Vor vier Jahren wollte der Bezirk die Tucholsky-Bibliothek abwickeln. Ehrenamtliche Helfer halten seitdem den Betrieb am Laufen. Doch Vorbild wollen sie auf keinen Fall sein.
Die Tucholsky-Bibliothek ist etwas besonderes. Und zwar nicht, weil man hier derzeit noch Dinge wie Hörspiel- und Videokassetten, die manche schon längst in einem Technik-Museum wähnten, ausleihen kann. Sondern, weil allein das ehrenamtliche Engagement der Bewohner aus dem Bötzowkiez sie am Leben erhält. Denn wenn es nach dem Sparplan des Bezirks gegangen wäre, hätte die kleine Bücherei in der Esmarchstraße Ende 2007 dicht gemacht.
„Nicht allein aus Kostengründen werden in Berlin und anderswo immer wieder kleinere Bibliotheksstandorte geschlossen – die Kulturpolitik setzt auf Zentralisierung, wie wir finden, am Bürgerinteresse vorbei“, erzählt Uta Egerer, eine der Freiwilligen. Doch im kinderreichen Bötzowviertel habe man auf ein solches Bildungsangebot nicht einfach verzichten wollen. „Daher wurden Unterschriften gesammelt, ein Bürgerverein gegründet und letztendlich mit dem Bezirk die Lösung der ehrenamtlich betriebenen Bibliothek gefunden“, sagt Egerer. Seit Juni 2008 öffnen die Ehrenamtlichen regelmäßig die räumlich etwas verkleinerte Einrichtung, die nun unter dem Dach des Vereins „Pro Bötzowkiez“ existiert.
35 Helfer, 27.000 Medien, 52.000 Ausleihen pro Jahr
Etwa 35 Helfer sind es mittlerweile, die an insgesamt 18 Stunden in der Woche von Erwachsenen- und Kinder- über Sach- bis zu Hörbüchern, CDs, Spielen und Filmen alles anbieten. 27.000 Medien sind im Bestand; 52.000 Ausleihen gab es allein im vergangenen Jahr. „Darüber hinaus engagieren wir uns in der Leseförderung und arbeiten mit den Grundschulen und Kitas des Kiezes zusammen“, sagt Egerer.
Die Räume und Betriebskosten bezahlt der Bezirk, von dem die Kurt-Tucholsky-Bibliothek auch jedes Jahr einen kleinen Etat für Neuanschaffungen bekommt. „Da wir am besten wissen, was von unseren Nutzern vor Ort gefragt ist, können wir auch mitwirken beim Bestandsaufbau.“ meint Egerer. Zudem gebe es viele Spenden.
Mitgliedschaft im Bibliotheksverbund bleibt bestehen
Trotz ihrer Sonderrolle ist die Bibliothek weiterhin Mitglied im Berliner Bibliotheksverbund VÖBB, sodass nicht nur dessen Tarife gelten, sondern auch von der Esmarch-Straße aus Bücher in allen Büchereien Berlins bestellt werden können. In diesem Zusammenhang gab es einige Diskussionen um den Datenschutz. Da wird nun aber nachgebessert.
Derweil treibt die Helfer eine andere Sorge um. „Wir wollen nicht, dass unser Projekt Modellcharakter bekommt“, sagt Egerer. Ein für die Bildung so wichtiger Faktor wie eine Bibliothek dürfe nicht nur noch durch ehrenamtliches Engagement offen gehalten werden können. Die Politik wolle man da nicht aus ihrer Verantwortung entlassen. „Unser Ziel ist es, dass die Kurt-Tucholsky-Bibliothek möglichst bald wieder professionell betrieben wird.“