Urbane Zukunft am Beispiel von Ratten

von Juliane Schader 15. November 2011

Das BMW Guggenheim Lab kommt in den Prenzlauer Berg, schön und gut. Aber was haben die Anwohner davon? Gestern erklärten die Macher die Vorteile für die Nachbarn am Beispiel von Ratten.

Das BMW Guggenheim Lab, das vom 24. Mai bis zum 29. Juli kommenden Jahres im Prenzlauer Berger Pfefferberg gastiert, ist eine künstlerische Angelegenheit. Das merkt man nicht zuletzt an den nebulösen Wortungetümen, hinter denen sich die Macher der Veranstaltung bislang versteckten: Unter dem Titel „Confronting Comfort“ sollen unter anderem die Themen „Urban Microlense“ und „Senseable City“ diskutiert werden? Bitte was?!

Dabei geht es doch viel einfacher und konkreter, wie sich am gestrigen Montagabend bei einem ersten Treffen des Berliner Lab-Teams mit interessierten Anwohnern zeigte. Etwa am Beispiel von Ratten: Die Brache im East Village von Manhattan, auf der das Lab in New York in diesem Jahr Station machte, war vorher von Ratten verseucht. Die Anwohner der angrenzenden Häuser hatten bereits mehrfach versucht, die Fläche zu erschließen und der Rattenplage Herr zu werden, aber ohne Erfolg. Dann kam und ging das Lab und hinterließ eine endlich nutzbare Grünfläche. Ein eindeutiger Mehrwert durch das Projekt für die Nachbarschaft war damit geschaffen. Wobei die Beseitigung von Schädlingen natürlich nur ein Aspekt ist, wie man das Leben in einer Großstadt angenehmer gestalten kann. Aber es zeigt, worum es geht und was „Confronting Comfort“ bedeuten soll: Bequem und dennoch nachhaltig zu leben. Warum haben sie das nicht gleich gesagt?

 

Intellektueller Diskurs mit Wurzeln in der Realität

 

„Das Lab ist eine Mischung aus Gemeindezentrum und Think Tank“, erklärt die Kuratorin Maria Nicanor. Fachleute und Anwohner sollten dort zusammenkommen und sich gemeinsam über die Zukunft der Städte Gedanken machen. Da man über Städte am besten in einer Stadt diskutieren könne, lande das Guggenheim Lab nun auch in Berlin. „Wir wünschen uns intellektuelle Diskussionen mit realitätsnahen, handfesten Wurzeln.“

50.000 Besucher zählte das Lab in seinen zehn Wochen in New York. 189 kostenlose und für alle offene Programme vom Yoga-Workshop über Filmabende bis hin zu einer Exkursion, die den Weg des Mülls raus aus der Stadt verfolgte, wurden angeboten. Während der Zeit wurde das Lab zum Treffpunkt nicht nur für Künstler und Stadtforscher, sondern auch für die Bewohner der angrenzenden Häuser. „Das Lab hat die Dynamik der Nachbarschaft verändert“, meint Nicanor. Eine ähnliche Entwicklung erhoffe man sich auch für Berlin.

Damit das gelingt, ist ausdrücklich die Einmischung der Nachbarn in das Projekt erwünscht. Ein Teil des Programms werde im Voraus geplant, ein Teil werde aber bewusst offen gehalten, sagt die Kuratorin. In New York seien die Menschen einfach während des Labs mit den Themen, die sie beschäftigten, auf dessen Macher zugekommen. So wünsche man sich das auch in Berlin. Bald solle es auch einen Ansprechpartner geben, an den sich Interessierte schon jetzt werden könnten. Auf der Internetseite könne man sich da auf dem Laufenden halten.

 

Anfang März rücken die Baufahrzeuge an

 

Bevor es an gedankliche Höchstleistungen geht, kommen aber erstmal die Bagger. Denn auch wenn es sich bei dem vom japanischen Atelier Bow-Wow entworfenen Lab um einen Leichtbau aus Kohlefasern handelt, braucht er einen massiven Untergrund. Der Zeitplan sieht vor, dass Anfang März 2012 auf der Rasenfläche im Nordhof des Pfefferbergs, wo das Gebäude errichtet werden soll, die Arbeiten am Fundament beginnen. Ab Mitte April soll dann die Installation des Labs beginnen. Dazu wird erst der 30 Meter lange, sechs Meter breite und vier Meter hohe Kubus zusammengebaut und mit Hilfe eines Krans an einem Tag in vier Meter Höhe gezogen und auf Stützen aufgebockt. Wie das in New York ablief, zeigt dieses Video. Bis zur Eröffnungsfeier am 23. Mai muss alles fertig sein.

Der eigentlich genutzte Teil des Labs ist der Raum unterhalb des Kubus. Dieser dient ausschließlich der Aufbewahrung der für die Nutzung des Labs benötigten Möbelstücke und Requisiten. Wie bei einem Puppentheater werden Stühle und Tische für Diskussionsrunden oder Sitzgelegenheiten für eine Filmvorführung aus dem Kubus herabgelassen. So gelingt es, das gut 180 Quadratmeter große Lab den unterschiedlichen Anforderungen der jeweiligen Programme individuell anzupassen.

Wenn das Lab Ende Juli seine Türen schließt, wird es dann noch einmal vier Wochen dauern, bis alles deinstalliert ist. Die Macher versichern, dass die Wiese vom Nordhof ordnungsgemäß wiederhergestellt werde. Aus Ermangelung an Ratten bleibt Prenzlauer Berg hier ein sehr praktischer Gewinn aus dem Lab-Besuch allerdings verwehrt. Aber vielleicht fällt dem ein oder anderen ja noch ein anderer Verbesserungsvorschlag ein, mit dem er sich an den sicher bald gefundenen Ansprechpartner wenden kann.

 

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