Nur die Guten kommen in die Einkaufstüte

von Ute Zauft 14. Oktober 2011

Wer beim Einkaufen Gutes tun will, ist in Prenzlauer Berg gut aufgehoben. In keinem anderen Berliner Bezirk ist die Infrastruktur für nachhaltigen Konsum so gut wie hier.

Im Weltladen in der Wörtherstraße ist im Schaufenster der arabische Frühling zu begutachten: Farbenfrohe Keramik aus Hebron. Mit den Weltläden fing alles an: Bananen aus Ecuador, Körbe aus dem Senegal, Alpaka-Pullis aus Bolivien. Die Läden gibt es auch heute noch – in Prenzlauer Berg sind es sogar zwei. Das Sortiment ist noch immer eher bodenständig im Design, doch dazwischen mischen sich knallrote Sneakers aus fair gehandelter Bio-Baumwolle und Unterwäsche, mit der man sich keineswegs auf dem Heuboden verstecken muss. Und auch jenseits der Weltläden hat sich einiges getan auf dem Markt für diejenigen, die mit Sinn und Verstand einkaufen wollen.
„Wenn bei uns vor der Tür kleine Kinder Turnschuhe zusammenkleben würden, wäre der Aufschrei groß“, sagt Lovis Willenberg, „aber die Wenigsten stellen diese Verbindung her, wenn sie vor den Turnschuhen im Laden nebenan stehen.“ Willenberg hat mit seinem Büro in der Choriner Straße 2010 den Heldenmarkt initiiert, eine Messe für nachhaltigen Konsum. Im November findet sie zum vierten Mal in Berlin statt, im Dezember erstmals auch in Stuttgart. Hier können die Besucher alles finden, um sich für sämtliche Lebensbereiche mit nachhaltigen Produkten einzudecken, von der Finanzanlage über das Duschgel bis hin zu Kleidern und Nahrungsmitteln. „Nachhaltig bedeutet für mich, möglichst keinen Schaden zu hinterlassen, wenn ich mir einen Apfel oder ein T-Shirt kaufe“, so Willenberg. Den Fußabdruck möglichst klein halten, nennt er es, damit meint er den möglichen Schaden am Ökosystems, aber auch die Ungerechtigkeiten im weltweiten sozialen Gefüge.

 

Der Siegel-Dschungel ist undurchsichtig

 

‚Bio‘ und ‚fair gehandelt‘ sind hier die Stichworte, an denen sich die meisten Konsumenten orientieren. Das sechseckige Bio-Siegel nach der EG-Öko-Verordnung soll die ökologische Verträglichkeit der Produkte garantieren, und kann damit nicht nur Bio-Äpfeln, sondern auch ökologisch angebauter Baumwolle aufgedrückt werden. Das Zertifikat „Fairtrade“ dagegen steht dafür, dass die Waren zu fairen Preisen im Ursprungsland eingekauft wurden. Fairtrade-Preise und Premien sollen so zum Beispiel die Arbeits- und Lebensbedingungen der Baumwollbauern verbessern. Allerdings: „Die Orientierung im Siegel-Dschungel ist schwer“, so Willenberg. Allein für seine Messe listet er – neben den beiden genannten – drei weitere Gütesiegel auf, die Auskunft darüber geben sollen, was mit den Produkten geschehen ist, bevor sie in der Einkaufstüte landen.

Von den Verwirrungen des Zertifizierungsdschungels kann auch Judith Finsterbusch ein Lied singen. Seit zwei Jahren betreibt sie den Kleiderladen „Wertvoll“ in der Marienburger Straße. „Unsere Produkte sind alle fair gehandelt und so ökologisch wie möglich“, sagt sie. Im Textil-Bereich ist das Gütesiegel GOTS (Global Organic Textile Standard) das zuverlässigste, so Finsterbusch. Diese Produkte seien frei von Kinderarbeit, menschenunwürdigen Produktionen und Ausbeutung. Doch Labels, die dieses Zertifikat tatsächlich haben, sind bisher rar. Bevor sie mit ihrer Geschäftspartnerin ihren Laden eröffnete, hat Finsterbusch ein ganzes Jahr lang recherchiert, um ein Sortiment beisammen zu haben, das sie auch gern verkauft. Die beiden Ladenbesitzerinnen sind von Haus aus Mode-Designerinnen und zu ihnen in den Laden kommt nur nachhaltige Kleidung, die sie auch modisch vertreten können.

 

Die Kaufkraft,  um korrekt zu kaufen

 

Das hat dann durchaus auch seinen Preis. Die Turnschuhe aus dem Weltladen, die auch die Gesundheitsversorgung ihrer Hersteller sichern, sind mit rund 60 Euro noch relativ günstig. Dagegen kann der handgestrickte Pullover der Berliner Designerin schon mal bis zu 250 Euro kosten. Die gute Infrastruktur in Prenzlauer Berg für diejenigen, die nachhaltig einkaufen wollen, erklärt der Messebetreiber Willenberg damit, dass hier die Menschen leben, die sich Gedanken darüber machen, was sie kaufen. „Aber hier leben einfach auch zahlungskräftigen Leute, da muss man sich nichts vormachen.“

Hier die Adressen für den nachhaltigen Einkauf im Kiez (Weitere Tipps? Bitte melden!)

Weltladen ZeichenDerZeit, Wörther Straße 28

 

Wertvoll (Mode), Marienburger Straße 39

 

Green Living (Möbel + Inneneinrichtung), Schönhauser Allee 36 

 

Weltladen BAOBAB, Christburger Str. 38

 

Konsumhelden (vom Schuhregal bis zum Spielzeug-Piratenschiff), nur noch Online-Shop, aber in Prenzlauer Berg zu Hause

 

Not a Wooden Spoon (Möbel aus ausrangierten Dielen), Oderberger Str 2

 

Lila Lämmchen (wollige Naturtextilien), Dunckerstr. 79

 

Heldenmarkt (Messe für nachhaltigen Konsum): 19./20. November im Postbahnhof am Ostbahnhof

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