Lidl erweitert sein Sortiment und baut in der Bornholmer Straße und der Prenzlauer Allee neben Supermärkten auch Wohnungen. Ob die Mieten Discounterniveau haben werden, ist noch offen.
Es gab Zeiten, in denen man in den Supermarkt ging, um Lebensmittel einzukaufen, und vielleicht manchmal auch Klopapier. Dann kam die Phase der Sortimentserweiterung, und Fernseher, Heizdecken und Kürbisse aus Ton drängten sich regelmäßig zwischen Nudeln und Dosenananas in die Gänge. Kaum hatte man sich daran gewöhnt, kamen Handyverträge und Kreuzfahrten als Angebot hinzu. Fehlten eigentlich nur noch Autos und Wohnungen, und da der Deutsche beim Auto keinen Spaß versteht, versucht man sich nun an Letzterem. Zumindest in Prenzlauer Berg, wo Lidl derzeit die ersten Mietwohnungen mit Discounteranschluss bauen lässt.
Los geht es mit acht Wohnungen auf dem Dach des frisch eröffneten Lidls an der Bornholmer Straße, direkt gegenüber des Mauerdenkmals an der Bösebrücke gelegen. „Das Dach des Lidl-Marktes wird begrünt. Die acht Wohnungen mit Terrassen und Atrien sind in diese Grünfläche integriert“, sagt Lidl-Sprecher Stephan Krückel. Die Erschließung erfolge separat und vom Supermarkt unabhängig; fertig gestellt werden solle das Objekt bis Januar 2012. „Es ist geplant, die Wohnungen am freien Markt zu vermieten. Die Vermarktung kann beginnen, sobald eine Besichtigung des Obergeschosses möglich ist, nach jetzigem Stand voraussichtlich Ende Oktober 2011.“
Auch in der Prenzlauer Allee plant Lidl 30 Wohnungen
Die Wohnungen in der Bornholmer Straße sollen aber nicht das einzige Engagement des Discounters auf dem Prenzlauer Berger Berger Wohnungsmarkt bleiben. Auch in der Prenzlauer Allee 44, wo demnächst eine Baulücke mit einem weiteren Markt geschlossen werden soll, könnte Wohnraum entstehen. In einem ersten Entwurf sei vorgesehen, an der Prenzlauer Allee direkt mit dem Markt und einem mehrgeschossigen Wohnhaus den Blockrand zu schließen, zitiert die Prenzlauer Berger Sanierungszeitschrift „Vor Ort“ einen Lidl-Mitarbeiter. Ein zweiter Wohnriegel könne in der Grundstücksmitte, ein dritter im östlichen Grundstücksbereich an der Grenze zur Marie entstehen. Etwa 30 neue Wohnungen seien denkbar.
Sprecher Krückel bestätigt, dass sich das betreffende Grundstück seit einigen Jahren in Lidl-Besitz befindet. Da das Projekt noch in einer sehr frühen und damit noch nicht verbindlichen Entwicklungsphase stecke, könne er aber zu diesem Zeitpunkt nicht mehr dazu sagen. Bei „Vor Ort“ heißt es, ein Antrag auf Bauvorbescheid sei noch nicht gestellt.
„In der Prenzlauer Allee könnte Lidl bereits seit Jahren bauen, aber das Problem war stets das Baurecht, das an diesem Ort Blockrandschließung und nicht eingeschossige Stellflächen erfordert“, meint Pankows Stadtentwicklungsstadtrat Michail Nelken (Linke). Bislang seien dem Lidl-Investor ein Wohnhaus und ein Discounter offenbar nicht verträglich erschienen. Das habe sich nun wohl geändert. „Nun kann man zumindest in Prenzlauer Berg auch Wohnungen über einem Supermarkt verkaufen.“
Discount-Preise auch auf dem Wohnungsmarkt?
Bleibt die Frage, ob sich denn auch beim Mieten Lidl lohnt, oder ob die Neubauwohnungen zum Prenzlauer Berger Durchschnittspreis von mittlerweile weit über acht Euro pro Quadratmeter bei Neuvermietungen auf den Markt kommen? „Die Wohnungen werden zu einem marktüblichen Preis angeboten“, sagt Krückel; Konkreteres lässt er sich nicht entlocken. Obwohl laut eigener Aussage ja schon in etwa zwei Wochen Mieter für die Wohnungen in der Bornholmer Straße gesucht werden sollen.
Klar ist nur, dass es in diesem Fall keine Preisabsprache mit dem Bezirk gab, im Gegensatz zu den Wohnungen, die Lidl im bayrischen Tegernsee errichten ließ. Dort hatte der örtliche Stadtrat durchgesetzt, dass an die Baugenehmigung für den Supermarkt die Bedingung geknüpft wurde, Wohnraum nicht nur zu schaffen, sondern ihn auch zu günstigen Preisen anzubieten. Auch in Tegernsee kämpft man mit hohen Mieten.
In Pankow heißt es aber, eine solche Forderung sei nicht durchsetzbar. „Ich kann die Baugenehmigung nicht rechtssicher an die Herstellung und Vermietung von Wohnungen in einem bestimmten Preissegment binden“, sagt Stadtrat Nelken. Jedes Gericht würde solche Vorgaben kippen, so wie es mit den Mietobergrenzen in den Sanierungs- und Milieuschutzgebieten auch geschehen sei. „Diese Rechtssprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist sogar nachvollziehbar. Es kann nicht sein, dass Rechte in einer Form von Ablasshandel verkauft werden“, so Nelken. In Tegernsee war es gar nicht bis zu einem Rechtsstreit gekommen, da Lidl den Forderungen des Stadtrats entsprochen hatte.
Auch wenn Lidl sich in Prenzlauer Berg gleich an zwei Orten am Wohnungsbau versucht, der große Einstieg des Discounters in die Immobilienbranche ist es nicht. Nur in Ausnahmefällen, in denen das Baurecht mehrgeschossige Bebauung vorsehe bzw. sich die Lage für einen ergänzenden Wohnungsbau eigne, würden Wohnungen errichtet, sagt Krückel.
Mal abwarten, wie Aldi das sieht.
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