Wie die Pankower Piraten sich warm laufen

von Thomas Trappe 28. September 2011

Sechs Bezirksverordnete stellt die Partei in Pankow. Lokalpolitik müssen die Männer jetzt im Schnellverfahren lernen.

Man kann unterstellen, dass Fred Bordfeld derzeit ein paar Zigaretten mehr dreht als noch vor zwei Wochen. Beim Gespräch in einer Bar am Helmholtzplatz jedenfalls gehen schon ein paar drauf. Das ist deshalb nachvollziehbar, da Bordfeld, 37, bis vor kurzem noch freier Grafikdesigner war und es damit auch gut war. Grafikdesigner ist er zwar immer noch, doch eine Aufgabe kommt nun hinzu: Abgeordneter in der Bezirksverordnetenversammlung (BVV) Pankow. Und da Bordfeld für die Piraten einzieht, steht er in letzter Zeit besonders unter Beobachtung. Werden er und die fünf anderen Piraten in der BVV, man verzeihe das billige Wortspiel, untergehen? Was wollen sie für Pankow erreichen? Gibt es eine Welt außerhalb des Internet?

Bordfeld, schwarze Haare und überdurchschnittlich viele Piercings im Ohr, ist Bezirksbeauftragter der Piraten in Pankow. Neben Mitte, Friedrichshain und Kreuzberg ist Prenzlauer Berg die stärkste Bastion der Newcomer-Partei. Bordfeld selbst ist Mitglied bei den Piraten „Bjarne Stroustrup“, eine nach dem Gründer der Programmiersprache „C++“ benannten Untergruppierung der Partei, die sich allerdings nicht Gruppe, sondern Crew nennt. Die zweite Crew gibt es in Prenzlauer Berg Nord, sie heißt „Negroponte“.

Ebenso wie auf Landesebene waren die Piraten auch in Pankow von ihrem Wahlsieg überrascht, erzählt Bordfeld, der seit 1999 in Prenzlauer Berg wohnt. Er selbst sei einer derjenigen gewesen, die fest damit gerechnet haben, dass der Listenplatz bei der BVV-Wahl keine Folgen hat. „Ich wollte eigentlich nur Solidarität mit unseren Piraten zeigen“, sagt er. Zwei potenzielle Nachrücker gibt es noch in Pankow, nachdem drei der Piraten ihr Mandat im Abgeordnetenhaus wahrnehmen. Und diese Nachrücker sind auch nötig, zeigt sich Bordfeld überzeugt. „Wer weiß, was während einer Legislaturperiode alles passieren kann“, sprich: Wer weiß, welcher Pirat nicht die Lust an der mühsamen Lokalpolitik verliert.

 

Keine Piratinnen in der BVV

 

Unter den sechs BVV-Abgeordneten der Piraten ist keine Frau. Bordfeld erzählt, dass er einigermaßen überrascht war, dass dies bei den Piraten immer wieder thematisiert werde. So gebe es viele Frauen, die in der Partei mitarbeiten, bloß eben relativ selten als Mandatsträger. „Und gegen eine Quotenregelung sind die meisten Piratinnen sowieso – sie wollen wegen ihrer Leistung etwas erreichen, und nicht wegen einer Quote.“ Bordfeld räumt allerdings auch ein, dass im „Nerd-Umfeld“, aus dem viele Piraten nun mal kämen, Frauen eher die Ausnahme seien.

Am 4. Oktober werden sich die Piraten, die bis jetzt noch als Crews ihre politischen Sitzungen in Kneipen abhalten, das erste Mal in das Haus der BVV in der Fröbelstraße kommen. An diesem Tag wird es die erste offizielle Sitzung geben, dann wird auch erst klar sein, wer welche Funktion bekommt und welche Aufgabenbereiche er bearbeitet. „Ich glaube, wir bekommen dort auch ein eigenes Büro“, sagt Bordfeld, der sich allerdings noch nicht ganz sicher ist.

Dem Vorwurf, keine politische Erfahrung zu haben, entgegnet Bordfeld, indem er auf die Graswurzelarbeit verweist, mit der sich viele Piraten schon politisch engagiert haben. Er selbst sei wie viele andere schon lange im Kampf gegen den Ausverkauf des Mauerparks aktiv, ebenso wie viele andere Piraten in Prenzlauer Berg. „Viele Leute, die in den vergangenen Jahren zu uns gestoßen sind, haben ein sehr konkretes lokalpolitisches Anliegen.“ Die Piraten zeichneten sich eben auch dadurch aus, dass sie es mit offenen Strukturen ermöglichen wollen, lokale Themen auf die Agenda zu bringen, als Mittler zwischen Politik und Bürger, wenn man so will.

 

Berliner Themen stehen zunächst im Vordergrund

 

Was nicht darüber hinwegtäuschen kann, dass die Ziele der Pankower Piraten bis jetzt noch eher davon bestimmt sind, was von den Berliner Piraten gewollt wird. So werden wohl Bordfeld und seine Fraktionskollegen in den kommenden Wochen sich zunächst erst mal mit Forderungen hervortun, in denen es beispielsweise um ein offenes W-LAN für Pankow geht oder um mehr Transparenz in den Verwaltung, zum Beispiel durch Live-Streams aus den BVV-Sitzungen. Runterbrechen also.

Die Piraten Pankows hatten in den vergangenen eineinhalb Wochen schon einigen Kontakt mit der BVV-Verwaltung, und Bordfeld wertet die gemachten Erfahrungen als positive. „Man ist uns dort sehr kooperativ entgegen gekommen, alles kein Problem.“ Entsprechend hoch ist Bordfelds Hoffnung, dass die Piraten in Pankow künftig Politik fernab politischer Farbenzwänge und Ränkespiele machen können, konstruktiv, wie man das so gerne nennt und was die Piraten anscheinend auch so meinen.

Bordfeld setzt dabei sogar darauf, dass seine Partei nicht nur freundlich aufgenommen wird, sondern vielleicht sogar Integrationshilfe erhält. „Wir werden bei einigen Dingen, vor allem formalen Fragen, sicher ein paar Mal mehr nachfragen müssen. Und ich habe den Eindruck, dass die Bereitschaft zu antworten bei anderen Parteien da ist“, sagt Bordfeld. Und ergänzt: „Wir sind darauf auch ein wenig angewiesen.“

Das Interesse an den öffentlichen Stammtischen der Piraten, Termine finden sich auf der Homepage, sei seit der Wahl enorm gestiegen, sagt Bordfeld. Die Unterstützung tut ihm sichtlich gut. „Wir können die Hilfe gut gebrauchen, bei den Herausforderungen, die uns bevorstehen“, sagt er. Und verschwindet mit der Selbstgedrehten zum Piratenstammtisch. „Wird sicher wieder spät heute.“

 

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