Das Land kürzt Zuschüsse. Und Pankows Bürgermeister ist sauer: Auf den Senat und auf die eigenen Leute. Dem Bezirk droht kein Kulturkampf, sondern eine regelrechte Schlacht.
Pankows Bürgermeister gilt als besonnener Mann. Ob ihm dieses Image langsam zum Halse raus hängt oder er schlicht in den letzten Jahren Schimpfwörter gespart hat, um sie jetzt an den Mann zu bringen, weiß man nicht. Fest steht nur: Matthias Köhne (SPD) zieht gerade mächtig vom Leder, man könnte auch sagen, er schlägt um sich. Anlass sind die vom Senat geplanten Kürzungen bei den Zuweisungen für den Bezirk und die damit einhergehende Drohkulisse einer sterbenden Kultur in Pankow. Sauer ist Köhne nicht nur auf den Senat. In seine Verbalinjurien-Orgie werden nun auch die eigenen Leute einbezogen.
Die Kampfaufstellung ist klar. Der neue Berliner rot-schwarze Senat hat beschlossen, die Zuweisungen an die Bezirke zu kürzen. Fünf Millionen Euro sollen in Pankow gespart werden, eine Million davon im Kulturbereich. Pankows Kulturstadtrat Thorsten Kühne (CDU) legte daraufhin eine Liste vor mit Einrichtungen, die der Bezirk, sollte der Senat an den Kürzungen festhalten, schließen müsste. Darunter das Kulturareal im Thälmannpark und die Kurt-Tucholsky-Bibliothek in der Esmarchstraße. Auf diese Ankündigung reagierte wiederum der Berliner Kulturstaatssekretär André Schmitz, ungewöhnlich genug, mit einer Pressemitteilung. In ihr forderte er Pankow auf, keinen „Raubbau an der Kultur“ zu betreiben. Für Köhne hatten an diesem Tag gleich zwei Menschen die Gelegenheit versäumt, den Mund zu halten.
Die kaputten Tassen im Senat
Oder um Köhnes Worte zu verwenden. „Ich frage mich, ob der Senat noch alle Tassen im Schrank hat?“, postete er auf seinem amtlichen Facebook-Profil. Es könne nicht angehen, so Köhne sinngemäß weiter, dass erst Kürzungen vorgegeben würden und dann Kritik komme, wenn der Bezirk versuche, diese umzusetzen. Gegenüber dieser Zeitung konkretisierte Köhne. „Es ist eine einzige Sauerei und Frechheit, was sich der Senat erlaubt.“ Der Staatssekretär solle es sich am besten sparen, „irgendwie zu versuchen, zu argumentieren, denn sie haben dort einfach keine Ahnung, wovon sie reden“. Köhnes Forderung in einem Satz: Der Senat soll entweder Geld geben oder ruhig sein, wenn es um Kürzungen geht.
Doch auch mit dem eigenen Kultur-Stadtrat hat Köhne gerade etwas Probleme. Dessen Ankündigung der flächendeckenden Schließung mehrerer Standorte ist wohl eher als Worst-Case-Drohung an den Senat zu verstehen denn als ausgefertigter Plan. Doch auch von solchen politischen Bandenspielen hält Köhne wenig. „Es ist viel zu früh, so etwas anzukündigen“, so Köhne über Kühne. Der hätte sich zuvor mit dem Bürgermeister absprechen sollen und schauen, „ob das Bezirksamt überhaupt hinter ihm steht. Sonst geht sowas schief.“ Thorsten Kühne war heute für eine Stellungnahme nicht zu erreichen.
Mehr Priorität für die Kultur
Im Senat hat man von den Ausbrüchen des Herrn Köhne bisher nur eine Ahnung. Die Aussagen in Köhnes Facebook-Profil kenne man nicht, die zugrunde liegenden Argumente aber schon, erklärte Schmitz‘ Sprecher Torsten Wöhlert, dem Köhne übrigens ebenso Ahnungslosigkeit vorwirft. Man wolle sich dazu aber nicht weiter äußern, um den Streit nicht unnötig zu befeuern. Wöhlert betonte hingegen, dass die Forderungen seines Vorgesetzten an den Bezirk Pankow keineswegs im Widerspruch zu den vorangegangenen Mittelkürzungen stünden. So liege es in den Händen der Verwaltung, dem Kulturbereich mehr Geld zur Verfügung zu stellen. „Der Anteil der Kulturausgaben am Gesamtetat ist in Pankow so niedrig wie fast nirgends in Berlin.“ Wenn es ein Problem gebe, dann wohl eher durch eine falschen Prioritätensetzung in Pankow.
Auch wenn Wöhlert es nicht offiziell bestätigen will, sieht man die Ursachen des Pankower Kulturkampfes wohl auch in einer jahrelangen Misswirtschaft in diesem Bereich. Man braucht aber gar nicht den Senat zu fragen, Bürgermeister Köhne hat auch hier was zu sagen. Tatsächlich sei die Leitungsebene des Pankower Kulturamtes seit Jahren „überfordert, notwendige Strukturanpassungen vorzunehmen, das muss aber endlich mal geschehen“. Vor allem in den Bibliotheken werde viel zu ineffizient gearbeitet.
Linke gegen Verscherbelung
Der Verweis auf strukturelle Probleme im Kulturamt bringt nun wiederum Pankows Linke-Fraktion auf die Barrikaden, schließlich stellten sie bis vor Kurzem den Kulturstadtrat. Die Worte Köhnes „zeugen vor allem von Ignoranz“, erklärte Matthias Zarbock, kulturpolitischer Sprecher der Pankower Linken, gegenüber dieser Zeitung. SPD und Grüne, so seine Befürchtung, wollten einfach die durch die Vorgaben des Senats entstehende Chance nutzen, „Einrichtungen zu schließen und Gebäude zu verscherbeln“. Dass das bisher unterblieb, sei Ergebnis der bisherigen linken Kulturpolitik.
Wie unversöhnlich die Lage inzwischen in der Pankower Bezirkspolitik ist, zeigte der jüngste Kulturausschuss. Dort beantragten die Linken, die Kürzungen schlicht und einfach abzulehnen und gegen die Pläne des Senats zu protestieren. Bei aller geteilten Wut auf die Landespolitik lehnten SPD und Grüne das Ansinnen ab.
Cornelius Bechtler, Fraktionschef der Grünen, erklärte nun, dass er eine Ursache der aktuellen Misere auch bei der Linken sehe, die sich „ignorant“ gegen jedes Kosten-Nutzen-Prinzip in der Kulturpolitik wehre. Für die Grünen sei es jetzt wichtig, dass vor allem die Defizite bei den Bibliotheken gesenkt werden. Außerdem sollte geprüft werden, ob Geld für die Kultur durch einen Wegzug der Verwaltung aus der Prenzlauer Berger Fröbelstraße freigeschaufelt werden könne. Eine Schließung des Thälmann-Park-Areals lehne er jedoch kategorisch ab – gegenteilig wurde er zuvor in einer Berliner Tageszeitung zitiert.
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