Gut gehäkelt, Zsuzsa Bánk!

von Brigitte Preissler 31. März 2011

Was hat das Schreiben von Romanen mit Handarbeiten zu tun? Die Autorin erklärte es im Georg Büchner-Buchladen, bei der Präsentation ihres zweiten großen Romans „Die hellen Tage.“ 

Nein, häkelnd kann man sie sich nun wirklich nicht vorstellen, diese Zsuzsa Bánk. Dafür wirkt die Schriftstellerin viel zu intellektuell, vor allem mit der dunklen Lesebrille, die sie am Dienstag bei der Lesung aus ihrem neuen Roman trug. Aber sie häkelt tatsächlich, bekannte die Schriftstellerin an diesem Abend im Georg Büchner-Buchladen. Nur eben keine Mützen, Schals oder Klorollen-Deckel für die Hutablage im Auto. Sondern Bücher: Zuletzt ihren bei S. Fischer erschienenen Roman „Die hellen Tage“, den sie bei dieser Gelegenheit vorstellte.

 

Jawohl: Sie häkle sich beim Schreiben regelrecht von Wort zu Wort, von Zeile zu Zeile, erklärte Zsuzsa Bánk im Gespräch mit der Radiomoderatorin Marion Brasch. Genau wie für Bánks Schriftstellerkollegin Katja Lange-Müller (von ihr stammt der Häkel-Vergleich ursprünglich) versteht also auch sie ihre Texte als dichte, engmaschige Gewebe, die in arbeitsintensiven und langwierigen Prozessen entstehen. „Doch doch, wir Schriftsteller arbeiten richtig. Wir stehen morgens auf und setzen uns an den Computer,“ erklärte Bánk in der knallvollen Buchhandlung mit großer Entschiedenheit – und verwahrte sich damit gegen das Klischee, wonach der echte Literat nachts gemütlich bei einem Glas Rotwein nur seinen genialischen Inspirationen zu folgen braucht, um vollendete Werke zu erschaffen.

 

Nein, es darf kein Telefon klingeln, kein Rasen draußen gemäht werden, wenn Zsuzsa Bánk arbeitet. Wieso es fast zehn Jahre dauerte, bevor die 1965 in Frankfurt geborene Mutter zweier Kinder nach ihrem preisgekrönten Debütroman „Der Schwimmer“ (2002) nun diesen neuen, opulenten Fünfhundertseiter vorlegte, verstand man da irgendwie ganz gut. Allein für eine Überarbeitung, bei der sie gemeinsam mit ihrem Lektor an der Sprache, am Ton des Buches feilte, sei ein ganzes Jahr drauf gegangen, erklärte sie.  

 

Ein Ort namens Kirchblüt


Melancholisch, elegisch, fast märchenhaft ist er schließlich geworden, dieser Ton. Fast ohne Dialoge oder wörtliche Rede, in einem anhaltenden, durchkomponierten Schreibfluss erzählt Bánk in „Die hellen Tage“ von den drei Kindern Seri, Aja und Karl, die in einer süddeutschen Kleinstadt namens Kirchblüt aufwachsen.

 

Im Garten einer aus Ungarn stammenden Artistenfamilie vertreiben sie sich die Zeit, klettern auf Linden, schlagen Räder, sprechen mit den Tauben. Wie brüchig dieses scheinbare Kindheitsparadies jedoch ist, machte das von Bánk vorgelesene Kapitel klar: Es war die Passage, in der Seris Vater kurz nach ihrer Geburt unvermittelt bei einem Sommerausflug einen tödlichen Infarkt erleidet. Gerade angesichts solcher Szenen erscheint der Kitsch-Vorwurf, den mancher Rezensenten bereits erhob, ungerechtfertigt. „Nein, es ist keine Idylle“, betonte auch Bank bei der Lesung, und verwies auf die emotionalen Versehrungen und Unfälle, die ihre Romanfiguren erleiden. 

 

Banks elegischen, fast ätherischen Ton muss man freilich mögen, und auch der zahlreichen Kindheits- und Familiengeschichten in der jüngeren deutschen Gegenwartsliteratur sollte man nicht bereits überdrüssig sein, um auch diesen Roman noch genießen zu können. Dem verwöhnten Publikum des Büchner-Buchladens – das sich ja relativ häufig über Veranstaltungen mit prominenten Autoren freuen darf – gefielen die vorgelesenen Romanpassagen jedenfalls. Gut gehäkelt, Zsuzsa Bánk.

 

Zsuzsa Bánk: Die hellen Tage. S. Fischer, 540 Seiten, 21,95 Euro.

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