Nicht erst der Umbau bringt die Gewerbetreibenden der Kastanienallee in Bedrängnis. Der erste Ladeninhaber hat sich jetzt ein neues Standbein geschaffen – in Hamburg.
Der Vergleich ist gemein, und doch wahr: In der Kastanienallee haben die Ratten begonnen, das sinkende Schiff zu verlassen. Mit Kurs auf Hamburg. Mitte April eröffnete dort ein Laden mit dem wehmütigen Namen „Heimat Berlin“. Es ist die Außenstelle des gleichnamigen Ladens in der Kastanienallee, dessen Inhaber Sebastian Mücke bis vor kurzem noch zu den Aktivisten gegen den Umbau der selbsternannten Szenestraße gehörte. Mittlerweile hat er sich jedoch zurückgezogen – „ich halte alles weitere Engagement für aussichtslos“, meint er. Und expandiert stattdessen an die Elbe.
„In den vergangenen zwei Jahren haben wir wie auch andere Gewerbetreibenden in der Kastanienallee eindeutige Umsatzeinbußen gehabt“, erzählt Mücke. Der Umbau werde diese Tendenz noch verstärken. „Viele Geschäfte werden das nicht überleben. Mein Mietvertrag läuft im nächsten Jahr aus, und ich bin noch nicht sicher, ob ich ihn verlängern werde.“
Gemischtes Gewerbe und sanierte Häuser
Statt dessen also Hamburg, Lange Reihe im Viertel St. Georg. „Dort sind Bevölkerung und Gewerbestruktur noch gemischt, und das, obwohl die Häuser und Straßen saniert sind“, sagt Mücke. Sein Laden, in dem er Hüte und Bekleidung von Berliner Designern verkaufe, habe als Nachbarn eine Wäscherei und einen türkischen Kiosk. „Die Gegend ist wie eine Mischung aus der Kurfürstenstraße, Kreuzberg und Schöneberg – etwas Vergleichbares gibt es in Berlin nicht.“
Zur Dependance in Hamburg ist Mücke über einen Zufall gekommen. Und Udo Lindenberg. Dessen Stylistin ist die Hauptmieterin des Hamburger Ladens und führt im Keller ihren Salon. „Für das Geschäft im Erdgeschoss hat sie als Mieter einen Hutladen gesucht. Bei einem Besuch in der Kastanienallee hat Udo sie dann auf uns aufmerksam gemacht.“ Im Februar erhielt Mücke den ersten Anruf mit dem Angebot, zwei Monate später schon hat er „Heimat Berlin“ eröffnet.
Seine Mitarbeiter hat er quasi als Gastarbeiter einfach mitgenommen. „Derzeit pendeln wir alle von Berlin nach Hamburg. Da wird man großer Fan der Deutschen Bahn, die für die Strecke nur eineinhalb Stunden braucht“, sagt Mücke. Sorgen, dass es mit dem Hinweis auf Berlin im Namen die Hamburger Kundschaft vergraulen könnte, mache er sich nicht. „Mit Hamburg verbindet uns doch eine große Städtefreundschaft – ist ja schließlich nicht München.“