Bötzow-Killer

von Nataly Bleuel 5. September 2011

Wir hätten ahnen können, dass etwas passiert. Wenn die Unterschiede zu groß werden zwischen den einen hier und den anderen da, sauber getrennt nach arm und reich.  

 

Nicht selten in den letzten Jahren habe ich mich bei den Gedanken erwischt: dass mein Viertel immer langweiliger wird; dass wir alle gleich aussehen, als hätte uns eine Fabrik ausgespuckt, die junge Familien mit kleinen Kindern herstellt; dass ich nicht noch einen Coffeeshop brauche. Und dass mal was passieren könnte. Abwechslung, Aufmischung, Rambazamba.

Nun komme ich aus dem Sommer zurück – und es brannten die Kinderwägen. Unser Fahrrad wurde aus dem Hinterhof geklaut, und vom Tisch eines Straßencafés das Handy einer Nachbarin. Das Uhrmacherehepaar wurde in der Toilette eingesperrt und der Laden ausgeräumt. Der Brandstifter Maik aus Neukölln wird gefasst, zwei Fahrraddiebe und hoffentlich auch die Arschlöcher, die zwei alte Leute in Angst und Schrecken versetzen. Aber wer weiß. 

Also schließe ich zum ersten Mal die Wohnungstür ab. Meine Kinder planen am Frühstückstisch Fluchtwege. Der Aktenzeichen-XY-Teil meines Hirns wird geweckt – ein Areal, von dem ich nicht wusste, dass auch ich darüber verfüge -, und ich vervollständige die Kriminalitätsstatistik meines Kiezes mit unseren vier geklauten Navis, dem Einbruch beim Nachbarn, den sinistren Typen, die ich auf der Straße herum schleichen sah, und dann raunt meine Freundin etwas von einem Leichenfund im Park.

 

So habe ich es nicht gemeint! 

 

Es klingelt unten an der Haustür. Ein Mann sagt den kroatischen Namen meines Freundes und spricht dann irgendwie osteuropäisch. Ich drücke den Öffner. 

Mein Freund ruft: Spinnst du? 

Ich sage: Ich dachte, das wäre ein Kumpel von dir. 

Als ich die Schritte auf der Treppe höre, greife ich in die Schublade mit den Küchenmessern. Mein Freund öffnet die Tür und der Fremde sagt: Guten Tag, wir würden uns gern mit Ihnen über Gott unterhalten. 

Zwei Tage später, es klingelt wieder unten an der Haustür. 

Ich rufe mit fester, furchteinflößender Stimme: Wer da? 

Mein Freund: Na, ich! 

Ich: Ach so, ich dachte, es wäre der Bötzowkiller. 

Mein osteuropäischer Freund lacht hysterisch.

 

So, Leute. Ich bin auch nur ein Mensch, und Journalistin noch dazu. Also kommt es mir gelegen, wenn ab und zu mal was passiert im Leben. Doch so habe ich es nicht gemeint. Aber voraus sehen konnte man es: Dass was passiert, wenn man nicht verhindert, dass die Menschen sich in voneinander abgeschiedenen Biotopen zusammen tun. Die man Compounds oder Ghettos nennen kann. Und dass dann eines Tages Vertreter der einen Gegend in die andere kommen. Keiner von uns kann was dafür, dass wir uns gleichen wie Eier. Unser Designer ist schuld, der menschliche Drang zur Anpassung; der Zeitgeist, die Migration, die Geschichte, die Gier. Vor allem aber: eine Politik, die nicht gegensteuert, wenn der Mensch sich homogenisiert. Und dann segregiert in: Hier die Reichen – dort die Armen. Und zwar nahezu ausschließlich. Ich hab das so nie gewollt. Und fände es besser, wenn nicht der Markt unser Leben regieren würde. Sondern die Demokratie, also: wir alle. 

 

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