Die Impfabstinenz in Gegenden mit vielen Kindern aus der sozialen Oberschicht ist vier Mal so groß wie in der Unterschicht.
Wenn die Schulstadträtin des Bezirks Pankow jedes Jahr ihren Bericht über die jeweiligen Einschulungsuntersuchungen vorstellt, dann ist eines mittlerweile zur Gewissheit geworden: Die Kinder mit den geringsten gesundheitlichen Problemen leben in den klassischen Bildungsbürgergegenden von Prenzlauer Berg. Ob es um Zähne geht oder um Übergewicht: Stets schneiden die dort besonders zahlreich vertretenen Oberklassekinder am besten ab.
Umso mehr fällt auf, wenn im Zusammenhang mit diesen Kindern von einem sozialen Problem gesprochen wird. Wahrscheinlich wurde der Begriff deshalb von den Amtsmitarbeitern im Bericht gleich doppelt markiert und sowohl in Anführungszeichen als auch kursiv gesetzt. Es gibt nämlich ein Segment, in dem die Kinder aus schlechten sozialen Verhältnissen besser abschneiden als ihre wohlsituierten Altersgenossen. Es geht darum, in welchem Umfang Eltern ihre Kinder gegen Krankheiten impfen lassen.
Eltern glauben an gesunde Wirkung von Krankheiten
Zwar wurde der Anteil geimpfter Kinder nur nach dem Kriterium der sozialen Schichtangehörigkeit erhoben. Doch wenn man einen Blick auf die Schichtenverteilung im Gesamtbezirk Pankow wirft, dann wird schnell klar, dass die oberste Sozialschicht besonders überproportional im südlichen Teil von Prenzlauer Berg vertreten ist. Im Umfeld von Kollwitz- und Helmholtzplatz gehören ihr über 80 Prozent der Bevölkerung an, in Bötzow-, Wins- und Gleimviertel sind es rund 75 Prozent. Der Gesamtbezirk Pankow besteht nur zu 56 Prozent aus Oberschichtangehörigen. Die Schichtzugehörigkeit wurde in dem Bericht aus einer Kombination von Ausbildungsabschluss und Erwerbstätigkeit berechnet.
Bei den klassischen Kinderkrankheiten Masern, Mumps und Röteln zum Beispiel ist der Anteil der impfabstinenten Kinder in der sozialen Oberschicht vier Mal so groß wie in der Unterschicht. Knapp neun Prozent der bessergestellten Eltern im Bezirk Pankow haben ihre Kinder demnach nicht gegen Mumps impfen lassen. Bundesweit wird die Zahl der Impfgegner nur auf drei bis fünf Prozent geschätzt. In dem Bericht der Schulstadträtin heißt es dazu: „Aus früheren Untersuchungen ist bekannt, dass die Menschen, die Impfungen gegenüber kritisch eingestellt sind, oft eine bessere Bildung vorweisen als das im Bevölkerungsdurchschnitt der Fall ist. Die ablehnende Haltung entsteht einerseits aus der Befürchtung, dass das Kind durch Nebenwirkungen der Impfung gesundheitliche Schäden davontragen könnte, als auch durch die Überzeugung, dass das Durchstehen einiger der impfpräventablen Krankheiten für die Entwicklung ihres Kindes förderlich wäre.“
25 Prozent der Kinder sind nicht gegen Hepatitis B geimpft
Immerhin: Im Vergleich zum Vorjahr hätten sich insbesondere bei den Impfungen gegen Masern, Mumps und Röteln quer durch alle Schichten Verbesserungen ergeben. Die Impfungen gegen Pneumokokken, Varizellen und Meningokokken wurden erstmals erfasst. Hier sei der Grad der Immunisierung unbefriedigend, insbesondere bei den Impfungen gegen Pneumokokken und Varizellen. Der notwendige Impfschutz gegen Hepatitis B werde von vielen Eltern offensichtlich unterschätzt, heißt es. Auch hier stechen die Oberschichteltern besonders als Impfgegner hervor: Etwa 25 Prozent der Kinder sind nicht gegen Hepatitis B geimpft.