Neue Spekulationen um das Stadtbad Oderberger Straße

von Redaktion der Prenzlauer Berg Nachrichten 2. Mai 2011

Es gibt einen neuen Interessenten – und der Vertrag mit einer Eventagentur wurde gekündigt. Was hat der Eigentümer, die Stiftung Denkmalschutz Berlin, vor?

Wie ein verwunschenes Schloss wirkt das Stadtbad in der Oderberger Straße, zwischen Schönhauser und Kastanienallee. Die verwaschene Fassade, die blinden Fenster, all das gibt noch keinen wirklichen Eindruck davon, wie schlecht es um die einstige Volksbadeanstalt von Prenzlauer Berg wirklich bestellt ist. Auf der Rückseite sprießen Bäume aus den Mauern, es regnet durch das Dach, im Inneren rosten die einst kohlebefeuerten Heizkessel vor sich hin.

Dem altehrwürdigen Stadtbad läuft die Zeit davon – drei, vier, vielleicht auch fünf Jahre könne das Gebäude in diesem Zustand noch überleben, schätzt Wolfgang Karfus. Er muss es wissen. Er wohnt im Stadtbad. Ganz oben links im Vorderhaus sitzt er in einer hellen Wohnung mit Dielenboden. Vor sich hat er lauter Pläne mit alten Zeichungen des Ludwig-Hoffmann-Baus. Von seinem Schreibtisch aus blickt er auf die ehemalige Badehalle und den zu DDR-Zeiten gesetzten Schornstein, der die Wurzel allen Übels ist.

 

In den 90ern gab es noch Sauna und Solarium 

 

1986 nämlich sollte das Bad mit einem neuen Turm modernisiert werden. Stattdessen grub sich das Betonmonster auf der Rückseite immer tiefer in den Boden, das Becken bekam Risse, der Badebetrieb musste eingestellt werden. Nur die Sauna blieb offen, 1994 baute man in heller Nach-Wende-Euphorie im Keller sogar ein Solarium ein, drei Jahre später wurde dann alles geschlossen. Alle hochfliegenden Pläne des Senats, das Bad mit Millionenaufwand zu sanieren, scheiterten.

Stattdessen schob die öffentliche Hand das ruinöse Gebäude lieber ab – zunächst an die Genossenschaft Stadtbad Oderberger Straße, die es 2001 für symbolische 100.000 Euro erwarb. Als diese nicht die erhofften öffentlichen Zuschüsse bekam, präsentierte sich die Stiftung Denkmalschutz Berlin als Retter in der Not. Ebenfalls für 100.000 Euro kaufte sie das Bad der Genossenschaft ab – mit der Auflage, das Bad bis Ende 2011 für die Öffentlichkeit instand zu setzen.

 

Wird das Bad an Spekulanten verscherbelt?

Doch dasselbe Spiel wiederholte sich: Auch diesmal blieben die erhofften Zuschüsse aus, stattdessen wurden von der Politik andere Prioritäten verfolgt, der Umbau der Kastanienallee zum Beispiel. Die Stiftung Denkmalschutz – wegen ihres Konzepts, denkmalgeschützte Bauten mit Hilfe von Plakatwerbung zu sanieren, ohnehin in der Kritik geraten – schweigt beharrlich, wenn es um die Frage geht, was mit dem Bad passieren soll. Ein Versuch, das Gebäude an einen deutsch-amerikanischen Hotelinvestor zu verkaufen, war Anfang des Jahres an Einwänden der öffentlichen Hand gescheitert. Man nehme keine Stellung, ließ Christian Melcher, stellvertretender Stiftungsvorsitzender, den Prenzlauer Berg Nachrichten nun ausrichten. „Die Stiftung wird bis Ende des Jahres entscheiden müssen, ob das Bad an das Land Berlin zurückgegeben wird“, heißt es auf der Homepage der Stiftung lapidar.

Wolfgang Karfus fürchtet, dass das Bad verscherbelt wird. Ende 2012 wird die Sanierungssatzung für das Gebiet Teutoburger Platz aufgehoben – in der Satzung ist die Nutzung als öffentliches Bad festgelegt. Die Stiftung könne darauf spekulieren, dass von den Denkmalauflagen abgesehen werden, wenn das Bad schon bald mit vertretbarem Aufwand nicht mehr zu retten sei, meint Karfus.

Der neue Interessent heißt Jasper de Gier

Karfus war Mitstreiter des legendären Genossenschaftsgründers Bernd Holtfreter, der für die PDS im Abgeordnetenhaus saß und 2003 im Alter von 52 Jahren starb. Wenn Holtfreter noch leben würde, so hört man oft in Prenzlauer Berg, dann wäre es im Drama um das Stadtbad nie so weit gekommen. Karfus, der seit den 80er Jahren in Bad wohnt, weil seine Frau beim Sportamt Prenzlauer Berg beschäftigt war, ging später selbst auf die Suche nach einem Investor. Mit Russen, mit Schweizern sprach er, dann kam die Finanzkrise, jetzt aber ist er sich sicher, dass er mit Vermittlung einer renommierten Hamburger Bank den Richtigen gefunden hat: Jasper de Gier, ein Berliner Bauinvestor, Jahrgang 1977, der von sich selbst sagt, dass er mit dem Badebetrieb kein Geld verdienen wolle.

Er könne sich vorstellen, den Badebetrieb einer Genossenschaft zu übergeben, sagt er. Zusammen mit der Bank könnten die notwendigen 22 Millionen Euro für die Sanierung aufgebracht werden, sagt de Gier. In drei Jahren könne das Bad umgebaut sein, es soll eine öffentlich zugängliche Schwimmhalle geben, daneben auch einen höherpreisigen Spa-Bereich.

 

Die Stiftung schweigt

 

Kommt in letzter Minute also doch noch der weiße Ritter, der ein städtebauliches Juwel in Zeiten von wilder Immobilienspekulation rettet? Jasper de Gier sagt, er wundere sich, wie wenig sich die Stiftung, die eigentlich froh sein müsste, wenn sie das Bad los werde, für sein Angebot interessiere – und wie teilnahmslos auch die Bezirkspolitik in einer für sie zentralen Frage wirke. Am  21. Februar 2011 hatte de Gier sowohl ein Kaufangebot an Lothar de Maizière, den Vorstandsvorsitzenden der Stiftung Denkmalschutz, unterbreitet, als auch Pankows Bezirksbürgermeister Matthias Köhne (SPD) darüber informiert. Köhne beließ es in seinem Antwortschreiben vom 2. März bei der Aussage, dass er das Angebot an Bezirksverordnetenvorsteher Burkhard Kleinert (Linke) weitergeleitet habe.

Der vom Land Berlin getragene Liegenschaftsfonds, dessen Steuerungsausschuss einen Eigentümerwechsel genehmigen müsste, antwortete auf einen weiteren Brief de Giers mit der Feststellung, er sei nicht mehr Eigentümer des Stadtbads. Stiftungsvorstand Lothar de Maizière habe ihm gegenüber gar nicht geantwortet, sagt de Gier. Er habe nur gerüchteweise die Information erhalten, dass das Bad bereits anderweitig vergeben sei. Vertreterin des Bezirks Pankow im Lenkungsausschuss ist Stadträtin Christine Keil (Linke). Sie sagte den Prenzlauer Berg Nachrichten, ihr seien in Sachen Stadtbad keine neuen Entwicklungen bekannt.

 

Eventagentur vermarktet das Bad nicht mehr

 

Wolfgang Karfus wundert sich. Er sagt, ein Mann, der sich als Mitarbeiter der Euref AG ausgegeben habe, sei kürzlich im Stadtbad gewesen und habe gesagt, wenn er Fragen habe, dann solle er sich künftig an ihn wenden. Das Berliner Catering-Unternehmen Optimahl, das in der Vergangenheit Veranstaltungen im Stadtbad ausrichtete, verweist in einer Mail, die den Prenzlauer Berg Nachrichten vorliegt, ebenfalls auf diese Person als Ansprechpartner. Die Euref AG entwickelt zurzeit das Gebiet rund um das frühere Gasometer in Schöneberg. Vorstand der Euref AG ist Reinhard Müller, Bauunternehmer und Gründer der Stiftung Denkmalschutz. Stiftungsvorstand Lothar de Maizière ist Geschäftsführer des Euref-Instituts, als dessen Partner wiederum die Euref AG firmiert. Reinhard Müller sagte auf Anfrage der Prenzlauer Berg Nachrichten, Euref habe mit dem Stadtbad „nichts zu tun“, es müsse sich um eine Verwechslung handeln. Die Eventagentur „Ivory“, die das Stadtbad in der Vergangenheit für Veranstaltungen vermarktet hatte, teilte unterdessen mit, dass ihr das Bad nicht mehr zur Verfügung stehe und dass die Stiftung das Gebäude jetzt anderweitig nutzen wolle.

Neben de Gier gibt es mit Barbara Jaeschke von der GLS-Sprachenschule noch eine weitere Interessentin für eine Sanierung und Nutzung. Sie will das Gebäude in ihre Schule integrieren und das Bad zumindest teilweise für die Öffentlichkeit öffnen. Um die beiden Angebote gegeneinander abzuwägen, müsste das Bad wohl noch einmal an den Liegenschaftsfonds zurückfallen, wenn auch nur für kurze Zeit. Unklar ist allerdings, ob die Stiftung Denkmalschutz das Bad überhaupt freiwillig hergeben würde – zumal der Liegenschaftsfonds, wie es ein führender SPD-Bezirkspolitiker ausdrückt, wohl den „Teufel“ tun würde, noch einmal das Stadtbad zurückzufordern.

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