-Fässern wird produziert, 1.200 Flaschen können damit pro Monat rausgehen. Eine Kapazität, die noch lange nicht ausgereizt ist. Grote Spirituosen konnte im vergangenen Jahr, dem ersten, 1.000 Flaschen absetzen.

Die Rezeptur für den Pijökel geht auf Grotes Vater zurück. Dieser hatte, so die offizielle Produktlegende, im Jahre 1955 als Schüler an einem Gymnasium bei Bremen ein denkbar merkwürdiges Stück Holz gefunden, das die Abi-Clique zum Anlass für einen Kult nahm. Das Stück Holz wurde als Pijökel – ein norddeutsches Wort für „kleines Ding“, so Grote – bezeichnet und fortan als Talisman, nun ja, verehrt. Man traf sich jährlich, holte das Pijökel aus einer Schatulle, prüfte und begutachtete es – und trank darauf ein paar Bier. Irgendwann, der Vater war inzwischen Apotheker, wurde ein Kräutergemisch kreiert, mit dem ein Likör für den Privatgebrauch aufgesetzt werden konnte. Nachdem der Vater 2002 gestorben war, beschloss sein Sohn schließlich, den Kult weiterleben zu lassen.

 

Label „Berlin“ wird hochgehalten

 

Seinen Freund Henning, die beiden kannten sich von der Musikhochschule Detmold, zu überzeugen, viel Grote nicht schwer. „Unser Geschäft mit dem Tonstudio lief gut, es war also ein idealer Zeitpunkt, etwas Neues zu wagen“, sagt Birkenhake. Viel mehr Schwierigkeiten machte die Bank, die keinen Kredit geben wollte. Schließlich blieb beiden nichts Anderes übrig als bei den Familien einen fünfstelligen Betrag zu leihen; damit wurden die Baumaßnahmen bezahlt, die für eine zugelassene Likörproduktion nötig sind  – abgedichtete Fenster, Fliesen, Spezialbehältnisse zum Beispiel.

Amortisiert sind die Ausgaben noch nicht, vielmehr wird die Manufaktur noch quersubventioniert durch das gemeinsame Tonstudio. „Im Moment geben wir alles, was wir verdienen, für Schnaps aus“, sagt Birkenhake. Um Kunden werben sie auf Messen, zuletzt bei der „Barzone“, aber auch, indem sie Szene- und Edelkneipen der Stadt besuchen und ihr Produkt dort an den Wirt bringen. Die Etiketten bringen beide selbst auf die Flaschen. Bald soll sich der Betrieb aber personell verstärkt werden. Damit reagieren die Geschäftsführer auch auf den Umstand, dass sie nach Weihnachten in Lieferengpässe gerieten. 

Irgendwann, so das Ziel von Grote und Birkenhake, wollen sie sich komplett dem Likör widmen und auch davon leben können. Vor allem im Lebensmittelbereich gebe es in Berlin einen „ungeheuren Nachholbedarf“ nach hochklassigen Produkten aus der eigenen Stadt. „Wir wollen auf jeden Fall als Berliner Produkt wahrgenommen werden“, sagt Birkenhake. Vielerorts, zum Beispiel in Prenzlauer Berg, seien die Menschen gerne bereit, dafür auch etwas mehr Geld auszugeben.

 

 

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