Die Wahl ist aus, nun folgt das Stühlerücken. Die Gewählten erwarten leere Kassen und die Herausforderung, eine sozial verträglichen Stadtentwicklung zu fördern.
Wäre der Prenzlauer Berg noch ein eigener Bezirk, dann käme sein neuer Bürgermeister von den Grünen und hieße Jens-Holger Kirchner. Zwar ist die Aussage nicht ganz trennscharf, da sie auf Berechnungen aus den Wahlkreisen fürs Abgeordnetenhaus basiert, und da zählt neben viel Prenzlauer Berg auch noch ein Stückchen Weißensee mit hinein. Aber die Tendenz müsste stimmen: Beim den Wahlen zur BVV wählten in den Wahlkreisen 6 bis 9 knapp 29 Prozent Grün. Die SPD kommt auf 25,7, die Linke auf 16,5, Piraten auf 12,4 und die CDU auf 9,7 Prozent.
Was lernen wir daraus? Das Klischee vom grünen Prenzlauer Berg, das stimmt. Und die Vorstellung, dass lokale Aufreger wie die Kastanienallee Wahlen entscheiden, die stimmt nicht. Rund um die Straße wurde gewählt, als ob es den Ärger um den vermeintlichen Grünen Beton-Stadtrat nie gegeben hätte, und auch den Piraten hat ihr Bekenntnis zur Umbaugegnerschaft wenig genützt. Oder es hat sie zumindest nicht überdurchschnittlich weit nach vorne gebracht.
Für die Lokalpolitik sind solche Feststellungen zum einen beruhigend, denn nicht jeder Streitpunkt vergeigt einem gleich die ganze Wahl. Zum anderen stellt sich natürlich die Frage, ob hier tatsächlich bewusst die BVV Pankow gewählt wurde oder nicht doch eher das Gleiche wie auf Landesebene, inspiriert von der politischen Performance im Bund. Die bisher viersitzige FDP-Fraktion, die ihre Sitze nun geschlossen räumen muss, wird wohl die Fehler eher bei Philipp Rösler als bei sich selbst suchen.
Stühlerücken und kein WLAN im Pankower BVV-Saal
Doch egal, aus welchen Motiven die Stimmen nun vergeben wurden, im Ergebnis führen sie dazu, dass die BVV die neue Legislaturperiode Ende Oktober mit gehörigem Stühlerücken eröffnen wird. Die Linke büßt vier Sitze ein, die Grünen gewinnen drei hinzu, und was mit den sechs Piraten wird, wenn sie merken, dass es im BVV-Saal kein WLAN gibt, das wird ohnehin spannend werden. Zumindest haben sie mittlerweile angekündigt, dass kein Platz leer bleiben wird, obwohl mit Philipp Magalski, Pavel Mayer und Christopher Lauer drei unten den sechs Ersten auf der Bezirksliste statt in die BVV ins Abgeordnetenhaus einziehen werden. Ein bisschen frischer Wind kann der Bezirkspolitik auf jeden Fall nicht schaden.
Am Bezirksamt hingegen ziehen die großen Veränderungen vorbei. Matthias Köhne wird aller Voraussicht nach für fünf weitere Jahre den Job des Bezirksbürgermeisters übernehmen, und bis auf den sich in den Ruhestand verabschiedenden Martin Federlein und Michail Nelken wird das Personal wohl erhalten bleiben. Ende letzten Jahres hatte Nelken sich noch eine Missbilligung durch die BVV aufgrund seines trägen Verhaltens in der Eliashof-Frage eingefangen, und auch in anderen Bereichen aus den ihm unterstehenden Ressorts Stadtentwicklung, Wirtschaft und Kultur stand er immer wieder in der Kritik. Dabei braucht der Bezirk gerade im Bereich Stadtentwicklung eine klare Linie, wenn Probleme wie die Verdichtung, steigende Mieten und zunehmende Verdrängung sozial schwächer Gestellter aus dem Stadtzentrum angegangen werden sollen. Hier bietet die Wahl die Gelegenheit zum Neuanfang.
Knappe Finanzen und wenig Personal fordern Einsatz der Gewählten
Zwei Probleme werden Pankow aber auch in Zukunft begleiten, und dass sind die angespannte Finanzlage und das knappe, stets überarbeitete Personal. Verkompliziert wird die Lage nun noch dadurch, dass der Senat die Stadtratsposten von bislang fünf auf vier plus Bürgermeister gekürzt hat. Die Fachbereiche werden somit noch umfassender und unübersichtlicher werden, die Belastung pro Stadtrat entsprechend steigen. Man kann sich nur wünschen, dass sich Pankow gemeinsam mit den anderen Berliner Bezirken beim Senat stark macht für mehr Rechte für die Bezirke und gegen das aktuell aufgedrückte Sparprogramm, nach dem Pankow noch einmal bis zu 150 Bezirksamtsmitarbeiter einsparen soll. Da werden die vereinten Kräfte von BVV und Bezirksamt auf jeden Fall gebraucht.
Einen Tag nach der Wahl ist aus den frisch Gewählten nicht viel mehr herauszubekommen als aus Fußballern am Spielfeldrand kurz nach Abpfiff. Über einen Monat müssen wir uns nun gedulden, bis die Personalien endgültig geklärt sind und die neue BVV ihre Arbeit aufnimmt. Ein positives Fazit kann man zu diesem Zeitpunkt dennoch schon ziehen, nämlich dass sich die Parteien des rechten Spektrums in Pankow erfolgreich selbst kannibalisiert haben. Gemeinsam wären NPD, Die Freiheit und Pro Deutschland auf 4,6 Prozent gekommen. Jeder für sich ist an der Drei-Prozent-Hürde für die BVV gescheitert.