Anlässlich seines Todestages erinnert eine öffentliche Tagung im Brecht-Haus am 11. und 12. Mai an den Journalisten und Schriftsteller Klaus Schlesinger.
Manche würde ihn heute womöglich einen Unterschichtler nennen: Klaus Schlesinger, geboren 1937 in der Dunckerstraße, war gelernter Chemielaborant und Sohn eines im Zweiten Weltkrieg verschollenen Expeditionsgehilfen des Ullstein-Verlags. Dass einer wie er überhaupt Schriftsteller werden konnte, war seiner Meinung nach nur in der DDR möglich. Als sozialistischer Arbeiterschriftsteller hätte er sich dort leicht vereinnahmen und feiern lassen können – das Leben einfacher Leute in den Arbeiterbezirken Ost-Berlins schilderte er schließlich in vielen journalistischen und literarischen Arbeiten. Zum Beispiel in „Michael“ (1971), seinem Debütroman, in „Alte Filme“ (1975) oder in seinem Prosaband „Berliner Traum“ (1977). Auch für ein geplantes sozialistisches Nachrichtenmagazin ließ er sich in den 60er Jahren ausbilden.
Doch spätestens durch seine Beteiligung an den Protesten gegen die Biermann-Ausbürgerung 1976 machte er sich dem Regime missliebig; 1979 wurde er aus dem Schriftstellerverband der DDR ausgeschlossen, 1980 übersiedelte er nach West-Berlin. Nach der Wende aber kehrte er zurück, vorübergehend übrigens als Geschäftsführer der (bald eingestellten) Ost-taz; vor seinem frühen Tod am 11. Mai 2001 wohnte er zuletzt in der Torstraße.
Aus Anlass seines zehnten Todestages wird nun am Mittwoch und Donnerstag eine öffentliche Tagung im Literaturforum im Brecht-Haus an sein Leben und Werk erinnern. Auch um Prenzlauer Berg wird es dabei teilweise gehen – schließlich lebte Schlesinger hier lange Zeit, und machte die Gegend vielfach auch zum Handlungsort seiner Werke. Ein Vortrag Schlesingers im Jahr 2000, der von den Veränderungen der Bevölkerungsstruktur in Prenzlauer Berg handelte, machte den Literaturwissenschaftler Jan Kostka – einen der Initiatoren der Tagung – sogar erstmals neugierig auf diesen Autor; inzwischen arbeitet Kostka an der Uni Potsdam an seiner Dissertation über „Leben und Werk Klaus Schlesingers bis 1980.“
Einmal wöchentlich in der Dunckerstraße
Prenzlauer Berg sei eben die Gegend seiner Kindheit und Jugend gewesen, sagt auch die Schlesinger-Biographin Astrid Köhler (ihr Buch erscheint im November im Aufbau Verlag). Bis zum Tod seiner Mutter Anfang der 90er Jahre sei er mindestens einmal wöchentlich in der Dunckerstraße gewesen, so Köhler, die ebenfalls zu den Organisatoren der Tagung gehört. Da ist es also nur folgerichtig, wenn bei einem „Literarischen Stadtspaziergang“ im Rahmen der Tagung am Donnerstag unter anderem Stationen in Prenzlauer Berg angesteuert werden; um 10 Uhr geht es los, am Bahnsteig des U-Bahnhofs Eberswalder Straße (Die Stadtführung kostet 9,50/ermäßigt 7 Euro; für die Teilnahme ist eine Reservierung erforderlich unter kostka@uni-potsdam.de oder unter 0331-70 43 961).
So manches, was Schlesinger über Prenzlauer Berg schrieb, kann einen in der Tat bis heute zur Auseinandersetzung mit seinem Werk anregen; für ihn war, wie auch Astrid Köhler betont, Prenzlauer Berg immer „der Kiez der Proletarier und kleinen Leute.“ In seinem Essayband „Von der Schwierigkeit, Westler zu werden“ (1998) schrieb er zum Beispiel:
„Reste von Ressentiment bleiben ohnehin, und wenn ich dann einen Mittzwanziger am Kollwitzplatz aus einem Achzigtausendmark-Kabriolett steigen und einen dieser unbeschreiblichen, besitzergreifenden Blicke um sich werfen sehe, weiß ich, was die Stunde geschlagen hat. Es ist ein Vorbote der unsympatischsten sozialen Schicht, die ein Volk sich leisten muß. Und wenn es ihm und seinesgleichen hier gefällt, gebe ich dem Bezirk keine zehn Jahre mehr, und er hat nicht nur die Hälfte, sondern auch den Rest seiner einstigen Bewohner verloren.“
„Leben in Berlin – Leben in vielen Welten. Klaus Schlesinger und seine Stadt.“ Öffentliche Tagung am 11. und 12. Mai im Literaturforum im Brecht-Haus, Chausseestraße 125 (Mitte). Weitere Informationen zum Programm unter http://www.lfbrecht.de