DDR-Geschichte in Bildern

von Brigitte Preissler 9. Juni 2011

Ein neuer Comic befasst sich mit dem Leben des Bürgerrechtlers Peter Grimm und der von ihm mitbegründeten Samisdat-Zeitschrift „Grenzfall“.

18 Jahre alt war Peter Grimm, als am 9. April 1982 Robert Havemann starb. Mit einem Freund fuhr er zur Beerdigung nach Grünheide. Obwohl Stasi und Polizei sämtliche Waldwege und Zufahrtsstraßen kontrollierten, waren Hunderte von Leuten auf dem Friedhof. Da wurde dem Schüler klar, dass er sich hier nicht auf einer normalen Trauerfeier befand. „Dies war eine politische Demonstration Andersdenkender.“ Das Gefühl, endlich Gleichgesinnte gefunden zu haben, die sich wie er den staatlichen Repressalien widersetzten, ermutigte ihn endgültig, selbst in die Opposition zu gehen.  

Thomas Henseler und Susanne Buddenberg wählen dieses politische Initiationserlebnis des späteren Bürgerrechtlers als Ausgangspunkt für ihren neuen Schwarz-Weiß-Comic „Grenzfall“, der im Ost-Berlin der Jahre 1982-1987 spielt. Sie erzählen auch von den Anwerbeversuchen des MfS, denen Grimm sich damals widersetzte. Neun Tage vor den Abiturprüfungen wurde er von der Schule geworfen. Er konnte nicht studieren, wurde also Autodidakt und engagierte sich in Ost-Berliner Oppositionskreisen für Frieden und Menschenrechte. Als 1986 die „Initiative Frieden und Menschenrechte“ gegründet wurde, eine der wichtigsten Oppositionsgruppen der DDR, war er dabei. 

 

Treffpunkt Zionskirche

 

Auch an der Redaktion der Samisdat-Zeitschrift „Grenzfall“ war er beteiligt. In dieser illegalen Publikation wurde über Berufsverbote, Verhaftungen oder Veranstaltungen unerwünschter Künstler berichtet. Oder über die politische Situation in Polen, Ungarn und der Tschechoslowakei. Roland Jahn, der heutige Bundesbeauftragte für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes, besorgte damals die Druckmaschine. Als Treffpunkt der Verbündeten diente, neben einer Wohnung in der Fehrbelliner Straße, vor allem die Zionskirche in der Griebenowstraße.

Der Comic gibt sich zwar vordergründig als Bilderzählung aus, doch in Wahrheit ist er ein gezeichnetes Geschichtsbuch. Er richtet sich eher an historisch interessierte Leser als an echte Comicfans, denn den künstlerischen Ausdrucksformen des Mediums gewinnen Henseler und Buddenberg mit ihrer konventionellen Erzählweise und den recht braven Zeichnungen kaum neue Facetten ab. Doch immerhin veranschaulichen und illustrieren sie DDR-Geschichte. Und zwar in denkbar grundlegender Form, in Fußnoten und einem Glossar werden selbst Abkürzungen wie „Stasi“ und „MfS“ erklärt. Man erfährt aber auch, wie ein scheiternder Großeinsatz der Stasi gegen die Redakteure und Autoren des „Grenzfall“ eine breite Solidarisierungswelle in der ganzen DDR auslöste – und damit letztlich einen Keim für die Revolution von 1989 legte. 

Peter Grimm, der nach seiner damaligen Verhaftung in der Volkspolizeiinspektion Prenzlauer Berg vernommen wurde, ist heute übrigens verantwortlicher Redakteur bei „Horch und Guck“, einer Zeitschrift zur Aufarbeitung der SED-Diktatur mit Sitz in der Winsstraße. Wie so vieles andere, hat er sich auch das Zeitungmachen nicht austreiben lassen.

Thomas Henseler und Susanne Buddenberg: Grenzfall. Avant-Verlag 2011, 100 Seiten, 14,95 Euro. 

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